Ackerhygiene. Nach der Ernte ist vor der Ernte
Wie lässt sich der Vorrat von Ackerfuchsschwanz- und Weidelgrassamen im Boden verringern? Welche Bodenbearbeitung hat welchen Effekt? Und was taugen Zwischenfrüchte zur Unkrautunterdrückung? Das sind Themen des DLG-Podcasts zum Nacherntemanagement.
Die Menge an Ungrassamen im Boden ist für die gesamte Herbizidstrategie entscheidend. Unter anderem darüber spricht im DLG-Podcast »Nacherntemanagement als Basis der Herbizidstrategie« Dr. Bruno Görlach, Bereichsleiter Pflanzenproduktion und Außenwirtschaft im DLG-Fachzentrum Landwirtschaft & Lebensmittel, mit Manja Landschreiber, Referentin für Pflanzenschutz der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, und Frank Käufler, privater Pflanzenbauberater aus Nordhessen.
»Das Regenwetter Ende Juli/Anfang August hat zwar das Dreschen massiv erschwert – für die bereits abgeernteten Flächen war das im Sinne eines guten Nacherntemanagements aber ein optimaler Start in die neue Saison«, so Manja Landschreiber. »Ich habe Ende Juli auf einer abgeernteten Gerstenfläche Fuchsschwanz gesehen, der zum Teil schon zwei Blätter erreicht hatte.« Frank Käufler ergänzt: »Die Samen konnten, teilweise noch im stehenden Weizen keimen, der Fuchsschwanz ist ausgefallen und auflaufen. Das heißt: weniger Arbeit beim Nacherntemanagement.«
Zentraler Punkt für die Unkrautstrategie der kommenden Wochen ist die Dauer der Keimruhe. Manja Landschreiber: »Der schon im Bestand gekeimte Ackerfuchsschwanz hatte eine sehr, sehr kurze Keimruhe – das kommt vielleicht ein oder zweimal in zehn Jahren vor.« Allerdings ist die Bestimmung dieser primären Keimruhe gar nicht so einfach. »Sie hängt neben der Genetik auch von den Temperaturen zwischen der Blüte und der Abreife des Ackerfuchsschwanzes ab. Wenn es zu der Zeit relativ warm ist, bedeutet das eine kurze primäre Keimruhe. Aber das ist eben äußerst selten der Fall.
Dazu kommt: Wie viele Ähren hat die Fuchsschwanzpflanze? Die Anzahl steigt, je lückiger der Bestand ist. Eine Fuchsschwanzpflanze kann fünfzig, sechzig bis zu hundert Ähren und natürlich Unmengen an Samen ausbilden. Die Ähren reifen in hierarchischer Folge ab, erst die vom Haupttrieb und dann die Nebentriebe. Das Zeitfenster verlängert sich also deutlich. Bei instabiler Wetterlage gibt es währenddessen keine konstant warmen Temperaturen über fünf, sechs Wochen.
Die Anforderungen an die Aussaat steigen ...
... auch mit Blick auf die Herbizidstrategie. Frank Käufler erklärt: »Viele Untersuchungsergebnisse der Kammern zeigen, dass drei Wochen Aussaatverzögerung – nicht im gesamten Betrieb, sondern auf den Befallsflächen – mehr Unkraut vernichten als eine drei Wochen frühere Saat plus ein Herbizid. Wenn man statt 2 000 Ackerfuchsschwanzpflanzen pro m² 250 oder 300 hat, steigt der Wirkungsgrad der Herbizide exorbitant.
Außerdem müssen die Anforderungen ans Saatbett der Hauptkultur erfüllt werden: Saattiefe einhalten, 3 cm bei schwerem Boden, bei leichtem Boden vielleicht auch mal 4 cm. Und das Saatgut muss gut mit Feinerde bedeckt werden. Erstens, weil so die Winterhärte zunimmt. Zweitens, da dann die Verträglichkeit der Herbizide steigt. Deren Wirkungsgrad kann vielleicht gehalten werden gegenüber unseren Ungräsern, aber die Verträglichkeit wird wegen der Mengen, die wahrscheinlich notwendig sind, ein Thema.
Weil die Wirkung der Mittel schlechter wird, brauchen wir mehr Menge von den weniger Wirkstoffen, die wir noch haben und deshalb müssen wir das Getreide sauber etablieren. Meines Erachtens nach muss auch die Aussaatmenge hoch, damit ein schneller Bestandschluss möglich wird.«
Es ist also schwer zu sagen, wie lange die tatsächliche primäre Keimruhe anhält.
Zudem ist die Länge der primären Keimruhe auch auf benachbarten Schlägen nicht einheitlich: Auf einem hat eine Fuchsschwanzpflanze nur ein oder zwei Ähren und in dem erwähnten Zeitfenster sind die Temperaturen relativ hoch, auf dem Nachbarschlag dagegen war der Bestand vielleicht lückiger und die Fuchsschwanzpflanze hat viele Ähren, so dass sich das Zeitfenster verlängert.« »Dass eine Ackerfuchsschwanzpflanze, die vielleicht wegen Steinbesatz oder tonigem Boden viel Platz hat, Tausende Samen ausbilden kann, zeigt aber auch unsere Möglichkeiten: Mit gleichmäßigen Beständen und bodenbedeckenden Pflanzen lässt sich verhindern, dass sich Gräser etablieren können,« so Frank Käufler.
Welche Bodenbearbeitung bietet sich an, um möglichst viele Ungräser auflaufen zu lassen? »Das kommt darauf an«, sagt Manja Landschreiber, »wenn Ackerfuchsschwanzsamen in Dunkelheit fallen – z. B. auch durch Bodenbedeckung – können sie im aktuellen Herbst nicht mehr keimen, manchmal erst Jahre später. Das kennt man z. B. auch vom Ausfallraps. Mit einer Kurzscheibenegge, die zwar flach arbeiten soll, kommt man aber doch 3 bis 5 cm tief in den Boden, so dass der Samen tatsächlich in Dunkelheit fällt. Im Folgejahr, wenn er durch Bodenbearbeitung wieder nach oben gebracht wird, kann er bei Lichtreiz und Feuchtigkeit keimen.
Wenn also sehr viel Samen oben auf der Oberfläche liegt, sollte man ihn nicht in den Boden einarbeiten, sodass er in die sekundäre Keimruhe fällt. Es muss ganz, ganz flach gearbeitet werden, um einen Großteil der Samen zum Keimen zu bringen und eben nicht den Vorrat im Boden noch weiter anzureichern. Ein Teil wird wahrscheinlich auch durch Prädatoren (z. B. Mäuse) gefressen oder verpilzt.
Wenn die Situation aus dem Ruder gelaufen ist und ein Teil der Fläche gemulcht werden musste, gibt es dort gar keinen aktuellen Samenausfall. Aber das Problem schlummert wegen des riesigen Vorrats weiter im Boden. Statt dann flach zu arbeiten, bietet sich ein 3 bis 5 cm tiefer Bodeneingriff an, z.B. in Kombination mit der Strohverteilung. Das holt den Ungrassamen aus der sekundären Keimruhe. So werden sukzessive ein, zwei oder vielleicht drei Bearbeitungsgänge – je nach Wetterlage – durchgeführt, um das Samenpotential im Boden zu reduzieren.
Die Entscheidung über die Stoppelbearbeitung hängt also von den Fragen ab: Was ist mein vordergründiges Ungras-Problem? Liegt es oberflächlich oder tiefer im Boden?«
Beim Weidelgras verhält es sich etwas anders,« so Manja Landschreiber, »es hat ja eine sehr kurze, also fast gar keine Keimruhe. Das macht es einfacher als beim Fuchsschwanz: Jede Bearbeitungsgang reißt eine neue Keimwelle hoch. Deswegen ist auch beim Weidelgras der effektivste Hebel die Stoppelbearbeitung. Dort wird auch erst mal flach gearbeitet – das muss aber gar nicht zwangsläufig der Striegel sein, es können gleich 2 bis 3, 5 cm bearbeitet werden, damit der Samen auch Bodenkontakt bekommt. Und dann geht es immer ein bisschen tiefer, um aus den einzelnen Bodenschichten den Samenvorrat hochzuholen. Das sind dann auch mehrere Bearbeitungsgänge. Der Vorteil bei der Weidelgrasbekämpfung: Es ist egal, was gerade ausgefallen ist und was im Boden liegt. Man kann flach bearbeiten und es keimt sofort. Das Warten wie beim Fuchsschwanz, der diese vier bis acht Wochen oder teilweise noch längere primäre Keimruhe hat, entfällt.
Die sekundäre Keimruhe ist aber bei beiden gleich: Lichtreiz und Feuchtigkeit – dann keimen die Pflanzen. Dazu Frank Käufler: »Das Nacherntemanagement ist eben keine klassische Boden- oder Stoppelbearbeitung. Es richtet sich nach den Anforderungen der Ungräser oder des Ausfallraps und bedeutet damit sehr flaches Bearbeiten. Das heißt 0, 1 oder 2 cm, spätestens bei 3 cm ist Schluss. Alles andere führt dazu, dass Samen in Dunkelheit fallen. Tatsächlich ist die primäre Keimruhe der Witterung geschuldet. Die sekundäre Keimruhe ist menschengemacht.
Welche Geräte setzt man am besten ein? Sehr leicht zu fahren, mit hoher Flächenleistung, geringem Spritverbrauch, ohne Probleme mit Steinen oder Verstopfen ist die Scheibenegge. Sie ist daher sehr beliebt bei Landwirten. Den Qualitätsansprüchen des Nacherntemanagements wird sie aber nicht gerecht. Beim Thema sehr flaches Bearbeiten ist der Striegel die erste Wahl. Wie tief er arbeitet, hängt natürlich von der Bodenfeuchte und -art ab. Je schwerer der Boden und je trockener, desto flacher arbeitet das Gerät. Aber man kann einen Striegel auch »tragen« und nur vorsichtig den Boden ankratzen. Im Bereich bis 3 cm lässt sich ein Vielfaches von dem Samen, der in oder auf der oberen Bodenschicht liegt, durch Striegeln zum Auflaufen bringen – etwa fünfmal so viel Fuchsschwanz, Weidelgras oder Rapssamen.
Die Alternative wäre der Flachgrubber. Er erfüllt die Anforderungen von 0 bis 3 cm Arbeitstiefe auch. Es wird die komplette Arbeitsbreite sauber abgeschnitten, wenn es die Bodenverhältnisse – sprich Feuchtigkeitsverhältnisse – zulassen. Auch dieses Gerät ist sehr schnell, hat einen geringen Energiebedarf und eine sehr gute Arbeitsqualität. Nur der Ansatz ist etwas anders: Der Grubber ist schneidend, der Striegel kratzend (siehe Grafik).
Wenn die Feuchtigkeitsverhältnisse stimmen, wird der Acker anschließend grün. Und das nicht nur vom Fuchsschwanz, sondern eben auch vom Weidelgras, Ausfallraps oder -getreide, vom Storchschnabel und Kerbel. Die beste Strategie ist alle Auflaufwellen mitzunehmen, im Zwei-Blatt-Stadium auszureißen und danach abzuwarten. Dann hat die kleine Pflanze noch keine Wurzel gebildet und der Striegel hat es leicht, sie schnell herauszuziehen. Das ist natürlich mitnichten der Fall, wenn sie bestockt. Deshalb: Auflauf, flaches Bearbeiten. Auflauf, flaches Bearbeiten.
Die vielen Bodenbearbeitungsgänge haben noch weitere Vorteile: Bei der späteren Herbizidanwendung spielt es auch eine Rolle, wie mürbe das Stroh ist – da helfen mehrere flache Arbeitsgänge. Je mehr die Stoppel der Witterung ausgesetzt ist, desto brüchiger wird sie. Das hilft, gleichmäßigere Bestände hinzubekommen und eine bessere Herbizidleistung zu erhalten.«
Wir sprechen ja bei diesen Fuchsschwanzflächen oder Gräserbefallsflächen nicht vom gesamten Betrieb, sondern nur von Teilflächen. Und dort ist dieses Engagement gut eingesetzt«, sagt Manja Landschreiber, und um diese Problemflächen in den Griff zu bekommen gilt auch: Wenn die Keimruhe des Fuchsschwanz lang ist und es unmöglich ist, z. B. Wintergerste einzusäen oder der Regen einen späteren Saattermin des Weizens zunichtemacht, muss dort eben eine Sommerung hin. Es lohnt sich, solche Flächen intensiv zu bearbeiten.
Natürlich ist dieses Vorgehen mit Kosten verbunden – es braucht Zeit, Personal, Diesel und die Maschinen nutzen ab. Aber letztendlich geht es um die Frage: Will ich auf diesen Flächen künftig noch Ackerbau betreiben? Frank Käufler meint: »Der Landwirt sieht ja auf diesen »Hotspots« die Ertragsrückgänge, die ganz schnell 50 % des Getreideertrages ausmachen. Auf diesen Teilbereichen lohnt es sich dann, sich »ein Bein auszureißen«, um sich gegen den Fuchsschwanz zu wehren. Wir haben Flächen, da geht es nach vier, fünf Jahren ertraglich stark bergab. Das liegt auch an den Herbizidresistenzen, sodass die Wirkung im Frühjahr gering ist. Auch deshalb hat sich der Fuchsschwanz so vermehrt und im Endeffekt ernten wir deutlich weniger.«
So sieht es der DLG-Ausschuss
DLG-Positionspapier. Die Wahrnehmung chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel entwickelt sich zwischen Politik, Gesellschaft, Wissenschaft und Landwirtschaft immer weiter auseinander. Diskussionen über die Auswirkungen von Pflanzenschutzmitteln auf Umwelt und Gesundheit werden intensiver, und die Forderungen nach einer Reduzierung nehmen zu.
Warum brauchen wir einen modernen Pflanzenschutz? Welche Bedeutung hat der chemisch-synthetische Pflanzenschutz im integrierten Pflanzenbau? Der DLG-Fachausschuss für Pflanzenschutz hat dazu ein Positionspapier veröffentlicht.