Schweinehaltung. Sauberere Festflächen mithilfe von KI
Ob feste Flächen sauber bleiben, hängt nicht zuletzt am Stallklima. So zeigen Schweine durch ihr Liegeverhalten frühzeitig an, ob es zu warm, zu kalt oder zugig ist. Wie sich das mithilfe von KI nutzen lässt, um das Anlegen von Kotecken zu verhindern, haben wir Hanna Schuldt gefragt.
Frau Schuldt, im Projekt ProcessPig entwickeln Sie ein Frühwarnsystem, das die Einhaltung der Funktionsbereiche in Mehrflächenbuchten sichern soll. Was heißt das?
Hannah Schuldt: Werden die Funktionsbereiche für Ruhen, Aktivität und Koten in modernen Schweineställen eingehalten, wirkt sich das positiv auf das Tierwohl, die Tiergesundheit sowie die Reduktion von Ammoniakemissionen aus. Außerdem werden so zusätzliche Arbeitsbelastungen verhindert. Doch die Herausforderung besteht darin, diese Verhaltensmuster kontinuierlich zu überwachen und Abweichungen frühzeitig zu erkennen, um dann die Haltungsbedingungen durch die Steuerung der klimatischen Bedingungen zu optimieren. Im EIP-Projekt ProcessPig schauen wir explizit auf die Haltung in strukturierten Mehrflächenbuchten mit Auslauf. Aus Videoaufzeichnung und Klimadaten soll mittels einer selbst entwickelten Künstlichen Intelligenz das Verhalten der Tiere in Echtzeit analysiert werden, um Verhaltensabweichungen frühzeitig zu erkennen.
Technologisch beruht das Ganze auf dem sogenannten Process Mining – was ist das eigentlich?
Schuldt: Process Mining wird normalerweise im Geschäftsprozessmanagement angewendet. Statt Geschäftsprozesse zu analysieren, betrachtet ProcessPig Verhaltensweisen von Schweinen – und zwar nicht einzeln, sondern als Verhaltensabläufe. Zu deren Erkennung werden räumliche und zeitliche Daten berücksichtigt. Durch die Betrachtung des gesamten Prozesses, also des Zusammenspiels der Aktivitäten, kann in der Analyse ein deutlicher Mehrwert gegenüber der bisher üblichen isolierten Betrachtung einzelner Schritte erreicht werden. Wir können durch klimatische Einflüsse entstehende Stresssituationen anhand des Tierverhaltens nicht nur erkennen, sondern zum Teil auch vorhersagen.
Welchen Vorteil hat eine Berücksichtigung des Tierverhaltens bei der Regelung des Stallklimas?
Schuldt: Aktuell erfolgt die Lüftungssteuerung häufig noch manuell oder unter Nutzung von Standard-Temperaturkurven. Das Klimaempfinden der Tere ist aber recht individuell – wie beim Menschen auch. Gerade in den Übergangsjahreszeiten Frühling und Herbst, wenn es stark schwankende Tages- und Nachttemperaturen gibt, kann es zu anderen Bedürfnissen der Tiere kommen, als man es aus den Literaturwerten erwarten würde. Durch die Betrachtung des Tierverhaltens kann darauf Rücksicht genommen werden. Das unterstützt dann das Einhalten der Funktionsbereiche. Wir verknüpfen das Tierverhalten mit Klimadaten, die in den unterschiedlichen Bereichen der Bucht erhoben werden: zum Beispiel Wind, Lichteinstrahlung, Niederschlag, Temperatur oder Luftfeuchtigkeit. Das bildet die Grundlage für die automatisierte Steuerung klimatischer Aktoren, die sich gezielt am Tierverhalten orientiert.
Welche Aktoren sind das?
Schuldt: Im Wesentlichen geht es um die Lüftungssteuerung im Inneren des Stalls. Das heißt, wir steuern Lüftungsklappen, Ventilatoren, Fußbodenkühlung bzw. -heizung, wenn vorhanden, oder auch Vorhänge an Kistendeckeln entsprechend den Analyseergebnissen. Je mehr Aktoren vorhanden sind, desto genauer kann man die Verhältnisse im Stall steuern. Zusätzlich könnte man auch noch weitere Aktoren integrieren, wie eine Schweinedusche im Auslauf, die je nach Witterung und Temperatur zur Verfügung steht und dann von den Schweinen ausgelöst werden kann.
Liegt in diesem Ansatz die Chance, Zielkonflikte zwischen Tierwohl und Umweltschutz aufzulösen?
Schuldt: Eindeutig ja. Die Einhaltung der Struktur in der aus Tierwohlgründen geforderten strukturierten Mehrflächenbucht ist essentiell, um erhöhte Ammoniakemissionen aus diesem System zu vermeiden. Gelingt das, hat das System sogar das Potential, die Emissionen deutlich zu senken. Denn dann können emissionsmindernde Maßnahmen wie der Einsatz von Ureaseinhibitoren im Kotbereich des Auslaufs oder eine dort installierte Kot-Harn-Trennung ihre volle Wirkung entfalten.