
Carbon Farming. Die Möglichkeiten sind begrenzt
Nicht nur die Reduzierung von Treibhausgasemissionen zahlt auf den Klimaschutz ein, sondern auch die langfristige Bindung von Kohlenstoff in Böden. Carbon Farming-Ansätze werden immer populärer. Heinz Flessa zeigt die Potentiale auf.
In der Landwirtschaft treten nicht nur Treibhausgasemissionen auf. Es besteht auch die Möglichkeit, durch den zusätzlichen Aufbau langfristig stabiler Vorräte an organischer Substanz CO2 aus der Atmosphäre zu entnehmen. Die vorübergehende Bindung von CO2-Kohlenstoff in aufwachsenden landwirtschaftlichen Kulturen und in ihren Ernteprodukten führt nur kurzfristig zu einer Minderung der
CO2-Konzentration. Dieser kurze Kohlenstoffkreislauf ist klimaneutral. Unter dem Begriff »Carbon Farming« werden unterschiedliche
Maßnahmen zusammengefasst, die zu einer verstärkten langfristigen Bindung von Kohlenstoff in landwirtschaftlich genutzten Böden und der Vegetation führen. Die Hoffnung ist, damit nicht vermeidbare Treibhausgasemissionen kompensieren zu können.
Echte Klimaschutzleistungen
Für das Erzielen echter Klimaschutzleistungen müssen Carbon Farming-Maßnahmen mehrere Kriterien erfüllen:
- Es muss eine zusätzliche Bindung von CO2-Kohlenstoff gegeben sein,
- die zusätzliche CO2-C-Bindung muss quantitativ nachweisbar sein und langfristig erhalten bleiben,
- es darf keine Verlagerung von Emissionen (bzw. eine Abnahme organischer Kohlenstoffvorräte) in andere Bereiche geben. Tritt dies auf, sind die Verlagerungen in der Treibhausgasbilanz zu berücksichtigen,
- mögliche Auswirkungen auf die Emission der Treibhausgase N2O und CH4 müssen berücksichtigt werden,
- es muss die gesamte Emissionsbilanz der Maßnahme bewertet werden.
Weiterhin ist zu prüfen, welche Wirkungen die Maßnahmen auf die landwirtschaftliche Produktion (z. B. Bodenfruchtbarkeit,
Produktionseinschränkungen, Kosten) sowie auf andere Umweltziele haben.
Nachhaltige Humuswirtschaft unverzichtbar
Direkten Einfluss hat der Landwirt auf die zusätzliche Bindung von CO2-Kohlenstoff durch Humusaufbau in mineralischen Ackerböden. Eine besonders effiziente und gut nachweisbare Carbon Farming-Option ist darüber hinaus die Neuanlage von Hecken bzw. Feldgehölzen und die Etablierung von Agroforstsystemen.
Eine nachhaltige Humuswirtschaft trägt nicht nur maßgeblich zur Bodenfruchtbarkeit und Ertragssicherheit bei. Sie ist auch eine wichtige Grundlage für einen klimafreundlichen Ackerbau. Entscheidend sind Menge und Zusammensetzung der organischen Substanzen, die jährlich im Zuge der Bewirtschaftung in die Böden eingetragen werden. Die Fruchtfolgegestaltung, der Zwischenfruchtanbau, die Einarbeitung von Ernteresten, die Förderung des Wurzelwachstums und die organische Düngung sind zentrale Stellschrauben eines nachhaltigen Humusmanagements.
Da humusaufbauende Maßnahmen in der Regel mit Nährstoffeinträgen bzw. einer Nährstoffanreicherung in Böden verbunden sind, muss die Humuswirtschaft als Teil einer effizienten, verlustarmen Nährstoffversorgung der Kulturen geplant und umgesetzt werden. Ob und wie stark Maßnahmen eine Zunahme der organischen Bodenkohlenstoffvorräte bewirken, ist abhängig vom Ausgangszustand der
Böden und von den jeweiligen Bodeneigenschaften. Der Nachweis muss daher flächenindividuell erfolgen und ist mit erheblichen
Aufwendungen verbunden.
Begrenzter Humusaufbau
Humusaufbau ist zeitlich und mengenmäßig begrenzt, da sich bei erhöhten Einträgen organischer Substanz ein neues Humusgleichgewicht einstellt. Gesteigerte Vorräte müssen durch regelmäßige Einträge organischer Substanz gepflegt werden, denn sie sind reversibel. Bleibt diese Pflege aus oder ändert sich die Bewirtschaftung, wird der im Humus gebundene Kohlenstoff rasch wieder als CO2 freigesetzt.
Die fehlende Permanenz der Kohlenstoffbindung im Humus stellt den Humusaufbau als Klimaschutzmaßnahme generell infrage. Hinzu kommt, dass auch Verlagerungseffekte berücksichtigt werden müssen: Humusaufbau, der auf Einträgen organischer Materialien beruht, die auf anderen Flächen produziert wurden, führt auf den Exportflächen zu Humusverlusten und trägt nicht zum Klimaschutz bei. Humusaufbau ist daher keine sichere Klimaschutzmaßnahme.
Fazit
Der Erhalt und Aufbau von Humusvorräten sind wichtig für Bodenfruchtbarkeit und Bodenschutz. Die Reversibilität des Humusaufbaus macht ihn als Klimaschutzmaßnahme aber sehr unsicher. Bei der Einbringung von Pyrolysekohle in Böden stellt sich die Frage, ob und unter welchen Bedingungen sich positive Effekte für Erträge und Ertragssicherheit ergeben – nur dann ist eine Ausbringung sinnvoll. Auch die Verfügbarkeit geeigneter Substrate ist zu klären.
Die Etablierung von Agroforstsystemen und Hecken hat vielfältig positive Potentiale für die Biodiversität, den Bodenschutz und auch den Klimaschutz. Sie sind eine gut nachweisbare Carbon Farming-Option und binden CO2-Kohlenstoff sowohl in der aufwachsenden holzigen Pflanzenbiomasse als auch im Boden. Ihre Anlage ist mit erheblichen Kosten verbunden und führt zur Minderung der bewirtschafteten Agrarfläche. Sie erfordert daher begleitende Fördermaßnahmen. Letztlich können Carbon Farming-Maßnahmen bestenfalls helfen, einen kleinen Teil der Emissionen aus der landwirtschaftlichen Landnutzung zu kompensieren. Die entscheidende Stellschraube für den Klimaschutz ist die Emissionsminderung.
Dieses Fazit schmälert nicht den großen Wert eines gezielten Humusmanagements für den Erhalt und die Förderung der Bodenfruchtbarkeit und die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel. Erste Ergebnisse der Wiederholungsinventur »Bodenzustandserhebung Landwirtschaft« weisen darauf hin, dass auch bei den Mineralböden unterschiedlich starke Humusverluste auftreten, die durch die Bodengenese, die -bewirtschaftung und Klimaänderungen beeinflusst werden. Die Ergebnisse zeigen, dass die
Herausforderung primär im Erhalt bestehender Humusvorräte liegt.
Sonderfall Pflanzenkohle. Pyrolysekohlen weisen eine sehr hohe Stabilität auf. Entsprechend lassen sich die organischen Kohlenstoffvorräte in Ackerböden mit jedem Eintrag erhöhen, es besteht nicht die Gefahr der Reversibilität. Derzeit ist in Deutschland nur unbehandeltes Holz als Ausgangssubstrat für die Herstellung von Pyrolysekohle, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden soll, zugelassen. In seiner aktuellen Stellungnahme zum Einsatz von Biokohle in der Pflanzenproduktion hebt der Wissenschaftliche Beirat für Düngungsfragen das Klimaschutzpotential von Pyrolysekohle hervor. Er kommt aber zu dem Schluss, dass sichere Belege für positive Ertragseffekte auf optimal mit Nährstoffen versorgten Böden unter mitteleuropäischen Bedingungen weitgehend fehlen. Der Beirat weist darauf hin, dass unter Berücksichtigung der Vorzüge alternativer Verwertungslinien weitere Ausgangssubstrate für die Herstellung der Pflanzenkohle geeignet sind. Die Erzeugung aus Stroh, das große Bedeutung für den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und für den Bodenschutz hat sowie die Verwendung wertvoller organischer Dünger oder auch stickstoffreiche Erntereste werden abgelehnt. Gefordert werden weiterhin klar definierte Qualitätsstandards für Pyrolysekohlen, um das Risiko des Schadstoffeintrags zu minimieren.