Pflanzenschutz Praxis. Ein ganz neuer Ansatz
Für den unkrautfreien Bestand zahlen und nicht für das Pflanzenschutzmittel? Immer mehr Anbieter verbinden mit den jeweiligen Produkten ein konkretes Ergebnisversprechen. Tritt dies nicht ein, wird der Landwirt entschädigt. Wie das funktioniert, haben wir Arne Bollmann gefragt.
Herr Dr. Bollmann, Sie sind Strategieberater bei Capgemini Invent und beraten Unternehmen aus der Agrarindustrie. Wo sehen Sie das Potential dieses Konzepts?
Das große Potenzial liegt vor allem in der Entwicklung einer nachhaltigen Partnerschaft zwischen Landwirten und Anbietern von PSM oder Saatgut. Beide Seiten sind mehr denn je aufeinander angewiesen. Landwirte sind nicht nur mit extremen Wetterbedingungen konfrontiert, die sich negativ auf das Ertragsniveau auswirken, sondern müssen auch zunehmend komplexe regulatorische Auflagen im Ackerbau umsetzen. Gleichzeitig stehen Anbieter von Betriebsmitteln vor Herausforderungen der Commoditisierung ihrer Produkte durch Generika, und sind einem erheblichen Preisdruck ausgesetzt. Sie müssen Marktanteile sichern oder dazugewinnen. Beide Seiten benötigen einen starken Partner an ihrer Seite, um sich von der Masse abzuheben.
Wie funktioniert dieses Konzept und wie kann ein einzelner Landwirt eine Partnerschaft mit einem großen Konzern eingehen?
Landwirte und Anbieter von PSM oder Saatgut befinden sich in einer sinnbildlichen Symbiose. Der Landwirt kann Teil eines »Partizipations-Modells« des Anbieters werden. Dadurch erwirbt er die Produkte des Unternehmens und teilt ebenfalls Daten entlang der gesamten Vegetationsperiode. Zu einem relevanten Entwicklungsstadium der Pflanze werden vordefinierte Zielmetriken festgelegt. Werden diese nicht erreicht, erhält der Landwirt eine entsprechende Entschädigung. Der Landwirt profitiert von Planungssicherheit, der Agrarkonzern von konstanten Einnahmen aus dem Partizipations- Modell. Die Innovation basiert auf dem Versprechen eines Endergebnisses wie etwa einem unkrautfreien Feld. Um dieses Versprechen einzulösen, werden die individuellen Daten des Landwirts mit einer Vielzahl historischer und aktueller Daten, wie Satelliten- und Wetterdaten, kombiniert. Daraufhin kann der Agrarkonzern dem Landwirt maßgeschneiderte individuelle Handlungsempfehlungen aussprechen, um das Endergebnis zu erreichen.
Macht der Landwirt sich damit nicht zum »gläsernen Produzenten«? Sind die Daten die eigentliche Bezahlung und viel wertvoller
für die Agrarindustrie als monetäre Gegenleistungen?
Bislang werden agronomische Entscheidungen oft betriebsintern vom Landwirt getroffen. Im Kern basiert dieses neue Konzept auf einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit und es ist von zentraler Bedeutung, dass beide Parteien sich den Ball zuwerfen. Der Landwirt teilt seine Daten, erhält aber im Gegenzug eine umfassende Betreuung und datengestützte Handlungsempfehlungen. Der Kern dieses Konzepts ist es ja gerade, dass agronomische Entscheidungen zusätzlich datengetrieben getroffen werden und dafür müssen Daten freigegeben werden. Durch den beidseitigen Informationsaustausch entsteht erst die Möglichkeit, dass der Landwirt sein Endergebnis absichern kann. Dabei muss der Landwirt dann Abwägen und für sich entscheiden, ob die Vorteile in dem neuen Model überwiegen.
Gibt es Beispielunternehmen auf dem deutschen Markt, die ein ähnliches Konzept anbieten?
Es gibt einige internationale aber auch deutsche Unternehmen, die ihr Produkt im Zusammenhang mit Ernteertrag oder einem unkrautfreiem Feld verkaufen. Als Beispiel möchte ich Xarvio – Healthy Fields nennen, die ein weit entwickeltes System auf dem deutschen Markt anbieten. Xarvio garantiert z.B. bei Winterweizen eine Blattgesundheit von mindestens 80 % bei einem BBCH-Stadium von 75 %. Stellt sich heraus, dass dieser Wert unterschritten wird, dann erhält der Landwirt eine vorab vereinbarte Entschädigung pro Hektar.
Ein etwas anderes Konzept bietet die Firma KWS mit dem Rüben-MehrWert-Service an. KWS sichert dem Landwirt zu, dass das Rübensaatgut ein bestimmtes Frühstadium übersteht. Ist dies nicht der Fall und der Landwirt muss aufgrund von z.B. Frost die Rübenflächen neu säen, bietet das Unternehmen zwar keine Geld-zurück-Garantie, aber einen Preisnachlass von 50 % an. Der Landwirt erhält also im Falle eines Umbruchs 50 % Rabatt auf den KWS Saatgutpreis für eine Neuaussaat. Gleiches Konzept gilt auch für den Mais.
Glauben Sie, dass sich das Konzept der Geld-zurück-Garantie beim Kauf von Saatgut oder Pflanzenschutzmitteln in Zukunft durchsetzen wird?
Ich bin davon überzeugt, dass sich Elemente des ergebnisorientierten Verkaufs als Ergänzung zum bisherigen Verkauf von Einzelprodukten zu einem wichtigen Vertriebsinstrument in der Agrarindustrie entwickeln werden. Es ist wie bei so vielen Innovationen, dass Konzepte und Ideen bestehende Strukturen ergänzen und diese damit optimieren. Das Konzept der Ergebnisabsicherung muss auf die Landwirte zugeschnitten sein, daher spielen verschiedene Messdaten jedes einzelnen Betriebes eine relevante Rolle. Wichtig ist, dass Anbieter von PSM oder Saatgut den Landwirt in den Mittelpunkt stellen, um ihn bestmöglich zu verstehen und individuelle Handlungsempfehlungen geben zu können. Ein gießkannenartiges Vertriebssystem ist nicht möglich. Daher spielt die Stärkung der Partnerschaft zwischen Landwirt und Agrarkonzern eine zentrale Rolle.
Die Fragen stellte Katharina Skau