
Digitalisierung. Die Zukunft hat längst begonnen
Das Angebot an digitalen Anwendungen wächst täglich. Für den Landwirt ist es dabei oft schwer, den Überblick zu behalten. Allein die Begriffe sorgen für Verwirrung. Worüber reden wir eigentlich?
Der facettenreiche Begriff »Digitalisierung« wird seit Jahren so häufig bemüht wie kaum ein anderes Schlagwort. Für den Landwirt, der sich dieser digitalen Welt mehr denn je stellen muss, bleiben nach wie vor viele offene Fragen. Innerhalb der Digitalisierung gibt es inzwischen sehr viele Teilbereiche und Abstufungen, die unterschiedlich stark genutzt werden.
Zur Digitalisierung gehören primär folgende Bereiche:
• Sensorik
• Robotik
• Automation
• Künstliche Intelligenz
• Big Data
Das weite Feld der Digitalisierung bietet grundsätzlich viele Vorteile. Diese reichen von der Steigerung der Produktivität und der Wirtschaftlichkeit bis hin zum Schutz der Ökosysteme und der Ressourcen. Des Weiteren sind die zunehmend strengen Vorschriften in der Dünge- und Pflanzenschutzmittelapplikation ohne diese Technologien kaum umsetzbar. Der Anwender steht hier oft vor einer imaginären Wand und fühlt sich nicht selten von einem großen Technikangebot überfordert. Die Landtechnikindustrie bietet ein großes Spektrum an technischen Lösungen, und der Landwirt muss entscheiden: Was benötige ich? Was kostet mich das? Bin ich
weiterhin Herr über meine Daten? Werde ich überwachbar?
Viele Fragen also und zig offene Antworten. Dabei gilt es zunächst, den Begriff der Digitalisierung in der Landwirtschaft genauer aufzusplitten:
• Precision Farming. Hierbei handelt es sich um einen Sammelbegriff für digitale Verfahrenstechniken, mit denen eine teilflächenspezifische Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Nutzflächen möglich ist. Dabei werden die unterschiedlichen
Bodenzonen und die Ertragsfähigkeit innerhalb eines Feldes berücksichtigt. Das Ziel von Precision Farming ist es, Felder
zielgerichtet, bedarfsgerecht, effizient und nachhaltig zu bewirtschaften.
• Smart Farming. Darunter versteht man Technologien, die die Arbeit im Stall und auf dem Feld automatisieren und dem Anwender
schlichtweg die Arbeit erleichtern. Dazu zählen z. B. Apps zur Einstellung von Maschinen, Lenksysteme oder Fütterungscomputer.
• Farming 4.0/Digital Farming. Dieser Bereich umfasst im Wesentlichen die Vernetzung von Maschinen und Sensoren. Das heißt von großen Datenmengen (Big Data) und Systemen mit den zentralen Elementen des »Internet of Things«, in dem vernetzte Gegenstände miteinander kommunizieren (Maschine zu Maschine) und des »Cloud Computing« (Bereitstellung von IT-Infrastruktur über das Internet). Ziel ist es, durch die Verknüpfung und Auswertung möglichst vieler Informationen einen Mehrwert zu generieren.

Sensoren sind das Rückgrat des Smart und Precision Farming. Sie kontrollieren die Pflanzenbestände auf Mangelerscheinungen
und Krankheiten, unterscheiden Unkräuter von Nutzpflanzen, berechnen den teilflächenspezifischen Aufwand für Dünge- und Pflanzenschutzmittel, analysieren die Bodenbeschaffenheit, steuern die Bewässerung von Feldern und erledigen noch viele weitere Aufgaben. Spezielle Algorithmen machen die sensorisch erfassten Messwerte nutzbar, indem sie diese mit pflanzenbaulichen Handlungsentscheidungen verknüpfen.
Roboter erobern immer mehr Felder. Agribots gehören zweifellos zu den auffälligen Vertretern der digitalen Landwirtschaft. Säen, Düngen, Hacken, Ernten: Auf den Feldern verrichten immer mehr fahrerlose Feldroboter Arbeiten wie diese – und das auch gerne 24/7. Für die autonomen Maschinen sprechen mehrere Gründe: Eine spürbare Einsparung von Betriebsmitteln sowie Arbeitszeit, und in
handarbeitsintensiven Sonderkulturen können sie fehlendes Personal ersetzen – Stichwort fortschreitender Fachkräftemangel.
Die Äcker aus der Luft betrachtet. Der Anteil von in der Landwirtschaft genutzten Drohnen steigt weiter. Ihre hochauflösenden
Kamerasysteme liefern nützliche Information über die Bodenqualität und den Krankheitsbefall, den Unkrautbesatz von Ackerflächen oder wertvolle Erkenntnisse über das Pflanzenwachstum. Ausgerüstet mit einer Wärmebildkamera werden sie auf Grünland vor dem ersten Schnitt zur Rettung von Kitzen eingesetzt. In Weinberg-Steillagen, wo sie für einen arbeits- und kräftesparenden Pflanzenschutz eingesetzt werden, sieht man große Drohnen inzwischen vermehrt, und in Maisflächen werden mit ihnen großflächig
Trichgrammakugeln zur Bekämpfung des Maiszünslers ausgebracht.
Verbesserung der Betriebsführung. Viele europäische Landwirte sehen in einer vereinfachten betrieblichen Dokumentation Chancen der Digitalisierung. Farmmanagementsysteme unterstützen sie dabei,beispielsweise Daten zu pflanzenbaulichen Maßnahmen und Anträge auf Fördergelder zu verarbeiten und betriebsspezifisch zu analysieren sowie die Betriebsführung als solche zu verbessern. Darüber hinaus besteht das Ziel, die Landwirtschaft mit den anderen Akteuren der gesamten Wertschöpfungskette zu verknüpfen, um die vielfältigen Waren- und Stoffströme zu optimieren. Das schließt den vorgelagerten Bereich zur Versorgung mit Technik und Betriebsmitteln ebenso ein wie den nachgelagerten Bereich zum Verkauf und Handel der landwirtschaftlichen Produkte. Wünschenswert wäre ein reibungsloser Datenaustausch zwischen den Farmmanagementsystemen der Betriebe und der öffentlichen Verwaltung. Fehlende Schnittstellen zu öffentlichen Antrags- und Verwaltungssystemen verhindern aber häufig noch die digitale Übertragung von Anträgen.
Noch zu viele »weiße Flecken«. Ein Problemfeld in vielen ländlichen Regionen ist weiterhin die Netzabdeckung. Nach wie vor scheitert die Digitalisierung dort an der fehlenden flächendeckenden und leistungsfähigen Mobilfunkversorgung. Und dies, obwohl online zu verarbeitende Daten und Datenmengen immer mehr zunehmen, auf die in Echtzeit zurückgegriffen werden muss. Unterbrochene Verbindungen verhindern deshalb, dass die Maschinen untereinander und mit den Landwirten kommunizieren können. Ohne die Bereitstellung von Konnektivität in der Fläche können daher vielerorts die Vorteile der Digitalisierung nicht genutzt werden.
Die zunehmende Erfassung, Speicherung und Auswertung anfallender Informationen haben häufig erhebliche Datenmengen zur Folge. Wie können diese sinnvoll aufgearbeitet werden? Das kann nur über Big-Data-Analysen geschehen. Die Verknüpfung und Auswertung der Analysen unterstützen Landwirte darin, die richtigen strategischen (langfristig) und operativen (kurzfristig) Entscheidungen zu treffen. Voraussetzung dafür ist allerdings eine reibungslose Vernetzung der Maschinen über das Internet und ausreichende Cloud-Speichermöglichkeiten.
Landwirtschaftliche Betriebe sind keine Ein-Marken-Betriebe, sondern es finden sich dort moderne Maschinen und Geräte,
die von verschiedenen Herstellern stammen. Die einfache Kommunikation zwischen Traktor und Anbaugerät über ISOBUS funktioniert mittlerweile einigermaßen passabel. Ganz anders kann es aussehen, wenn viele »Farben« im Spiel sind. Herstellereigene
Systeme können hier einen reibungslosen Datenaustausch erschweren. Über die Hälfte der deutschen Landwirte sieht deshalb laut einer Bitkom-Umfrage in der mangelnden Vernetzung eines der größten Hemmnisse der Digitalisierung in der Landwirtschaft.
Darüber hinaus ist die Künstliche Intelligenz (KI) aktuell ein Topthema. Auch wenn KI mitunter kontrovers diskutiert wird, können selbstlernende Systeme für die Landwirtschaft von großem Nutzen sein. Mit der Vernetzung und Speicherung von Betriebsdaten über mehrere Jahre können Algorithmen des maschinellen Lernens so trainiert werden, dass Betriebsabläufe an Transparenz gewinnen. Daraus resultieren Erfolgsfaktoren, die zu besseren Entscheidungen führen und zum Beispiel Pflanzenkrankheiten, Unkräuter oder Schädlinge erkennen oder in Abhängigkeit von Wetter, Standort- und Bestandsfaktoren prognostizieren.
Fazit. Die Trends zum vermehrten Einsatz von digitalen Systemen und IT sind in der Landwirtschaft sowie in den vor- und
nachgelagerten Bereichen weiterhin deutlich erkennbar. Neue Felder reichen von Fahrspurplanungen und Maschinenautomatisierungen über Managementsysteme und Apps bis hin zum Bewässerungs-,Pflanzenschutz- und
Düngungsmanagement. Die Optimierung von ganzen Produktionsprozessen bei gleichzeitiger Arbeitsleistungs- und Qualitätssteigerung steht dabei meist im Vordergrund. Der Trend zu herstellerübergreifenden Lösungsansätzen ist klar erkennbar.
Das alles ist Landwirtschaft 4.0, innerhalb derer die Vernetzung der Maschinen und die Gewinnung von Daten im Vordergrund
stehen. In einer künftigen Stufe 5.0 werden Maschinen womöglich selbst Entscheidungen treffen und die Optimierung von Prozessen eigenständig umsetzen können. Die Digitalisierung bietet den Landwirten, aber auch der Natur und den Verbrauchern viele Chancen und – wenn es richtig gemacht wird – einen hohen Nutzen. Demgegenüber stehen aktuell noch existierende Sorgen vor hohen Investitionskosten und IT-Sicherheit hinsichtlich Cyberangriffen, die hoffentlich bald ausgeräumt sind. Doch auch die Anforderungen
an die Arbeit werden sich durch neue digitale Techniken verändern und tendenziell erhöhen.