
Dänemark. Im Bieterverfahren zum Ringelschwanz
Klare Zielvorgabe, so günstig wie möglich, kaum Bürokratie – in Dänemark soll ein dreijähriges Programm die Zahl der unkupierten Schweine erhöhen. Interessierte Betriebe können Gebote abgeben, zu welchem Preis sie einsteigen wollen.
Auch in Dänemark hat man bisher keinen Durchbruch in Sachen Kupierverzicht erzielt. Auf die rechtliche Ausnahmeregelung des eigentlich seit 1994 in der EU verbotenen Schwanzkupierens bei neugeborenen Ferkeln zu verzichten, ist derzeit für die meisten Betriebe unrealistisch. Die Zahl der unkupierten Schweine liegt seit Jahren konstant bei 500 000 pro Jahr, bei insgesamt 32 Mio. produzierten Ferkeln/Jahr. Ein neues Programm soll das ändern.
Ziel: 4 Mio. unkupierte Ferkel in drei Jahren
Dänische Schweineproduzenten, die auf das Kupieren verzichten, können ab 2026 eine Entschädigung für die damit verbundenen Kosten erhalten. Auf diesem Weg soll sich die Zahl der Schweine mit intakten Schwänzen in den nächsten drei Jahren jeweils verdoppeln, sodass bis 2028 4 Mio. dänische Schweine mit langen Schwänzen produziert werden. Dieser Ansatz ist Teil der »Vision 2050«, die sich die Branche selbst gegeben hat (siehe blauer Kasten).
Finanziert durch die Schweinehalter
Das Programm wurde vom dänischen Schweinesektor selbst vorgeschlagen – und er finanziert es auch. Bereits seit Langem gibt es in Dänemark einen Schweineabgabenfonds, in den die Schweinehalter aktuell 0,39 € je Exportferkel bzw. 0,81 € je Schlachtschwein einzahlen müssen. Die Abgabe wird vom Staat erhoben. Die Gelder des Fonds werden bisher zur »Förderung der Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit des gesamten Schweinefleischsektors« eingesetzt. Unter anderem werden Forschungsprojekte und Seuchenschutzmaßnahmen wie die LKW-Wäsche an der Landesgrenze finanziert. Aus diesem Fonds soll auch das Programm zur Ausweitung des Kupierverzichts bezahlt werden. Dazu wird die Abgabehöhe ab 2026 angehoben. Die Einnahmen aus dieser Abgabe werden in vollem Umfang an Schweineproduzenten zurückgegeben, die auf das Kupieren der Schwänze verzichten.
Bieterverfahren. Das Umverteilungsprogramm startet am 1. Januar 2026 und läuft jeweils für ein Jahr. Bis zum 15. Juni 2025 können Sauenhalter in einem Ausschreibungsverfahren ein Gebot abgeben und sich so für die Entschädigung ins Spiel bringen. Auf der Grundlage der eingegangenen Gebote werden die Bewerber beginnend mit dem niedrigsten Angebot ausgewählt, bis die gewünschte Tierzahl (1 Mio. für 2026) erreicht ist. Jeder Betrieb, der einen Zuschlag erhält, bekommt die gleiche Vergütung. Dabei bestimmt das letzte Gebot die Höhe der Entschädigung. Nach Abschluss des Bieterverfahrens steht also die Summe fest, die für das Programm zum Kupierverzicht aufgewendet werden muss. Daraus errechnet sich der zusätzliche Betrag, der vom Schweineabgabefonds von allen Schweinehaltern eingesammelt wird.
Die dänische Vision von Schweinehaltung
In der Vergangeheit lag der Fokus der dänischen Schweinefleischproduktion auf der Ernährungssicherheit und der Qualität des Fleisches. Künftig will sich der Sektor auch auf die Themen Tierschutz und Nachhaltigkeit ausrichten. Dazu präsentierte die Branche 2022 eine Vision zur Zukunft der dänischen Schweinefleischproduktion – als Antwort auf die Anforderungen der Gesellschaft. Bis 2050 soll dänisches Schweinefleisch klimaneutral sein, die Tiere den weltweit höchsten Gesundheitsstatus sowie intakte Schwänze haben und nicht in Kastenständen gehalten werden.
Anfang 2024 hat die dänische Regierung über eine neue Tierschutzvereinbarung verhandelt. Die Ergebnisse werden von einem breiten Bündnis aller Parteien unterstützt und decken sich weitgehend mit den Zielen, die sich die Schweinebranche zuvor selbst gesteckt hat.
Ferkelerzeuger, die an der Regelung teilnehmen, erhalten einen Einjahresvertrag und eine vierteljährliche Auszahlung der Entschädigung auf der Grundlage der Anzahl verkaufter bzw. geschlachteter Schweine. Werden Ferkel verkauft, muss der Sauenhalter mit seinem Mäster eine Vereinbarung über die Verteilung der Entschädigung treffen. Dies gilt auch, wenn die Ferkel exportiert werden. Teilnehmer können sich im folgenden Jahr erneut bewerben.
Extrem unbürokratischer Prozess
Derzeit laufen Informationsveranstaltungen für interessierte Sauenhalter. Es werden Berechnungshilfen für die Mehrkosten z. B. für Arbeitsaufwand, mehr Platz oder die Einrichtung von mehr Fressplätzen zur Verfügung gestellt. Im Antrag gibt der Landwirt aber lediglich einen Betrag pro Ferkel an, zu dem er bereit wäre, unkupierte Ferkel zu produzieren. Der gesamte Antrag findet Platz auf einer DIN-A4-Seite. Die Herleitung der Mehrkosten wird auch bei Eintritt in das Programm nicht kontrolliert. Da durch das Bieterverfahren nur die günstigsten Angebote einen Zuschlag bekommen, besteht dazu keine Notwendigkeit.
Den Betrieben werden keine Vorgaben gemacht, wie sie die Haltung unkupierter Ferkel im konkreten Fall angehen. Im Fokus steht, dass sie auf das Kürzen der Schwänze verzichten. Voraussetzung ist immer die Sicherstellung des Tierschutzes. Da Schwanzbeißen jedoch durch Leistungsdepressionen, Abzüge bei der Schlachtung sowie Mehrarbeit hohe Kosten verursacht, liegt es im Eigeninteresse der Halter, für die Unversehrtheit der Tiere zu sorgen. Vor den vierteljährlichen Auszahlungsterminen findet zudem eine Kontrolle statt. Die Zahlung der Entschädigungsprämie ist jedoch nicht an den Erhalt der vollständigen Schwanzlänge geknüpft.
Ausblick
Die dänische Schweinebranche sieht das Projekt als Versuch, beim Kupierverzicht voranzukommen. Wie es nach den drei Jahren weitergeht, ist völlig offen. Das Charmante ist der absolut marktorientierte Ansatz, der zudem die tatsächlichen Kosten offenlegt. Auf die jährlich geplante Evaluation des Projektes kann man auf jeden Fall gespannt sein. Denkbare Ergebnisse sind u. a.:
- Das Programm funktioniert und erzeugt mehr Ringelschwänze zu überschaubaren Kosten.
- Das Programm wurde von vielen Teilnehmern wieder abgebrochen, z. B. aus Tierschutzgründen oder weil die Kosten nicht gedeckt wurden (vierteljährliche Ausstiegsmöglichkeit).
- Das Programm funktioniert, ist aber viel zu teuer (Wettbewerbsnachteil).
So oder so werden die Erkenntnisse in die politische und gesellschaftliche Diskussion mitgenommen werden können.