Beef on Dairy. Die richtige Vaterrasse ist das A und O
Der Einsatz von Fleischrassebullen in Milchviehbetrieben ist derzeit in Mode. Das liegt an den höheren Preisen für die Kälber. Aber es gibt auch Nachteile. Welche das sind, sagt Ariane Boldt.
Immer mehr Milchviehbetriebe paaren Fleischrindbullen an Deutsche Holstein-Kühe (DH), um vor allem die männlichen Kälber besser vermarkten zu können. Das Kalb aus der Kreuzung Milch x Fleisch hat einen höheren Marktwert als das reinrassige Holstein-Bullenkalb.
Der Anteil besamter Tiere mit Fleischrindsperma lag nach Angaben des VIT 2023 in Mecklenburg-Vorpommern (MV) bei 14,7 %. Innerhalb der Testherden der RinderAllianz und der Rinderproduktion Berlin-Brandenburg (RBB) stiegen ab 2016 die Fleischrindkreuzungen bei den geborenen Kälbern. 2023 lag der Anteil Kälber mit einem Fleischrindbullen als Vater bei 13 %.
Interessant ist, welche Fleischrindrassen bei der Anpaarung mit DH-Kühen bevorzugt werden. In den letzten drei Jahren wurden im Wesentlichen Kreuzungen mit Weiß-Blauem Belgier (WBB), Angus (ANG) und Uckermärker (UCK) geboren. Die hohe Nachfrage nach WBB x DH-Kreuzungen seitens der Viehhändler ist die Ursache für den momentan hohen Anteil von 60 % in Bezug auf die ausgewerteten Fleischrindrassen. Die Anzahl der Angus-Besamungen nimmt auf Milchviehbetrieben wegen des leichteren Kalbeverlaufs zu. Die Kühe starten dann dementsprechend wieder gut in die Laktation. Der Anteil an Angus-Kreuzungen in den Testherden liegt momentan bei 23 %.
Der Uckermärker ist eine in Ostdeutschland entstandene Rasse und hat deshalb im Wesentlichen eine Bedeutung in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Die Rasse zeichnet sich durch Frohwüchsigkeit, hohe Lebenstagszunahmen und Leichtkalbigkeit aus. Daher ist der Anteil an den Kreuzungskälbern mit etwa 12 % innerhalb der Testherden relativ hoch. Charolais-, Blonde d‘Aquitaine-, Limousin- und Fleckviehkreuzungskälber wurden insgesamt mit einem Anteil von 5 % geboren.
Die Anpaarungen vor allem mit WeißBlauen Belgier-Bullen (WBB) werden aufgrund schwieriger Kalbungen immer wieder kritisch gesehen. Daher wurden die Auswirkungen der unterschiedlichen Vaterrassen auf die Kalbeleistung der Kühe geprüft, da der Kalbezeitpunkt für die Muttertiere mit einem Risiko verbunden ist und Schwer- und Totgeburten auch immer einen Einfluss auf die Milchleistung in der Folgelaktation haben. Außerdem stellte sich die Frage, ob der höhere Erlös eines WBB x DH-Kalbes tatsächlich die Kosten einer Schwergeburt mit einhergehender Milchminderleistung aufwiegt.
Dr. Ariane Boldt, Institut für Tierproduktion, LfA Mecklenburg-Vorpommern
Die ausgewertete Datenbasis
Mit Augenmerk auf diese Zusammenhänge wurden auf Basis des Testherdenprogrammes der RinderAllianz und der Rinderproduktion Berlin-Brandenburg Daten von 114 Milchviehbetrieben untersucht. Der Datenpool umfasste insgesamt 176 281 Kalbungen aus Kreuzungsanpaarungen und Anpaarung mit DH aus den Jahren 2021 bis 2023. Neben der Rasse der Mutter und des Vaters konnten Informationen über die Laktation des Muttertieres, das Geburtsgewicht der Kälber, das Geschlecht der Kälber und den Kalbeverlauf ausgewertet werden. Die Klassifizierung des Kalbeverlaufes (KV) erfolgte nach den Richtlinien des Bundesverbandes Rind und Schwein (BRS): 1 = leicht, 2 = mittel, 3 = schwer, 4 = Operation. Als Schwergeburten galten die Kategorien 3 und 4. Nicht beobachtete Kalbungen (KV 0) wurden nicht berücksichtigt.
Einfluss des Vaters auf den Kalbeverlauf
Kälber, deren Vater ein DH- oder ANG-Bulle ist, weisen eine signifikant geringere Wahrscheinlichkeit für schwere Kalbeverläufe auf als bei WBB x DH- oder UCK x DH-Anpaarungen (Grafik). Ein schwerer Kalbeverlauf bedeutet, dass zur Geburt des Kalbes die Kuh Hilfe von mehreren Personen benötigt oder das Kalb per Kaiserschnitt geholt werden muss. Das bestätigen auch Untersuchungen aus Spanien. Die spanischen Autoren verweisen auf eine 1,36- und 1,19-mal höhere Wahrscheinlichkeit eines schweren Kalbeverlaufes bei Kreuzungen mit WBB- und Limousin-Vatertieren im Vergleich zu reinrassigen DH-Kälbern. Deutlich höhere Häufigkeiten von Kalbeschwierigkeiten bei schnell wachsenden, spätreifen Vaterrassen wie Charolais und Fleckvieh im Vergleich zu Milchrindrassen oder frühreifen Rassen wie ANG oder Hereford konnten auch schwedische Forscher feststellen.
Die Wahrscheinlichkeit einer Totgeburt ist bei Beef on Dairy-Anpaarungen mit den Vaterrassen WBB und UCK innerhalb der Testherden signifikant höher als bei Anpaarungen mit DH-Bullen. Unterschiede zwischen den Intensivmastrassen und den ANG als mittelschwere Rasse auf der Vaterseite sind in Bezug auf die Totgeburten bei DH-Kühen nicht zu erkennen. Im Jahr 2024 veröffentlichten US-Wissenschaftler in einer Studie, dass Kreuzungskälber von Fleischrindbullen eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, tot geboren zu werden, im Gegensatz zu reinrassigen Holstein-Kälbern (5 % gegenüber 2 %). Es konnte nachgewiesen werden, dass die Trächtigkeitsdauer von Kühen, die mit Fleischrindbullen angepaart wurden, im Durchschnitt um zwei Tage verlängert ist. Deshalb wird davon ausgegangen, dass der höhere Anteil an Totgeburten bei Beef on Dairy-Kälbern auf die längere Trächtigkeitsdauer zurückzuführen ist.
Vergleich der Geburtsgewichte
Bei Betrachtung der Geburtsgewichte der Kälber aus den Fleischrindkreuzungen wird deutlich, dass diese im Durchschnitt höher sind als die der reinrassigen DH-Kälber (Übersicht 1). Die Differenz zwischen den DH-Kälbern und den WBB-Kreuzungskälbern der anderen Rassen lag im Durchschnitt bei 5,6 kg. Auch die Kälber mit den Intensivmastrassen WBB und UCK auf der Vaterseite verzeichneten mit 46,3 kg und 46,2 kg deutlich höhere Geburtsgewichte als die reinrassigen DH-Kälber. Die ANG-Kreuzungskälber wiesen dagegen nur ein durchschnittliches Geburtsgewicht von 41,7 kg auf. Mit Blick auf die Abgangsrate der Mütter bis zum 50. Laktationstag bewirken die Intensivmastrassen WBB und UCK auf der Vaterseite Abgänge von 13,5 bzw. 16,9 %. Der Anteil Abgänge bei Kühen, die mit ANG und DH angepaart wurden, liegt dagegen nur bei 6,1 % bzw. 7,4 %.
Rasseneffekt auf die Milchleistung
Eine schwere Kalbung ebenso wie eine Totgeburt erschweren der Kuh ihren Start in die Laktation. Welche Auswirkungen haben deshalb Kreuzungsanpaarungen auf die Milchleistung der Kuh in der Folgelaktation? Es zeigte sich, dass DH-Kühe, die mit einem WBB-Bullen angepaart wurden, eine signifikant geringere 305-Tageleistung aufwiesen (Grafik 2). Die Differenz zwischen Kühen mit reinrassigen DH-Kälbern und Kühen mit WBB-Kälbern beträgt 152 kg Milch in 305 Tagen. Zwischen den Rassen DH, UCK und ANG auf der Vaterseite gab es keine signifikanten Unterschiede in der Milchleistung der Kühe. Auch in einer irischen Studie konnte ein Milchleistungsverlust von bis zu 1,5 % aufgrund des Rasseneffektes festgestellt werden, jedoch wird dies als gering eingestuft. Der große Beitrag zu den phänotypischen Unterschieden in Milchleistungsmerkmalen kommt seitens der Kuh. Die Auswirkungen des Vaters des geborenen Kalbes auf die Laktationsleistung der Kuh sind auf genetischer Ebene erwartungsgemäß gering.
Lohnt sich Beef on Dairy wirtschaftlich?
Der Saldo je Kuh in Abhängigkeit von der Vaterrasse des Kalbes und anteilige Kosten der Abgänge, Futterkosten, Kalbeerlöse sowie Milcherlöse ist in Grafik 3 dargestellt. Die Erlöse der Kälber aus den Anpaarungen mit WBB und UCK waren mit 346 € am höchsten. Der Milcherlös der Kühe, die mit einem DH-Bullen angepaart wurden, war aufgrund der höchsten 305-Tageleistung mit 5 485 € am größten. Die Unterschiede in den Milcherlösen zwischen den verschiedenen Vaterrassen sind als gering einzustufen, da sie im Maximum bei 76 € liegen. Auch bei den Futterkosten für die Kühe sind dementsprechend keine gravierenden Unterschiede zu erkennen.
Dagegen variieren die Kosten der Abgänge zwischen Kühen angepaart mit verschiedenen Vaterrassen deutlicher. Der höhere Anteil Abgänge bis zum 50. Laktationstag bei Kühen, die WBB- und UCK-Kreuzungskälber geboren haben, zieht höhere Kosten aufgrund der Reproduktion der Abgänge mit 392 bzw. 490 € nach sich. Dies beruht auf den allgemein hohen und tendenziell steigenden Aufwendungen für die Aufzucht von Färsen zur Reproduktion des Milchkuhbestandes. Daher ist in Bezug auf den Saldo zwischen Kühen mit WBB-Kälbern und Kühen mit reinrassigen DH-Kälbern nur ein Unterschied von 16 € je Kuh zu verzeichnen. Die höheren Kälbererlöse werden durch die Reproduktionskosten relativiert. Weiterhin interessant ist die geringe Differenz von 37 € im Saldo zwischen Kühen, angepaart mit ANG und Kühen, angepaart mit WBB.
Das Argument der höheren Kälbererlöse für die WBB-Kreuzungen stimmt zwar, ist jedoch nicht weit genug gedacht. Anhand der vorliegenden ökonomischen Wertung wird deutlich, dass auch die Milcherlöse und insbesondere die Kosten aufgrund von Reproduktion der Abgänge herangezogen werden müssen. Demnach hat der Einsatz von ANG-Bullen für die Beef on Dairy-Anpaarung genauso seine Berechtigung, da diese Kreuzungskälber die Kuh unter der Kalbung nicht so belasten und folglich auch ein Mehr an Tierwohl bedeuten. Aus diesem Grund ist die Anpaarung mit Angus-Vätern insbesondere für junge Kühe, von denen die weibliche Nachzucht nicht gewollt ist, zu empfehlen.