Ackerbau. Vertragsanbau lebt vom Miteinander
Erbsen, Kartoffeln, Hafer, Soja, Minze – so unterschiedlich die Kulturen, so individuell die jeweiligen Vertragskonstrukte. Wir haben fünf Betriebe besucht, die allesamt eine Win-win-Situation in diesem Geschäftsmodell sehen.
Es ist ein riesen Unterschied, ob man als »Rampenbauer« seine Ernte in eine Gosse kippt oder an einen Hersteller liefert, der daraus Markenprodukte herstellt. Das zeigen unsere Beispiele.
Grünerbsen für Frosta
Die Methauer AGRO-Agrarprodukte GmbH in Mittelsachsen baut auf 200 ha (von insgesamt 4 200 ha) Erbsen für das Frosta AG - Werk Lommatzsch an. Das Werk liegt inmitten der Lommatzscher Pflege zwischen Leipzig und Dresden und gehört seit 1990 zur Frosta AG. »Wir produzieren seit 1996 Grünerbsen im Vertragsanbau«, sagt Uwe Bemmann, der für den Ackerbau in Methau verantwortlich ist. Die Voraussetzung damals: Der Anbauumfang musste so groß sein, dass sich eine eigene Erntegruppe lohnt. Es fing an mit 150 ha. Heute werden über gut 200 ha Flächenkontrakte abgeschlossen, die sich in 20 Parzellen und 15 verschiedene Sorten aufteilen. Dies ist nötig, damit die Grünerbsen gestaffelt abreifen. »Normalerweise können wir bei guten Ernte- und Wetterbedingungen bis zu 20 ha pro Tag mit einer Plöger-Erntemaschine problemlos ernten«, sagt Bemmann. Frosta koordiniert die Ernte je nach Reifegrad in enger Absprache mit dem Anbaubetrieb. Die Ernte erfolgt im 3-Schicht-Betrieb über etwa vier Wochen.
Die Erntemaschinen gehören dem Werk in Elbtal. »Wir stellen aber unsere Fahrer, die die Maschine bedienen. Lohn und Diesel werden dafür Frosta in Rechnung gestellt. Der Transport nach Lommatzsch erfolgt mit unseren eigenen Traktoren und Anhängern«, erläutert Vorständin Christina Bamesreiter.
»Der Preis wird durch eine Preisfindungsgruppe jährlich neu verhandelt«, sagt Bamesreiter. In Ausnahmefällen und bei außergewöhnlichen Entwicklungen wird auch mal nachverhandelt. »Die Erlöse sind attraktiv. Und es wird grundsätzlich – auch in schwierigen Phasen – sehr loyal und kulant miteinander umgegangen«, ergänzt Uwe Bemmann und bringt damit die über Jahre gewachsene gute Zusammenarbeit auf den Punkt.
»Die Parzellierung ist für die Arbeitsorganisation und Dokumentation allerdings eine Herausforderung, andererseits aber auch ein Stück weit Risikostreuung, gerade mit Blick auf die Trockenheit in den vergangenen Jahren mit deutlichen Ertragsdefiziten. In diesem Jahr hatte zumindest die Hälfte der Bestände ausreichend Wasser bekommen«, blickt Bemmann zurück.
Ein Anbauberater von Frosta begleitet die Frucht von der Aussaat bis zur Ernte. Er kontrolliert regelmäßig die Bestände und gibt Empfehlungen zu Pflanzenschutz – die Entscheidung bleibt aber beim Landwirt. Einzig der Aussaatzeitpunkt wird vorgegeben und die Sortenwahl miteinander abgesprochen. Dabei fließt neben den Standortbesonderheiten und Anbauerfahrungen der Betriebe auch mit ein, welche Qualität Frosta möchte. »In den vergangenen Jahren sind die kleineren Erbsen mehr nachgefragt. Sie bringen etwas weniger Ertrag, dafür gibt es eine bessere Vergütung«, sagt Bemmann.
Die Bestellung der Saatware wird zentral über Elbtal für alle Anbauer abgewickelt. »Aus unserer langjährigen Erfahrung im Vertragsanbau können wir konstatieren: Für eine gute und langfristig angelegte Partnerschaft zwischen Landwirten und Verarbeitern braucht es mehr als gute Verträge. Man muss sich auch gegenseitig schätzen und vertrauen«, so Bamesreiter.
Hafer für Kölln
»Ganz klar eine Win-Win-Situation« ist Stefan Hirschfeld überzeugt. Damit meint er den Hafer-Vertragsanbau, den die Knoop Friedrichshof GbR mit der Peter Kölln GmbH & Co. KGAa in Elmshorn vereinbart hat. Seit mehreren Jahren hat die GbR, in der sich die Cousins Richard Hoene und Stefan Hirschfeld zusammengetan haben, den Vertrag mit Kölln. »Die Konditionen werden immer für das jeweils nächste Jahr festgelegt, sodass wir dann eine Abnahme- und Preisgarantie haben. Allerdings ist Kölln, was die von uns vertraglich zugesagten Hafermengen angeht, sehr fair: Vereinbart sind laut Vertrag ›circa 70 ha‹, das sind normalerweise etwa 500 t. In diesem Jahr konnten wir allerdings nur knapp 300 t tatsächlich ernten. Wir haben uns im Frühjahr mit unserem Ansprechpartner von Kölln unsere Bestände angeschaut – da war ja schon absehbar, dass wir die verabredete Menge nicht zusammenbekommen. Das hat Kölln aber anstandslos akzeptiert. Und für die gelieferte, geringere Menge wurde der vereinbarte – deutlich über dem damaligen Marktwert liegende – Preis gezahlt.«
Dass die Preise für die zu liefernde Menge im Vorjahr festgelegt werden, führt in Jahren mit überdurchschnittlichen Preisen wie 2022 dazu, dass die Knoop Friedrichshof GbR Überware auch anderweitig vermarktet. Voriges Jahr waren das bei 90 ha Hafer und Erträgen von gut 85 dt knapp 300 t. Diese Menge hätte auch Kölln abgenommen, aber die Entscheidung liegt bei den Landwirten.
Stefan Hirschfeld: »Wir sind für Kölln aber auch ein attraktiver Lieferant. Immerhin bieten wir in ›normalen‹ Jahren große, homogene Partien. Und Kölln mit Sitz in Elmshorn wirbt ja mit heimischem Hafer – den müssen sie dann ja auch in der Region zusammenbekommen. Zudem gibt es mit der Firma Brüggen auch noch einen Konkurrenten, der ziemlich offensiv Flächen sucht. Es sind zwar mittlerweile wieder etwas mehr Betriebe, die auch aus Fruchtfolgegründen Hafer anbauen. Aber alles in allem ist die Situation günstig für die Landwirte. Doch ganz unabhängig davon: Kölln ist ein wirklich fairer Partner!«
Apropos Win-Win-Situation: Als kleine Dreingabe spendiert Kölln jedes Jahr für ein bis zwei Hektar eine Blühmischung. Die Blühstreifen sollen zwischen den Hafer gelegt werden. Das gibt für Kölln – und auch für den landwirtschaftlichen Betrieb – schöne Bilder.
Die Motivation für den Vertragsanbau mit Kölln war für die Knoop Friedrichshof GbR aber nicht nur der gesicherte Absatz. Stefan Hirschfeld: »Wir bauen schon lange Hafer an, aber früher spielte er keine besonders große Rolle bei uns – wir haben immer 4 bis 10 ha angebaut, vor allem für unsere Pferde, und den Rest als Futterhafer verkauft. Allerdings sind wir inzwischen ein Standort mit extremem Ackerfuchsschwanzdruck. Eine Sommerung, und da eben vor allem der Hafer, hilft enorm. Auch deshalb bauen wir inzwischen bis zu 90 ha an (von insgesamt 600 ha). Und der Hafer in der Fruchtfolge bringt nicht nur wegen der Ungräser Vorteile. Er tut auch unserer vorher ziemlich engen Rapsfruchtfolge mit entsprechendem Krankheitsdruck sehr gut. Mit dem Vertragsanbau haben wir jetzt eine Gesundfrucht in der aufgelockerten Fruchtfolge, außerdem ein Produkt, das sich gut vermarkten lässt und nebenbei auch gutes Pferdefutter.
Die Qualitätsvorgaben von Kölln, wie z. B. das hl-Gewicht, erfüllen wir ohnehin. Künftig dürfte allerdings der Blick auf Mykotoxine schärfer werden. Damit wird es für uns dann etwas kniffeliger, beim Fungizideinsatz das Optimum zwischen DON-Freiheit und guter Druschfähigkeit zu erreichen – aber das kriegen wir dann auch hin.«
Minze für Tee
»Wir bauen in unserem Unternehmen Pfefferminze auf einer Fläche von 80 ha an, die ausschließlich zur Teeherstellung verwendet wird«, sagt Norbert Materne von der Geratal Agrar GmbH & Co. KG in Andisleben, Kreis Sömmerda. Das ist ein relativ geringer Anteil an der Gesamtfläche von 3 500 ha. »Da für unseren Anbau eine Beregnung notwendig ist, reduziert sich die zur Verfügung stehende Fläche auf 500 ha, die bei einer Anbaupause von vier bis fünf Jahren ausreichend ist. Der begrenzende Faktor ist die Kapazität der Trocknungsanlage. Sie schafft 350 t getrocknete Kräuter im Jahr bzw. 20 t frische Minze am Tag«, schildert Materne.
»Wir brauchen unbedingt den Vertragsanbau und die Abnahme großer Partien, weil schon alleine die Trocknung immense Kosten verschlingt. Die gesamte Herstellung beinhaltet zudem viel Handarbeit, von der Pflege bis hin zur Aufbereitung. Kurzum: Es stecken sehr viel Arbeit und Geld drin – das erfordert Planungssicherheit«, bringt es Materne auf den Punkt. Geliefert wird die Minze, nachdem sie zweimal pro Jahr im grünen Zustand geerntet, getrocknet und weiterverarbeitet wurde an drei große Abnehmer. Materne: »Wir haben Rahmenverträge über die Menge. Im Frühjahr wird über den Preis verhandelt. Der variiert durchaus zwischen den Abnehmern, die auch unterschiedliche Qualitätsansprüche haben.
Von teilweise zweijährigen Verträgensind wir wieder abgekommen, weil die Einflüsse auf die Produktion inzwischen sehr viel volatiler geworden sind. Denken Sie nur an die Energiepreise, die im vergangenen Jahr um das vier- bis fünffache gestiegen sind. Da haben wir unseren Vertragspartnern gesagt, dass wir nicht eher die Trocknung anstellen, bis uns die Preise das erlauben. Das waren durchaus harte Diskussionen. In einer solchen Phase ist es ganz besonders wichtig, dass wir offen und fair miteinander reden und zu Zugeständnissen bereit sind. Außerdem ist wichtig, dass wir ein Qualitäts-produkt anbieten, das speziell nachgefragt wird.«
Der deutsche Anbau bei Tee macht nur etwa 10 bis 15 % des Gesamtbedarfes aus. Alles andere wird importiert. Der Anbau hierzulande ist gewollt und die Ware gesucht. Trotzdem ist kaum jemand zu begeistern, auf den Zug aufzuspringen. »Es sind viel Spezialtechnik und Know-how notwendig – und man muss auch immer wieder mit Rückschlägen rechnen«, erklärt Materne.
Eine Bohne von Interesse
Seit 36 Jahren produziert die Firma Taifun in Freiburg Biotofu aus Sojabohnen – und dies ausschließlich mit Ware aus der Region. Angefangen hat der Gründer Wolfgang Heck 1987 mit fünf Landwirten aus seiner Nachbarschaft. Heute stehen rund 2 500 ha Soja bei Taifun unter Vertrag.
Die Landwirte schließen Jahresverträge ab. Etwa im Januar wird der Preis pro Tonne für die kommende Saison festgelegt. Dieser orientiert sich am Futterpreis für Soja und am Auszahlungspreis des Vorjahres. Den Landwirten wird damit eine Sicherheit geboten, falls die Preise am freien Markt fallen. Steigen diese jedoch – wie beispielsweise 2021 exorbitant – lässt sich Taifun darauf ein, die Preise nachzubessern.
Das Saatgut beziehen die Vertragslandwirte direkt über Taifun. Die Saatgutvermehrung gibt der Tofuproduzent selbst in Auftrag und setzt die Sorten fest, zwischen denen die Landwirte wählen können. Dabei spielen vor allen Dingen die regionalen Anbaubedingungen eine Rolle. Die rund 160 Landwirte sind in Süddeutschland, Österreich und Frankreich angesiedelt und säen und ernten somit zeitversetzt. Für den Transport des Ernteguts zu den drei Erfassungsstellen, die Taifun betreibt, sind die Landwirte selbst zuständig und müssen diesen auch selbst zahlen. Die Reinigung und Trocknung der Ware findet in den Erfassungsstellen statt. Die Landwirte liefern direkt ab Feld und sind angehalten, die Sojabohnen nicht selbst auf dem Hof einzulagern.
Die Zeichen stehen auf Wachstum. In diesem Jahr hat Taifun ein zweites Werk in Betrieb genommen, weil die Nachfrage nach den Produkten stetig steigt. Somit können auch mehr Landwirte unter Vertrag genommen werden. Ist die Warteliste an Landwirten abgearbeitet, läuft die Kontaktherstellung meistens über Mund-zu-Mund-Propaganda. Die meisten Sojaproduzenten sind schon seit Jahren unter Vertrag und entscheiden sich von Jahr zu Jahr immer wieder für die Zusammenarbeit.
Da die Verträge über die Fläche und nicht über eine bestimmte Menge abgeschlossen werden, besteht kein Lieferdruck, falls die Ernteergebnisse schlechter als erwartet ausfallen. Der Basispreis pro Tonne Soja erhöht sich durch Zuschläge, wie z. B. für höhere Proteinwerte. Ab 40 % Protein sind die Bohnen für die Tofuherstellung geeignet. Ist die Ware zu dreckig, gibt es Abzüge. Sind die Sojabohnen durch verminderte Qualität oder aus anderen Gründen nicht für die Tofuproduktion geeignet, hat der Landwirt die Möglichkeit, die Vermarktung selbst zu übernehmen. Möchte er dies nicht, nimmt Taifun die Bohnen zum Futterpreis ab.
Speisekartoffeln für EZG und Abpacker
»Im Vergleich zum Vertragsanbau bei Gemüse und anderen Kulturen finden wir bei der Kartoffel ein sehr breit gefächertes Geschäft vor«, sagt Christian Geßner. Er ist Vorstand der Agrargenossenschaft Bad Dürrenberg e.G. im Saalekreis in Sachsen-Anhalt, wo 180 ha Kartoffeln ausschließlich unter Beregnung angebaut werden. Das löst hohe Verfahrenskosten und Planungsaufwand aus. »Wir formen die Beete vor, dann entsteinen wir diese mit einem Separierer, der die Steine in den Fahrspuren ablegt. Im Anschluss pflanzt die Legemaschine die Kartoffeln in die Dämme«, erläutert Geßner. »Für diese vielen und kostspieligen Arbeitsgänge ist ein kalkulierbares Einkommen zwingend notwendig.«
Langfristige Lieferverträge mit drei Hauptabnehmern. »Wir können ungefähr 40 ha, also 1 500 t, selbst lagern, der Rest muss direkt vom Feld weg«, sagt Geßner. Ein Absatzkanal ist die Erzeugergemeinschaft Qualitätsspeisekartoffeln Ostthüringen e.V., über die 60 ha vermarktet werden. »Es wird darüber hinaus über einen Abpacker in Sachsen vermarket. Und dann haben wir noch einen Händler in der Börde, mit dem wir vorab Anbauumfänge abstimmen. Das sind allesamt langjährig gewachsene Geschäftsbeziehungen, bei denen sich ein gutes Vertrauensverhältnis gebildet hat«, sagt Geßner. Trotzdem bleibt die Preisfindung zumeist Handschlaggeschäft. Bei Übermengen oder bei knapper Ware konnten bisher aber immer Regelungen gefunden werden, ohne dass es – wie in anderen Bereichen üblich – zu Strafzahlungen gekommen wäre. »Wir sind da relativ gut in der Absprache. Auch wenn die Konstellation komplex und schwierig erscheint – am Ende des Tages können wir damit ganz zufriedenstellende Erlöse generieren«, gibt Geßner zu.
Die Besonderheit: »Wir haben eine eigene Spedition und Disponenten, die die LKW-Ketten koordinieren. So können wir direkt an Abnehmer liefern, deutschlandweit. Das ist für uns ein großer Vorteil, da wir sehr flexibel reagieren können«, erzählt Geßner. »Das ist sicher eine spezielle Konstellation. Das System hat sich über Jahre so zurechtgeruckelt und bewährt.«