Fermentation. Immer noch unterschätzt
Geringerer Futterverbrauch, positive Effekte auf die Tiergesundheit und unterm Strich ein höherer Gewinn – das spricht für die Fermentation von Schweinefutter. Trotzdem hat sie nach wie vor den Ruf, nur etwas für Spezialisten zu sein. Warum das Verfahren mittlerweile sicher läuft, zeigt Manfred Weber.
Das Konzept der Fermentation ist wahrlich nicht neu. Schon die alten Römer nutzten es zur Herstellung von Bier. Heute denken wir im Zusammenhang mit der Schweinefütterung an die Fermentation von diversen Getreidesorten, Proteinfuttermitteln und Nebenprodukten.
Manchmal wird auch die Fermentation von ganzen Futtermischungen diskutiert. Aber was steckt eigentlich genau dahinter? Welche Einflussfaktoren gibt es und welche Effekte hat fermentiertes Futter auf das Tier?
pH-Wert runter durch Milchsäure. Fermentation spielt sich in erster Linie in einer anaeroben (sauerstofffreien) Umgebung ab, in der sich Bakterien entwickeln können, deren Stoffwechselprodukte das zu fermentierende Substrat haltbar machen. Konkret geschieht dies durch die Produktion von Milchsäure. Sie bewirkt, dass der pH-Wert des Substrates stark abfällt und Verderbnisvorgänge nicht mehr stattfinden können. Vor 12 oder 15 Jahren, als das Thema fermentiertes Schweinefutter aufkam, ging man davon aus, dass in den Futtermitteln von Natur aus schon genügend milchsäurebildende Bakterien vorhanden sind, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Das stellte sich schnell als Irrtum heraus. Es kam zu keiner zuverlässig ablaufenden Fermentierung des Futters, sodass die Fermente regelmäßig »umkippten« und für die Verfütterung nicht mehr zu gebrauchen waren.
Für jeden Fermentationsansatz neue Starterkulturen nutzen! Heute ist es deshalb üblich und für das Gelingen der Fermentation unerlässlich, gezielt Bakterienstämme nach ihrer Funktionsweise auszusuchen. Sie werden dem Substrat, das zumeist aus Getreide- Proteinfuttermischungen besteht, zugegeben. Im Laufe des Fermentationsprozesses verschiebt sich das Verhältnis dieser zugegebenen
Milchsäurebakterien. Daher ist es wenig zielführend, aus dem fertigen Ferment Teile zu entnehmen und sie dem frischen Substrat als Starterkultur zuzugeben. Vielmehr sollten zu jedem neuen Ansatz »reine« Starterkulturen verwendet werden. Nur so lässt sich eine hocheffektive Fermentation, sprich eine schnelle pH-Wertabsenkung auf 3,5 bis 4, gewährleisten.
Die Qualität des Substrats beeinflusst den Fermentationserfolg. Damit die Milchsäurebakterien gut gedeihen und so in kurzer Zeit ausreichend Milchsäure produziert wird, sind Zucker und Stärke als Nahrung notwendig. Das bedeutet, eine reine Fermentation von Proteinfuttermitteln wie Soja- oder Rapsschrot funktioniert nicht. Im Substrat sollten immer 40 bis 50 % Getreide vorhanden sein.
Grundsätzlich gilt: Hygienisch nicht einwandfreie Futtermittel gefährden den Erfolg. Weisen die Substrate z. B. höhere Gehalte an Hefen auf, ist ein Verderb vorprogrammiert, denn Hefen können sich auch unter einem pH-Wert von 3,5 bis 4 vermehren . Andere Keime, z. B. Colibakterien, haben da keine Chance mehr. Die Unterdrückung von krankmachenden Keimen ist also ebenfalls ein Grund für eine schnelle Absenkung des pH-Wertes. So zeigen Versuche, dass auch mit Colikeimen geimpfte Substrate nach der Fermentierung keine höheren
Werte aufweisen.
Auf die richtige Temperatur kommt es an! Die für die Fermentation von Schweinefutter geeigneten Bakterienkulturen mögen es wesentlich wärmer als in früheren Jahren gedacht. Zunächst wurde bei Zimmertemperatur von etwa 22 °C fermentiert. Wissenschaftliche Untersuchungen haben aber gezeigt, dass bei 36 bis 40 °C deutlich bessere Leistungen erzielt werden können. So ist es möglich, den Futterbrei innerhalb von 24 Stunden auf einen pH-Wert von unter 4 zu bringen. Durch eine Temperaturerhöhung von 20 auf 37 °C verdoppelt sich nach 24-stündiger Fermentation der Milchsäuregehalt im Ferment nahezu (Grafik 2). Eine Verlängerung der Fermentationsphase bringt keinen deutlichen Abfall des pH-Wertes mehr. Folglich lautet die aktuelle Empfehlung zur Fermentation von Schweinefutter: 24 h bei 36 bis 40 °C. Besonders begünstigt sind Betriebe, die eine Biogasanlage haben und damit auf äußerst sinnvolle Weise ihre erzeugte Wärme nutzen können, um das nötige Prozesswasser auf 40 °C aufzuheizen.
Die richtige Bakterienwahl Unter den Milchsäurebakterien gibt es durchaus Unterschiede: Homofermentative Stämme bauen Glukose überwiegend zu Milchsäure (80 bis 90 %) ab, wogegen heterofermentative Stämme beim Substratabbau neben Milchsäure in beträchtlichem Umfang auch Gärprodukte wie Essigsäure, Ethanol und CO2 produzieren. Der pH-Wert soll bei der Futterfermentation möglichst schnell sinken. Mehr Milchsäure ist also besser, sodass heute gezielt homofermentative Stämme eingesetzt werden.
Proteinverwertung: Welche Wirkungen hat das fermentierte Futter auf die Verdauung des Schweins? In vielen Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass vor allem Eiweiß und Phosphor aus dem Schweinefutter nach der Fermentierung besser verdaut werden können. Der Einfluss auf die Kohlenhydrate ist noch nicht so klar. Weltweite Untersuchungen der letzten Jahre zeigen Verdaulichkeitssteigerungen für Rohprotein (auch für einzelne Aminosäuren) von 3 bis 8 %. Ein kürzlich von Dr. Heinze von der TLL in Jena veröffentlichter Versuch bestätigt diese Ergebnisse. Dort konnte eine um 6 % höhere Verdaulichkeit des Proteins in Mastschweinerationen gezeigt werden. Die Gründe für die höhere Verdaulichkeit sind sicher vielschichtig, jedoch wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt. Diskutiert wird insbesondere der geringere pH-Wert des Futters als eine Ursache. Er soll bereits im Magen die Proteinvorverdauung verbessern und gleichzeitig eine stärkere Ausschüttung von Verdauungsenzymen im Dünndarm anregen. Versuche untermauern diese These: Bei Ferkeln konnte gezeigt werden, dass fermentiertes Futter im Magen geringere pH-Werte erzeugt, im Dünndarm dagegen höhere, was mit der verstärkten Ausschüttung von Sekreten begründet wird. Eine bessere Verwertung des Futterproteins durch das Tier ermöglicht die Reduzierung des Rohproteingehaltes von Mastschweinerationen. Zudem lassen sich mithilfe der Fermentation etwas schlechter verdauliche Futtermittel wie Rapsextraktionsschrot deutlich aufwerten. In der Konsequenz ist es sogar möglich, Rapsschrot als einzige Proteinkomponente zu nutzen.
Da Mineralfutter heute üblicherweise freie Aminosäuren enthalten, ist es wichtig, dieses dem Futterbrei erst nach dem Fermentationsprozess hinzuzufügen. Denn in amerikanischen Studien konnte gezeigt werden, dass die höhere Verdaulichkeit des Proteins in erster Linie die pflanzengebundenen Aminosäuren betraf. Zugesetzte, hochverdauliche Aminosäuren werden anscheinend gerne von den Bakterien zum Wachstum verstoffwechselt. Für Betriebe, die sehr stark mit CCM oder Ganzkornsilage (Mais) arbeiten, hat eine zusätzliche Fermentation der restlichen Futtermittel keinen Sinn. Denn CCM oder Ganzkornsilagen sind nichts anderes als Fermentationsprodukte. Es blieben nur die Eiweißfuttermittel übrig, die aber aufgrund des Fehlens von Zucker und Stärke nicht ausreichend Nahrung für die Milchsäurebildner liefern und somit eine ordentliche Fermentation nicht möglich machen.
Phytinphosphor wird freigesetzt. Bisher muss Phosphor den Schweinerationen zur Bedarfsdeckung aus mineralischen P-Quellen zugesetzt werden. Denn durch pflanzliche Futterkomponenten bereitgestellter Phosphor kann nur teilweise verdaut werden. Durch die Bindung an Phytinsäure und die fehlende Fähigkeit von Schweinen, phytatspaltendes Enzym zu bilden, kann der Phytat-Phosphor nur mittels der von den Pflanzen mitgelieferten Phytasen erschlossen werden. Die Varianz ist dabei groß. So liegt die P-Verdaulichkeit für Gerste bei 45 %, für Weizen bei 65 % aber für Mais nur bei 15 %. Durch die Fermentation wird die Phosphorverdaulichkeit deutlich erhöht. In der schon erwähnten Thüringer Studie betrug die Steigerung 12 %. Dass dies vor allem den phytingebundenen Phosphor betrifft, zeigt diese Studie ebenfalls. Nach der Fermentation befindet sich im Futter nur noch gut die Hälfte Phytatphosphor. Folglich kann bei der Verfütterung von fermentiertem Futter auf die Zugabe von mineralischem Phosphor verzichtet werden. Das gilt, wenn dem Futter gleichzeitig – was heute ja schon üblich ist – noch zusätzlich Phytase zugegeben wird. Besonders wichtig ist das dann, wenn Futtermittel eingesetzt werden, deren Anteil an phytingebundenem Phosphor sehr hoch ist. Hier ist in erster Linie das Rapsschrot zu nennen.
Fermentiertes Futter beeinflusst die Tiergesundheit positiv. Der Slogan »Gesunder Darm – gesundes Tier« ist zwar schon etwas älter, hat aber an Aussagekraft nichts verloren. Denn hier haben auch die Vorteile des fermentierten Futters ihren Ursprung. Durch den niedrigen pH-Wert wird schon im Futter und im Magen der Keimbesatz stark reduziert. Zudem zeigen Untersuchungen den probiotischen Effekt des fermentierten Futters. Dabei nehmen die mit dem Futter zugeführten Milchsäurebakterien den Platz unerwünschter Keime ein (Salmonellen, E. coli). Dies führt zu einem gesünderen Darm und weniger Energieverlusten.
Höherer Unternehmensgewinn durch Fermentation. Berechnungen von Wilfried Brede vom Serviceteam Alsfeld zeigen auch die wirtschaftlichen Vorteile der Fermentierung von Schweinefutter. Unter der Annahme, dass die in Feldversuchen gezeigten Verbesserungen der Tageszunahme (+ 30 g), des Futteraufwandes (– 0,25 kg/kg) und der Tierverluste (– 2 %) eintreffen, ermittelt er für einen Stall mit 1 500 Mastplätzen höhere Unternehmensgewinne von 5 bis 9 €/Mastplatz (Grafik 3). Die Varianz ergibt sich aus den angesetzten Kosten für Energie (Übersicht), die zur Erwärmung des Prozesswassers benötigt wird. Gerechnet wurden Varianten mit 4, 8 und 12 Ct/kWh. Zugrunde gelegt wurden Investitionskosten für die Anlage (Fermentationstanks plus Zuleitungen) von 38 000 €. Dabei galt die Annahme einer bereits vorhandenen Flüssigfütterung. Für die Bakterienmischungen wurden Kosten von 50 Ct/Mastschwein angesetzt sowie etwas höherer Arbeitskosten bei Anwendung der Fermentation.
Fazit: Gesündere Tiere und bessere Leistungen
Trotz höherer Kosten (technische Umsetzung Bakterienkulturen, Wasseranwärmung) sprechen die Vorteile für die Verfütterung fermentierten Futters:
• Erhöhung der Milchsäurebildung im Futter,
• Absenkung des pH-Wertes im Futter und im Magen,
• geringere Keimbelastung im Futter,
• gesünderer Darm durch einen probiotischen Effekt und in der Folge eine Reduktion des Antibiotikaeinsatzes,
• bessere Verdaulichkeit von Protein und Phosphor,
• damit verbunden eine Entlastung von Tier und Umwelt,
• ein Verzicht auf die Zugabe von mineralischem Phosphor zum Futter ist möglich,
• eine erhöhte Futteraufnahme durch bessere Schmackhaftigkeit des Futters und
• eine größere Homogenität des Futterbreies.
Aus ernährungsphysiologischer Sicht ist der Einsatz fermentierten Futters auf jeden Fall begrüßenswert. Und auch ökonomisch wird ein Schuh daraus, da gesündere Tiere höhere Leistungen bei weniger Futterverbrauch bringen.