
Monitoring. Wie steht es um unsere Böden?
Die natürliche Funktionalität und Fruchtbarkeit der Böden zu stärken, ist erklärtes Ziel der regenerativen Landwirtschaft. Doch in welchem Zustand befinden sich unsere Flächen eigentlich? Axel Don, Christopher Poeplau und Florian Schneider geben einen Überblick.
Gesunde Böden in ganz Europa sind eines der fünf überragenden Ziele der Europäischen Union neben der Bekämpfung von Krebs, der Regeneration von Meeren und Gewässern und dem Klimaschutz. Laut Schätzungen befinden sich EU-weit 60 bis 70 % der Böden in degradiertem, nicht gesundem Zustand. Bis 2050 sollen alle Böden in einen gesunden Zustand gebracht werden. Erosion und Versalzung macht insbesondere im Mittelmeerraum Probleme. Wie aber sieht es mit den landwirtschaftlich genutzten Böden in
Deutschland aus? Aufschluss darüber kann die Bodenzustandserhebung Landwirtschaft geben, die seit 2011 auf über 3 000 Acker- und Grünlandstandorten in ganz Deutschland vom Thünen-Institut für Agrarklimaschutz durchgeführt wird. Die erste Inventur wurde 2018 abgeschlossen. Seit 2022 läuft die Wiederbeprobung.
Gesunde Böden sind fähig, verschiedenste Funktionen im Rahmen ihres natürlichen Potentials zu erfüllen. Die messbaren Parameter wie Humusgehalt oder Textur geben allerdings selten direkt Aufschluss darüber, wie ein Boden zu bewerten ist und ob er sich in einem »gesunden Zustand« befindet. Für die Beurteilung, ob die Funktionen erfüllt werden, ist es nötig, die gemessenen Parameter in ein Bewertungsschema einzuordnen, mit Klassen wie »optimal« oder »mangelhaft«. Es können aber nur die Funktionen eingeschlossen werden, die durch die land- und forstwirtschaftliche Bewirtschaftung und die Landnutzung veränderbar sind. Die Bewertung sollte den natürlicherweise gesetzten Rahmen verschiedener Böden berücksichtigen. Eine hohe Wasserspeicherleistung ist z. B. in sehr sandigen Böden auch mit der besten Bewirtschaftung nicht erreichbar. In gewissen Grenzen lässt sich aber auch ein sandiger Boden durch Humusaufbau in seiner Wasserspeicherleistung verbessern. Es muss also bei der Bewertung des Zustands unterschieden werden zwischen dem natürlichen Potential (der Bodenqualität) und dem durch Bewirtschaftung veränderbaren Teil der Bodenfunktionen (Gesundheit).
Die Bewirtschaftung bestimmt darüber, wie sich der Boden entwickelt. Für den Nährstoffzustand und den pH-Wert wurde dazu das bekannte VDLUFA-Bewertungsschema geschaffen und auch stetig angepasst. Die Einteilung in fünf Klassen (A bis E) ist nicht nur für die landwirtschaftliche Nutzung sinnvoll, sondern auch für die Bewertung der Bodengesundheit – zumindest, wenn die Funktion des Pflanzenbaus im Fokus steht. Welche Parameter können helfen, die Böden bezüglich ihrer Gesundheit zu bewerten?
Bodenzahl
Die Bodenzahl ist bekanntermaßen ein Indikator für die Bodenqualität und gibt Aufschluss über die Ertragsleistung landwirtschaftlich genutzter Böden. Ihre Entwicklung geht auf das Jahr 1925 zurück. Für das Finanzministerium wurde das heute noch gültige Bewertungssystem der Bodenschätzung von Acker und Grünland entwickelt mit Zahlen von 7 bis 100. Obwohl die Landwirtschaft damals noch ganz anders aussah als heute, bietet das System nach wie vor eine gute Orientierung für die Bodenqualität. Zentral für die Einteilung ist die Wasserspeicherleistung der Böden, welche heute essentieller denn je für die landwirtschaftliche Produktion ist. Die Böden mit den höchsten Ackerzahlen sind Lössböden, insbesondere Schwarzerden. Von Westen (Köln-Aachener Bucht) zieht sich ein Lössgürtel mit sehr guten Böden über die Magdeburger Börde bis in den Osten (Sachsen). Nördlich davon und in weiten Teilen Nordostdeutschlands dominieren Sandböden mit sehr niedrigen Bodenzahlen. Im globalen Vergleich gibt es in Deutschland in vielen Regionen sehr gute Böden, die in Kombination mit den klimatischen Bedingungen und der Bewirtschaftung Spitzenerträge erlauben. Ob unsere Böden aber in einem guten oder schlechten Zustand sind, das lässt sich aus der Bodenzahl nicht ableiten.
pH-Wert
Der pH-Wert ist ein zentraler Parameter für die Bodenfruchtbarkeit und das Pflanzenwachstum. Im Gegensatz zu vielen anderen
Bodenparametern ist er in gewissem Rahmen direkt beeinflussbar durch die Bewirtschaftung. Neben dem Pflanzenwachstum hängt aber auch die Stabilität von Humus, das Bodenleben und die Bodenstruktur an einem ausreichend hohen Gehalt an basischen Kationen und damit dem pH-Wert. Je nach Körnung, Landnutzung (Acker, Grünland) und Humusgehalt ergeben sich unterschiedliche Optimalbereiche für die Pflanzenproduktion.
Die meisten landwirtschaftlichen Böden haben von Natur aus keinen optimalen pH-Wert und müssen aufgekalkt werden. Rund 35 % der Ackerböden und 24 % der Grünlandböden weisen einen pH-Wert im empfohlenen Optimalbereich auf (Klasse C). Auswertungen der Bodenzustandserhebung Landwirtschaft ergaben, dass 41 % der Ackerböden und 52 % der Grünlandböden unterhalb des empfohlenen Bereichs lagen, aber 24 % auch darüber (Acker- und Grünland). Viele Äcker in Nordwestdeutschland und viele Grünlandböden, die nicht auf karbonatischem Gestein entstanden sind, weisen zu niedrige pH-Werte auf (Grafik 1). Hier lässt sich unausgeschöpftes Ertragspotential durch regelmäßige Kalkung (Klassen A und B) oder versauernd wirkende Dünger (Klassen D und E) erschließen. Ein optimaler und damit gesunder Bodenzustand ist hier noch nicht erreicht. Böden mit pH-Werten um 7 sind meist karbonathaltig. Hier ist eine pH-Absenkung durch die Bewirtschaftung kaum möglich. Für einige Grünlandflächen kann die Biodiversitätsfunktion zentral sein, (z. B. Sandmagerrasen). Eine Anhebung des dort meist sehr niedrigen pH-Wertes wäre in dem Fall kontraproduktiv und nicht im Sinne des Naturschutzes. Dies zeigt, dass die Bewertung des Bodenzustands immer an zentrale Funktionen geknüpft werden sollte, die Böden zu erfüllen haben. Auf den meisten landwirtschaftlich genutzten Böden ist dies die nachhaltig zu sichernde Ertragsfunktion.
Unsere Böden sind vielfältig
Deutschland macht nur 0,3 % der Landoberfläche unserer Erde aus, beheimatet aber mehr als 50 % der weltweit vorkommenden Bodentypen. Auf kleiner Fläche ergibt sich eine sehr große Vielfalt an Böden, selbst wenn man sich nur auf landwirtschaftlich genutzte Böden beschränkt. Diese Vielfalt verbietet es, einheitliche Lösungen und Patentrezepte für die Bewirtschaftung anzubieten. Jeder Bodentyp braucht eine angepasste Bewirtschaftung, die auf der Kenntnis der Böden beruht. Große Schläge umfassen oft auch mehrere Bodentypen. Unsere Böden haben sich seit der letzten Eiszeit über 10 000 Jahre hinweg entwickelt und entwickeln sich auch heute noch weiter. Die Geschichte der Böden steckt in ihnen, und so beeinflusst ihre Bewirtschaftung auch ihre weitere Entwicklung.
Verdichtung in Unterböden
Rund zwei Drittel des pflanzenverfügbaren Wasserspeichers in Äckern und Grünland befinden sich unterhalb von 30 cm Tiefe, also im Unterboden. Unterböden sind auch große Nährstoffspeicher. Ob diese von Pflanzen genutzt werden können, hängt ganz wesentlich an der Erreichbarkeit für Pflanzenwurzeln. Ein verdichteter Unterboden ist der häufigste Grund, warum Wurzeln diesen nicht erschließen können. Das ist insbesondere in trockenen Jahren entscheidend, weil das im Unterboden gespeicherte Wasser dann dringend benötigt wird. Auf die Häufung solcher Extremjahre müssen wir uns einstellen. Dadurch ist eine Förderung der Durchwurzelbarkeit des Unterbodens eine effektive Klimaanpassung. In 71 % aller landwirtschaftlich genutzten Böden ist die Durchwurzelbarkeit des Unterbodens eingeschränkt.
Die Hälfte aller Böden haben bis in 1 m Tiefe Verdichtungen, die von Wurzeln nur schwer oder gar nicht überwunden werden können (Grafik 2). Solche Bodenverdichtungen kommen in ganz Deutschland vor und sind ein oft unterschätztes Problem. Es sind aber bestimmte Bodentypen, die besonders betroffen sind, wie z. B. Ton- und Stauwasserböden. Auf Ackerflächen treten bewirtschaftungsbedingt häufig Verdichtungen im Bereich der Krumenbasis auf. Dennoch sind auch unter Ackernutzung die Verdichtungen meist (73 % aller Ackerböden) natürlichen Ursprungs und in nur 27 % der Fälle sind sie durch die Bewirtschaftung entstanden. In allen verdichteten Böden, egal ob natürlich verdichtet oder durch die Bewirtschaftung verursacht, gehen dem Boden Funktionen verloren, z. B. durch eine verringerte Infiltrationskapazität bei Starkregenereignissen, aber auch die Ertragspotentiale sinken. Ob ein natürlich verdichteter Boden erst als gesund klassifiziert werden kann, wenn die Unterbodenverdichtung durch Maßnahmen wie Tiefenlockerung oder Humusanreicherung aufgehoben wurde, ist unklar. Hier hat auch das geplante europäische Bodenmonitoring-Gesetz noch keine ausreichenden Antworten.
Was ist rechtlich geplant?
Im April hat das EU-Parlament einen Entwurf der EU-Kommission für eine Verordnung zum Bodenmonitoring gebilligt. Dieses Gesetz ist ein erster Schritt, um den Bodenschutz in Europa zu stärken und adressiert die Gefahren wie Erosion, Humusverlust, Schadverdichtung, Versiegelung und Biodiversitätsverlust. Das Bodenmonitoring soll gestärkt werden, kontaminierte Böden sollen erfasst und regeneriert werden (finanziert vom Verursacher) und Maßnahmen zur Verbesserung der Böden sind auf nationaler Skala zu treffen, wenn diese degradiert sind, unter anderem auch über die GAP. Wie dies konkret aussehen wird, ist noch nicht absehbar.
Genauso wenig, ob das Gesetz tatsächlich in Kraft treten wird. Dazu müssen im nächsten Schritt auch die anderen europäischen Gremien zustimmen. Wichtig und kontrovers diskutiert sind die Indikatoren, die den Gesundheitszustand der Böden bewerten sollen und damit den Handlungsbedarf anzeigen. Hier wird es einige Flexibilität geben, um die Indikatoren national an vorherrschende
Bodentypen und Bedingungen anzupassen.
Auf nationaler Ebene ist die im Koalitionsvertrag angestrebte Überarbeitung des Bodenschutzgesetzes in dieser Legislaturperiode nicht mehr umsetzbar. Gesetzlich festgeschriebener Bodenschutz stößt schnell an Grenzen, weil Böden, deren Funktionen und Nutzung in Deutschland sehr vielfältig und komplex sind. Mit generellen Vorgaben lässt sich da wenig erreichen.
Humusverlust
Der Humusgehalt an sich sagt wenig über den Bodenzustand aus, da er durch viele Standortfaktoren bestimmt wird und deshalb von Natur aus sehr unterschiedlich ist. Ab welchem Humusgehalt ein Boden als gesund bezeichnet werden kann, lässt sich also nicht leicht festlegen. Insbesondere dann nicht, wenn hierfür die Funktionen des Humus zugrunde gelegt werden sollen. Alle wesentlichen Humusfunktionen wie eine erhöhte Wasserspeicherleistung oder eine verbesserte Bodenstruktur, aber auch die Klimaschutzfunktion durch die CSpeicherung steigen mit zunehmendem Humusgehalt linear immer weiter an. Es gibt keine gut definierbaren Schwellenwerte. Mehr Humus ist also grundsätzlich immer gut – zumindest bis zu dem Punkt, ab dem der Umsatz von Humus zu verstärkten Nährstoffausträgen führt. Diese sollten jedoch ohnehin in der Düngeplanung bedacht werden. Umgekehrt ist Humusverlust immer mit einem Verlust der Funktionen verbunden und damit ein Zeichen für Bodendegradation. Deshalb ist die Veränderung der Humusgehalte ein geeigneter Indikator für die Bodengesundheit.
Welche landwirtschaftlichen Böden in Deutschland Humus aufbauen oder verlieren, ist aber noch nicht ausreichend geklärt, und es gibt nur für einige Bundesländer Daten und Auswertungen dazu. Untersuchungen von 80 bzw. 45 Ackerund Grünlandböden in Bayern bzw. Niedersachsen im Rahmen der Bodendauerbeobachtung zeigen für die letzten drei Jahrzehnte im Mittel abnehmende Gehalte. Insbesondere humusreiche Böden weisen deutliche Verluste auf. In Niedersachsen sind zusätzlich besonders die Tieflandböden mit Grundwassereinfluss betroffen. Für ca. 20 % der Ackerböden und 17 % des Grünlands in Bayern ist der Humusverlust signifikant
nachweisbar. Für die meisten Böden wurden keine signifikanten Humusveränderungen festgestellt.
Modellierte Daten im Rahmen der Bodenzustandserhebung Landwirtschaft kommen zu ähnlichen Ergebnissen und zeigen, dass besonders viele Böden in Ostdeutschland von Humusverlusten betroffen sein könnten. Ein vollständiges Bild wird dazu erst die laufende Wiederholungsbeprobung liefern. Schon jetzt zeigt sich aber, dass insbesondere auf humusreichen Böden Maßnahmen nötig sind, um Bodendegradation mit Humusverlusten aufzuhalten.