
Portrait. »Vorher haben wir uns im Kreis gedreht«
Lange konnte Michael Jünck die hohe Milchleistung seiner Herde nicht weiter steigern. Diese Grenze überschritt er erst, als er das Grundfutter, die Trockenstehperiode und die Kälberaufzucht neu organisierte.
Eine Laktationsleistung von mehr als 10 500 kg pro Kuh und Jahr, und das auch noch über einen langen Zeitraum hinweg, ist beachtlich. Aber Michael Jünck aus Velen merkte, dass bei seiner 300 Kühe umfassenden Herde noch mehr drin war: »Wenn ich mir die MLP-Ergebnisse der vergangenen Jahre angeschaut habe, sind wir zwar als Betrieb gewachsen, haben uns aber bei der Milchmenge im Kreis gedreht«. Deshalb haben er, seine Familie und seine Mitarbeiter in den vergangenen beiden Jahren betrieblich viel verändert. Im Fokus standen hauptsächlich die drei »Schlüsselpositionen« Grundfutter, Kälber und Trockensteher. »Ihnen hatten wir lange nicht genügend Augenmerk geschenkt«, sagt Jünck.
Neuorganisation der Kälberhaltung
Zunächst wurde die Kälberhaltung komplett neu organisiert. Dreizehn Gruppenboxen für jeweils sechs Kälber ersetzen die Iglus. Seit einem dreiviertel Jahr kommen die Kälber direkt nach der Geburt in eine Gruppe. »Wenn eine Kuh kalbt, wird das Kalb sofort von ihr getrennt. Beim Einstallen bekommt jedes Kalb ein farbiges Band an den Fuß. Auf einer Tafel notieren wir die Tierdaten, Auffälligkeiten und Besonderheiten und ordnen sie der Farbe des Bandes zu. Wird das Kalb außerhalb der Melkzeiten geboren, melken wir die Kuh möglichst schnell nach der Geburt mit einer mobilen Eimermelkanlage«. Sofort wird der Brix-Wert in der Milch gemessen und das Kolostrum pasteurisiert. Das Kalb erhält aber das im Kühlschrank gelagerte Kolostrum einer anderen Kuh. Bei den ersten beiden Mahlzeiten wird es gedrencht: Beim ersten Tränken mit 4 l pasteurisierter Milch und beim zweiten Mal mit 2 l. »Auch wenn uns viele das prophezeit hatten und auch wir selbst skeptisch waren: Für die Kälber ist es kein Problem, danach an der Milchbar zu saufen«, sagt Michael Jünck. »Uns ist eine gleichmäßige Anzahl Abkalbungen über das Jahr verteilt wichtig, um immer genügend Tiere für die Gruppenbildung zu haben. Das klappt bisher gut«. Die Bullenkälber werden nach 28 Tagen an Aufzüchter und Mäster verkauft und die weibliche Nachzucht wird nach dem Absetzen zur weiteren Aufzucht zum Betrieb der Schwiegereltern von Michael Jünck gebracht.
Neuer Trockensteherbereich
Die zweite bauliche Maßnahme war der Neubau des Trockensteherbereichs zu Beginn des Jahres 2024. Dadurch konnte das Tier-Fressplatz-Verhältnis von 1:1,5 auf 2:1 erhöht werden. Und es sind neue Stallplätze für die Färsenaufzucht entstanden, die vorher auf andere Betriebe ausgelagert waren. Mehr Platz bedeutet auch mehr Komfort, z. B. sind die Tiefboxen nun 1,30 m breit. Sie werden mit Mist eingestreut.
Durch den Neubau des Trockensteherstalls konnte Familie Jünck außerdem gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Denn auch der Abkalbebereich ist nun dort zu finden. »Durch den Pansenbolus, den unsere Kühe haben, bekommen wir sehr zuverlässige Abkalbevorhersagen«, erzählt Jünck. Das erleichtert die Geburtsüberwachung sehr.
Seit 2019 arbeitet Michael Jünck mit dem Pansenbolus. »Ich wollte ein System, das mehr kann als die herkömmliche Brunstbeobachtung«. Schon einige Jahre zuvor hatte er die Angebote der verschiedenen Anbieter auf dem Markt verglichen, als eine Einkaufsgemeinschaft von 20 Betrieben aus seinem Umfeld gemeinsam Angebote für Brunstsysteme einholte. Obwohl Jünck damals Initiator der Aktion war, kaufte er zunächst kein Brunstüberwachungssystem und wartete auf eine ausgereiftere Lösung. »Wir nutzen die Bolus-Daten intensiv. Mir gefällt besonders, dass wir viel früher Informationen über das Tier bekommen und die Kühe besser untereinander und mit den Idealwerten vergleichen können«, sagt er, »Mein erster Gang morgens führt zum Computer, um die Alarmlisten zu kontrollieren«. Die anschließende Melkzeit übernimmt er zum größten Teil selbst. Denn dadurch hat er die gesamte Herde während des Melkens im Blick und kann sofort auf Auffälligkeiten reagieren. Jeweils eine Person melkt in dem 2x14 er Side by Side-Melkstand mit einer Dauer von 2,5 Stunden pro Melkzeit. Eine zweite Person holt die Kühe zum Melken und säubert die Boxen. Seine Milch liefert der Betrieb an Fude und Serran, die bislang nach Meinung von Michael Jünck noch kein für ihre Erzeuger finanziell interessantes Tierwohlprogramm bieten können. Lediglich die Frischmilch wird nach Tierwohlstufe 3 zertifiziert und dabei lohne es sich nicht, mitzumachen.
Optimierung der Fütterung
Das Grundfutter und die Fütterung sind weitere Hebel, die der Betrieb Jünck ansetzte, um die Milchleistung der Herde noch zu verbessern. Eine der ersten Maßnahmen war, das Gras zur Silierung nicht mehr mit dem Ladewagen zu fahren und keine Sandwich-Silage mehr herzustellen. »Diese Kombination hat zwar auch funktioniert, aber wir hatten vermehrte Futterselektion. Außerdem können wir nun die Ration auch kurzfristig anpassen, denn wir sind nicht mehr an die Schichten im Silo gebunden«, sagt Michael Jünck. Einen »Aha«-Moment hatte der Betriebsleiter während des Versuchs zur Grassilageernte, -lagerung und -fütterung, der 2024 auf seinem Betrieb stattfand. »Hierfür wurde Wagen für Wagen Grassilage geschüttelt, um die Struktur des Futters zu analysieren und die optimale Häcksellänge auch während der Ernte noch korrigieren zu können«, erzählt er.
»Jeder Schnitt ist individuell. Einfluss auf die Silage haben wir nur vor dem eigentlichen Silierprozess und dafür müssen wir uns intensiv Zeit nehmen«. Die Häcksellänge müsse zur Gesamtration passen, vor allem zur Maissilage. Außerdem ist es Jünck wichtig, den Trockenheitsgrad und den Rohfasergehalt zu ermitteln. Und das Ergebnis gibt ihm recht: »Der Effekt auf die Milchleistung war bereits nach wenigen Wochen Fütterung zu sehen. Vorher hatten wir ein Tagesgemelk von 33 l pro Kuh und Tag, jetzt sind es 39 l und mehr«, erzählt er. Auch bei der Rationsplanung und -optimierung arbeitet Jünck mit den Kennzahlen des Bolus. Seit neuesten testet er einen Siloking DryScan (TS Sensor) am Selbstfahrer-Futtermischwagen.
Die Ration besteht momentan aus Gras- und Maissilage, Pressschnitzeln, Luzerne, Rapsschrot und einer Energiemischung als Kraftfutterkomponente. Alle Kühe bekommen zweimal täglich die gleiche Ration vorgelegt.
Mitarbeiter
Auf dem Betrieb Jünck arbeiten neben dem 46-jährigen Betriebsleiter 2,5 fest angestellte Mitarbeiter, von denen einer sich als Herdenmanager um die Kühe kümmert und der andere für die Außenwirtschaft zuständig ist. Hinzu kommen ein Auszubildender, drei Aushilfen und zwei rüstige Rentner. Bei den 200 ha Ackerbau werden alle Arbeiten außer das Grasmähen und Maisdreschen selbst ausgeführt. »Wir sind derzeit gut aufgestellt mit unseren langjährigen Mitarbeitern. Das Team ist jung und besteht hauptsächlich aus ehemaligen Azubis des Betriebes. Früher haben wir jährlich zwei Auszubildende aufgenommen, mittlerweile nur noch einen. Die Dienste regeln die Angestellten unter sich«, sagt Jünck.
Ein nächster größerer Wachstumsschritt ist derzeit nicht geplant, Michael Jünck will zunächst an der weiteren Optimierung des Betriebes arbeiten.