Die Potentiale in der Bullenmast nutzen
Flächenangebot, gut aufgeteilte Funktionsbereiche und Liegeflächen – der Haltungsstandard von Mastrindern muss sich verbessern. Andreas Pelzer und Anna-Lena Ahring berichten über den Stand der Arbeitsgruppe gesamtbetriebliches Haltungskonzept Mastrinder.
Wie können Haltungssysteme für die Bullenmast sowohl tiergerecht als auch wettbewerbsfähig sein? Derzeit sucht eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Fachleuten der Landesanstalten, Landesämter und Landwirtschaftskammern, unterstützt von Experten des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) und der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG), nach Antworten auf diese Frage. In Anbetracht der vielfältigen Herausforderungen und festen Strukturen in der Rindfleisch-Wertschöpfungskette kann es keine allgemeingültige Lösung geben. Dennoch werden derzeit wichtige Erkenntnisse zusammengetragen und Impulse und Anregungen für eine nachhaltige Bullenmast erarbeitet. Die Broschüre »Gesamtbetriebliches Haltungskonzept – Rindermast« fasst die Ergebnisse zusammen und wird 2024 erscheinen.
Im Fokus stehen Haltungssysteme, wobei auch die unterschiedlichen Arten von Aufstallungsmöglichkeiten vorgestellt werden. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den tierbezogenen Ansprüchen, die als grundlegende Voraussetzungen für eine tiergerechte Haltung betrachtet werden.
Das Flächenangebot. Der Flächenbedarf der Bullen spielt immer wieder eine entscheidende Rolle bei der Stallplanung. Legt der Landwirt seinen Schwerpunkt dabei auf die reinen Baukosten, ist dies nachvollziehbar und natürlich auch zu berücksichtigen. Dennoch stellen sich
darüber hinaus weitere Fragen. Denn die Baukosten werden natürlich nicht alleine durch die Quadratmeter überbauter Fläche kalkuliert, sondern basieren auch auf Aspekten wie System und Art der Einstreu und Entmistung: Tretmist, Festmist oder Spaltenboden mit Gülle? Dabei sind dann auch die entsprechenden Kosten für das Gülle- bzw. Mistlager zu berücksichtigen. Die sofortige Nutzung des Festmistes oder der Gülle in einer Biogasanlage könnte die Kosten senken, da nicht nur Emissionen reduziert würden, sondern diese durch Vergasung energetisch zu nutzen wären. Auch der Verzicht auf den Güllekeller zugunsten von planbefestigten Laufflächen in Verbindung mit einem Tretmiststall spart Baukosten. Eine Möglichkeit, die Baukosten zu senken, ohne die Fläche je Tier dabei zu kürzen, wäre z. B. die Futtertische auf eine Mindestbreite zu reduzieren. Außerdem könnte den mit fossilen Energieträgern bewegten Schlepper ein schmales Elektrofahrzeug mit automatischer Fütterung ersetzen. Die Automatisierung stellt darüber hinaus auch sicher, dass die Bullen nicht nur einmal am Tag, sondern je nach Bedarf permanent mit Futter versorgt werden. Das führt zu mehr Tierwohl, zu Ruhe im Stall, einer verbesserten Futteraufnahme und -verwertung und hat somit auch ökonomische Vorteile.
Auch außerhalb der Stallfläche lassen sich bauliche Innovationen umsetzen, die zwar die Baukosten nicht unbedingt reduzieren, aber zu einer deutlich höheren Effizienz führen könnten. Ein Beispiel ist die Futterlagerung für Mastbullen in flächensparenden Hochsilos. Diese passen durch ihre systembedingte automatisierte Entnahme ideal zu Fütterungsrobotern. Die durch den Fütterungsroboter gewährleistete permanente Versorgung der Bullen mit Futter führt dazu, dass eine Gruppe mit weniger Fressplätzen trotzdem tiergerecht gehalten werden könnte.
Die Funktionsbereiche ausgestalten. Die Haltung reiner Mastbullengruppen kommt in diesem Umfang in der Natur nicht vor. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass alles getan wird, um eine tiergerechte Haltung und einen artgerechten Umgang der Bullen zu ermöglichen. Hier spielt die Gruppengröße, sowohl die Anzahl der Bullen in einer Gruppe als auch der zur Verfügung stehende Platz, eine wichtige Rolle. Die Buchten brauchen Strukturräume, in denen die Funktionskreise wie Futteraufnahme, Wasseraufnahme, Körperreinigung und -pflege sowie die Möglichkeiten zur Interaktion der Bullen untereinander und das individuelle Ruheverhalten sichergestellt sind. Schon bei der Planung und beim Bau von Bullenmastställen ist deshalb darauf zu achten, dass die Funktionsbereiche entsprechend ausgestaltet werden. Dies gilt besonders für den Ruhebereich, der sicherstellen soll, dass rangniedere Bullen oder Tiere mit einer körperlichen Beeinträchtigung immer die Möglichkeit haben, einen Ruheraum beziehungsweise eine Ruhezone aufzusuchen. Durch die Automatisierung der Futtervorlage haben die Bullen die Möglichkeit, auch dann frisches Futter aufzunehmen, wenn ranghöhere Bullen nicht vor Ort sind, beziehungsweise sich selbst in einer Ruhezone befinden. Ein solches Konzept entschärft Stress und Rivalität im Fressbereich deutlich, sichert die Tiergesundheit und optimiert die Futteraufnahme und -verwertung.
Auch bei der Wasseraufnahme der Tiere ist es nicht einfach, Produktionssicherheit, Arbeitssicherheit und Tierwohl optimal zu berücksichtigen. Unabhängig von der Gruppengröße muss jeder Bulle immer die Möglichkeit haben, zwischen zwei Tränkestellen zu wählen. Dies gilt vor allem für den Fall, dass eine Tränkestelle besetzt ist oder durch Verschmutzung oder einen Defekt ausfällt. Rinder sind Saugtrinker und sollten somit die Möglichkeit haben, das Wasser von einer »stehenden Wasseroberfläche « absaugen zu können. Solche Tränken sind aufwendiger sauber zu halten und verschmutzen schneller. Das verursacht einen Zielkonflikt: Sauberes Wasser oder artgerechte Wasseraufnahme – was ist wichtiger? Idealerweise würde man versuchen, verschiedene Tränkesysteme zu kombinieren, um eine ständige Wasserversorgung sicherzustellen und eine optimale Aufnahme zu fördern. Die Menge des aufgenommenen Wassers reguliert sich u. a. auch durch die Außentemperaturen. Es sollte möglich sein, jahreszeitenabhängig den Wasserzufluss zu steuern und die Bullen sollten in der Lage sein, Wasser in der benötigten Menge und Geschwindigkeit aufzunehmen.
Stroh oder Spalten? Diese Frage erhitzt die Gemüter und schafft den Bedarf weiterer Untersuchungen. Die Forderung nach einer weichen performen Liegefläche gibt es auch für Mastbullen. Sie ließe sich sogar auf Spalten durch entsprechende Modifikationen umsetzen. Dennoch bleibt die Frage, ob dieses System langfristig zukunftssicher sein wird, und es ist davon auszugehen, dass hier noch weitere Forschungsarbeiten nötig und Diskussionen zu führen sein werden. Hinsichtlich Tierwohl, Tiergerechtheit, Umweltwirkungen und Nachhaltigkeit bietet sich eine Haltung auf Tretmist an, da sich dieser sehr gut in die gesamtbetrieblichen Abläufe mit Ackerbau, Stroheinsatz in der Tierhaltung, Einsatz und Verwertung in der Biogasanlage und dann zurück auf den Acker integrieren
lässt.
Weide und Ausläufe. Natürlich ist eine Mast von Bullen nicht auf der Weide umsetzbar. Eine Alternative wäre die Ochsenmast auf der Weide, was allerdings einen Eingriff am Tier nötig machen würde. Dies ist sowohl gesellschaftlich und aus Tierschutzsicht kritisch zu hinterfragen. Anders verhält es sich in Bezug auf Ausläufe, die sich in die Haltung der Bullen integrieren ließen. Aber auch hier stellt sich die Frage, inwieweit ein Auslauf in der Bullenmast Sinn macht. Um soziale Auseinandersetzungen und Rivalitäten zu vermeiden,
müssten entsprechend große Flächen vorgesehen werden und vor allen Dingen auch Ausweichmöglichkeiten für drangsalierte Bullen. Es bietet sich an, die angestrebten Außenklimareize durch eine mehrhäusige Bauweise sicherzustellen. Dadurch können der Flächenbedarf gesenkt und dennoch die Funktionsbereiche tiergerecht angeboten werden. Auch hier bedarf es weiterer Forschungen und Untersuchungen, um geeignete tiergerechte Konzepte mit geringen negativen Umweltwirkungen zu entwickeln.
Fazit. Die Erkenntnisse der Arbeitsgruppe sind als Denkanstoß zur zukünftigen Haltung und Vermarktung von Mastbullen und -rindern gedacht. Darüber hinaus sind Politik, Gesellschaft, Markt und Praxis gefordert, Gedanken über eine zukunftsorientierte Tierhaltung zu entwickeln. Denn sie müssen letztlich auch die Verantwortung und die Kosten dafür übernehmen.
Andreas Pelzer und Anna-Lena Ahring, Haus Düsse, LKW NRW, Bad Sassendorf
Ein Rundumschlag über die Zukunft der Mast
Broschüre. Neben den Themen rund um die künftige Haltung von Mastbullen und -rindern beschäftigt sich die im kommenden Jahr erscheinende Broschüre »Gesamtbetriebliches Haltungskonzept – Rindermast« mit den Anforderungen an die Fütterung, die Bedeutung von Gras und Grünland, der Automatisierung von Produktionsprozessen, Stallkonzepten sowie Vermarktungswegen.
Auch Aspekte zur Qualität von Rindfleisch sind ein wichtiges Thema. Dabei setzen sich die Autoren u. a. mit der Maske (EUROP) auseinander, da in Diskussionen die Frage aufkam, ob diese noch zeitgemäß ist. Ebenso wird ausführlich über die verschiedenen Kreuzungen, Rassen und ihre angestrebten Schlachtgewichte diskutiert. Besonders im Fokus steht hier die Möglichkeiten zur
künftigen Vermarktung und Mast von Holstein Friesian Bullenkälbern.
Die Broschüre gibt Impulse und zeigt mögliche Potentiale für alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette Rindfleisch.