
Bullenmast. Qualitätsrindfleisch von HF-Bullen?
Spätestens wenn die Preise für HF-Bullenkälber mal wieder unterirdisch sind, stellen sich viele Milcherzeuger die Frage: wohin mit den Bullenkälbern? Sie sind unbeliebt bei den Mästern. Dabei ist ihre Fleischqualität konkurrenzfähig mit der von Fleischrinderrassen. Wären Qualitätsfleischprogramme eine Lösung?
Wohin mit den Holstein Friesian-Bullenkälbern (HF)? Was muss sich ändern, damit die Kälbermast nicht mehr der Hauptabsatzweg der Kälber der Milchrasse ist? Ist es möglich, Qualitätsfleisch rentabel zu erzeugen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich Branchenexperten bei einer Diskussionsveranstaltung auf Haus Düsse.
»Die Wertschöpfungskette muss zu einer Wertschätzungskette werden«, forderte Milchviehhalter und DLG-Aufsichtsratsmitglied Ulrich Westrup. Die männlichen Tiere dürften auf keinen Falls als »Wegwerfkälber« gesehen werden.
Andreas Pelzer, Haus Düsse Leiter Sachbereich Rinderhaltung sagte: »Wir müssen künftig breiter Denken, wenn es um die Vermarktung von Rindfleisch in Deutschland geht. Müssen die Schlachtgewichte so hoch sein? Warum gibt es so viele unterschiedliche Herkünfte?« Die Qualität müsse mehr in der Vordergrund rücken, damit und Masse weniger zählen. Denn bei der Qualität könne Fleisch von HF-Tieren durchaus mithalten, wie ein Sensoriktest der DLG zeige.
Problem Wirtschaftlichkeit. »Wir mästen auch HF-Bullen, wenn sich das für uns rechnet«, sagt Markus Schulze-Finkenbrink vom Bundesverband Rindermast, der einen Bullenmastbetrieb in der Nähe von Münster betreibt. Bei den aktuellen Futterkosten sei es momentan aber nicht wirtschaftlich, Holsteins zu mästen. Und ihre Tageszunahmeleistungen seien einfach zu gering, um mit anderen fleischlastigen Rassen mitzuhalten.
Wilfried Naue, Landwirtschaftskammer Niedersachsen, stellte Ergebnisse eines Betriebes vor, der im gleichen Durchgang neben zwei Kreuzungsrassen auch reine Holsteintiere mästete. Alle Gruppen hatten die gleichen Fütterungs- und Haltungsbedingungen. Am Ende schnitten die HF-Bullen aus wirtschaftlicher Sicht am schlechtesten ab.
Einheitliche Partien und Qualitäten. Eine Lösung könnten auf HF zugeschnittene Qualitätsfleischprogramme sein. »Aber schon bisher sind einheitliche Partien Rinder für Qualitätsprogramme schwer verfügbar«, kritisiert Dr. Sandra Erdmann vom Fleischwerk Edeka Nord. Es sei beispielsweise problematisch, ausschließlich reine Fleischrinderrassen für das Edeka-Strohbullenprogramm zu bekommen, die nach
Haltungsform 3 gehalten werden müssen. Auf den meisten Mastbetrieben seien viele verschiedene Rassen und Kreuzungstiere
zu finden. »HF, mal Weißblaue Belgier (WBB) sehe ich z. B. sehr kritisch«, sagt sie. Denn hier würden zwei extreme Rassen angepaart. Die Landwirte sollten besser HF mit Angus kreuzen, empfiehlt Erdmann.
Der Markt für Rindfleisch
Deutsches Rindfleisch stammt zu knapp 50 % von Mastbullen, etwas mehr als 30 % von Kühen und zu 20 % von Jungrindern, Färsen, Kälbern oder Ochsen. Das Rindfleisch liegt mit einem Verzehr von 8,7 kg/Kopf und Jahr weiterhin auf Platz drei des deutschen Fleischverzehrs. 2022 gab es knapp 3 Mio. gewerbliche Rinderschlachtungen, davon waren 53000 Importtiere. Im vergangenen Jahr waren die Erzeugerpreise für Jungbullen und Kühe auf Rekordniveau, aber auch die Kosten deutlich höher. Um 19,2 % stiegen die Preise für Rind- und Kalbfleisch im Vergleich zu 2021. Der Anteil an Biorindfleisch stagnierte auf 4 % in 2022.
Und was möchte der Kunde? Die Zahl der Vegetarier bzw. von Personen mit bewussterem, aber geringerem Fleischkonsum nimmt zu. Beim Rindfleischverzehr erleben wir eine Art »Amerikanisierung«: Burger und Steak sind gefragter als die klassischen Rouladen. »Die Edelteile verkaufen sich an der Ladentheke gut, der Rest ist schwierig«, sagt Dr. Susanne Erdmann von Edeka Nord.
Die Preisdifferenzierung zwischen Milch- und Fleischrassen ist bislang zu gering. Bezahlt wird nach Schlachtkörperqualität und nur mit indirekter Berücksichtigung der Fleischqualität über Fettklassen. Dadurch wirkt sich die Preisbildung nicht gerade qualitätsfördernd aus. »Es muss auf den Schlachthöfen nach Rassen sortiert werden, nicht schon auf den Betrieben«, sagt Alfons Baumeister von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen an die Adresse der Schlachtunternehmen. So wäre es für Landwirte einfacher, verschiedene
Rassen zu mästen und zu vermarkten. »Unser Ziel ist, die Vermarktung der Rasse zu verbessern«, signalisierte Gunnar Rohwäder von Tönnies die Bereitschaft von Deutschlands größtem Fleischverarbeiter, Holsteinbullen stärker in die Vermarktung nehmen. Dafür sei aber auch eine bessere Kommunikation zwischen Zuchtorganisation, Erzeugern und Vermarktern notwendig. Dabei sei der Landwirt das schwächste Glied in der Kette, der aber unbedingt eingebunden werden müsse. Qualitätsprogramme könnten laut Rohwäder eine Lösung sein. Er gab aber zu bedenken, dass die deutschen Qualitätsfleischprogramme bislang im Ausland nicht von Bedeutung sind.
Ausblick. Die Rasse Holstein Friesian ist grundsätzlich für die Qualitätsrindfleischerzeugung geeignet. Der Markt braucht aber einheitliche Produkte. Bisherige Ansätze wie die Initiative »Bruderkalb« konnten sich noch nicht in der Breite durchsetzen. Das größte Problem bleibt auch weiterhin die Wirtschaftlichkeit. So lange sich die HF-Bullenmast nicht ökonomisch lohnt, wird kein Bullenmäster dazu bereit sein. Deshalb sind neue Ideen und Programme gefragt, um diese Hürde zu überwinden.
Den ersten Schritt dazu will die Westfleisch wagen und Mäster suchen, die für ein gemeinsames Projekt HF-Bullen zur Mast aufstallen. »Wir bestimmen dabei den Zuschlag und eine Laufzeit«, sagt Gunnar Rohwäder.
Gibt es einen Geschmacksunterschied?

Sensoriktest. Gleichmäßige Qualität – das ist auch in der Gastronomie das Hauptkriterium für die Wahl des Fleisches beim Einkauf. »Das ist schwierig mit deutschen Jungbullen zu erreichen«, sagt Bettina Seitz, Fleischsommelière und Gastronomin aus Neumünster (Schleswig-Holstein). »Aus diesen Gründen greife ich u. a. auch USCuts zurück, obwohl ich lieber nur regionales Fleisch verarbeiten würde«, sagt sie. »Die Wertigkeit des Fleisches von HF-Bullen ist geschmacklich da«. Das bestätigte auch ein Sensoriktest der DLG. Dort ging es um die Frage, wie sehr sich das Fleisch von HF-Bullen von dem reinrassiger Fleckviehtiere und Mastkreuzungen (HF x INRA und HF x Weißblaue Belgier) unterscheidet. Im Sensoriktest wurde das Fleisch der Tiere nach dem DLG-5-Punkte-Schema eingestuft. Hauptkriterien für die Bewertung der sensorischen Qualität sind visuelle (Aussehen/Äußeres), haptische (Konsistenz/Textur), olfaktorische (Geruch) und gustatorische (Geschmack) Gesichtspunkte. Für jedes Kriterium ist ein optimaler Qualitätsstandard definiert, welcher der Höchstnote von 5 entspricht. Im Sensoriktest des HF-Rindfleischvergleichs wurde das Schema noch um die Prüfkriterien Marmorierung, Fleischzartheit und Aroma erweitert.
Die Ergebnisse. Die Unterschiede hinsichtlich der sensorischen Beschaffenheit, des Geruches und des Geschmacks des Fleisches waren zwischen den einzelnen Rassen und Rassekreuzungen nur gering. Es zeigte sich, dass tierindividuelle Unterschiede hinsichtlich Zartheit und Marmorierung des Fleisches die genetischen Unterschiede überlagern. Bei der Marmorierung war das Fleisch der Fleckviehtiere überlegen. Insgesamt waren die Unterschiede zwischen HF-Bullen und deren Kreuzungen hinsichtlich der sensorischen Beschaffenheit gering.