
CO2-Bilanz. Fleisch muss kein Klimakiller sein
An einem CO2-Labeling wird künftig kein Weg vorbeigehen. Darin liegt für deutsche Schweinehalter auch eine Chance. Durch Ebermast und die Umstellung auf zertifiziertes Soja lässt sich die Klimabilanz von Schweinefleisch deutlich verbessern. Ob am Ende ein vermarktbares Produkt übrig bleibt, ist offen.
Klimaschutz ist in aller Munde – ganz wörtlich. Der Verzicht auf Fleisch oder zumindest deutlich weniger davon zu essen, wird oft an erster Stelle genannt. Vielleicht, da der Anteil der Treibhausgasemissionen, den die Landwirtschaft in Deutschland verantwortet (8 %),
überwiegend aus der Tierhaltung stammt. Von NGOs wird das Thema regelmäßig bespielt und so der Eindruck verstärkt, ein geringerer
Fleischverzehr könne den Klimawandel aufhalten. Dass der Effekt faktisch äußerst überschaubar ist, ändert nichts. Der Druck im LEH und den Schlachtunternehmen wächst, den vermeintlichen Ansprüchen der Konsumenten gerecht zu werden (Beispiele: Lidl, Müller-Gruppe). Kann darin auch eine Chance für deutsche Nutztierhalter liegen?
Die Dänen machen es vor. Sie sind schon längst auf dem Weg, die komplette Schweinehaltung unter CO2-Aspekten zu zertifizieren. Wie auch hierzulande, erzeugen viele Betriebe über Biogasanlagen oder Photovoltaik selbst grüne Energie. Das wirkt sich am Ende auch positiv
auf den CO2-Fußabdruck des produzierten Schlachtschweins aus. Unsere Nachbarn nutzen das Argument Klimaschutz bereits heute, um sich in der Vermarktung gegenüber dem Wettbewerb abzuheben. Sie werben damit, bis 2030 die Treibhausgasemissionen aus der Schweinehaltung um 50 % im Vergleich zu 2005 zu reduzieren.
Wie sieht der Fußabdruck für Schweinefleisch aus? In der Schweinehaltung fallen neben CO2 unter anderem auch Methan und Lachgas als klimarelevante Gase an. Umgerechnet wird alles in CO2-Äquivalente (CO2-eq). Unterstützung bei der Erstellung einer Klimabilanz bieten diverse Beratungsorganisationen an. Teilweise ist das sogar kostenlos. Beim »fleischinternen« Vergleich schneidet Schweinefleisch gut ab. Mit im Schnitt 4,6 kg CO2-eq/kg Lebensmittel (also schieres Fleisch in der Theke) steht es deutlich besser da als Rindfleisch (13,6 kg CO2-eq/kg) und sogar als Hähnchenfleisch (5,5 kg CO2-eq/kg). Biofleisch schneidet hinsichtlich der Klimabilanz immer schlechter ab als das konventionelle Produkt. Fleischalternativen aus Erbsen, Lupinen oder Soja haben einen deutlich kleineren Fußabdruck (zwischen 2,5 und 1 kg CO2-eq/kg) als Fleisch. Dasselbe gilt für nahezu alle pflanzlichen Lebensmittel (Ausnahme: Ananas mit 15,1 kg CO2-eq/kg, Transport per Flugzeug). Bezogen auf die Nährwerte hinkt dieser Vergleich so unterschiedlicher Lebensmittel natürlich. Auch Themen wie Kreislaufwirtschaft, also die Verwertung von für den menschlichen Verzehr nicht nutzbaren Nebenprodukten aus der Lebensmittelverarbeitung durch Tiere, werden in der Klimabilanz nicht abgebildet. Laut Landwirtschaftskammer Niedersachsen liegt der durchschnittliche CO2-Fußabdruck je kg Schlachtgewicht bei 3,55 CO2-eq (Unterschied zu oben: Bezug auf kg SG statt auf kg Fleisch). Es
gibt aber durchaus Betriebe, die mit 1,85 kg CO2-eq/kg SG auskommen.
Warum ist der CO2-Fußabdruck für Schweinehalter von Bedeutung? Nachhaltigkeit und Klimabilanzen spielen bei der Vermarktung von Ferkeln und Schlachtschweinen künftig eine Rolle. Denn die Unternehmen im nachgelagerten Bereich müssen sich immer mehr an ihrer Nachhaltigkeit messen lassen. Und dies umso mehr, da seit Januar 2023 die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU in Kraft ist. Sie soll Nachhaltigkeitsinformationen denselben Stellenwert einräumen wie Finanzinformationen. Die neuen Anforderungen
gelten ab 2024 und werden in den Folgejahren ausgeweitet. Verpflichtend ist die Berichterstattung nicht nur für ganz große Unternehmen, sondern bereits ab 250 Mitarbeitern oder 40 Mio. € Umsatz. Auch bei der Kreditvergabe werden von Schweinehaltern zunehmend Nachhaltigkeitskriterien gefordert werden (Kasten).
Kredite nur noch bei nachweislicher Nachhaltigkeit?
Der Green Deal der EU-Kommission soll dafür sorgen, dass Kapitalströme auf nachhaltige Investitionen ausgerichtet werden. Außerdem will man Nachhaltigkeit als Bestandteil des Risikomanagements etablieren, um die Klimaziele zu erreichen. Über die EU-Taxonomie, die festlegt, wann eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig einzustufen ist, wird diese Politik ihre Wirkung bis in die Landwirtschaft hinein entfalten. »Vermittler« sind die Banken. Sie sind z. B. verpflichtet, in regelmäßigen Nachhaltigkeitsberichten an die europäische Bankenaufsicht den CO2-Fußabdruck ihrer Kredite nach Branchen auszuweisen und künftig zu reduzieren. Auch wenn viele Details noch unklar sind, bedeutet das am Ende: Banken werden landwirtschaftlichen Betrieben, die ihre Nachhaltigkeit nicht im Zeitverlauf verbessern, nur noch teure oder gar keine Kredite mehr geben (können). Die Tierhalter werden also zwangsläufig an diesem Thema arbeiten müssen.

An welchen Schrauben können Schweinehalter drehen? Die Treibhausgasemissionen aus Schweineställen werden hauptsächlich von der Gestaltung des Buchtenbodens, dem Güllemanagement und der Fütterung beeinflusst. 60 % der Emissionen aus der Schweineerzeugung sind der Futtermittelproduktion zuzuschreiben, dem Güllemanagement 30 %. Die Absenkung des Rohproteingehalts im Futter ist eine zentrale Maßnahme.
Der größte Hebel ist die Fütterung. Kanadische Studien zeigen, dass sich der CO2-Fußabdruck pro kg LG um etwa 10 % reduzieren lässt, wenn der Rohproteingehalt im Futter um 1 % abgesenkt wird. Soja als Eiweißfuttermittel schneidet in der Klimabilanz besonders schlecht ab. 40 % der Sojaimporte in die Europäische Union stammen aus Brasilien. Das daraus in Europa hergestellte Sojaschrot hat einen CO2-Fußabdruck von 4,27 kg CO2-eq/kg Schrot. Schrot aus US-Bohnen verursacht 0,54 kg CO2-eq/kg, zertifizierte europäische Sojabohnen schlagen mit 0,36 kg CO2-eq/kg Schrot zu Buche. Vor allem die Änderung der Landnutzung, z. B. die Umwandlung von Grünland oder
Waldfläche in Ackerland, wirkt sich in den Berechnungen negativ aus. Nach Untersuchungen des österreichischen Forschungsinstituts
für biologischen Landbau (FiBL) hat Fleisch von Schweinen, die mit Futter auf Basis von europäischem Donau-Soja gemästet wurden, einen Fußabdruck von 2,16 kg CO2-eq/kg SG. Eine vergleichbare Produktion mit Soja aus Übersee (Mischung USA, Brasilien) bringt es pro kg Schweinefleisch hingegen auf 3,42 kg CO2-eq/kg SG. Laut Futtermitteldatenbank des Global Feed LCA Institute (GFLI) erhöht auch
Palmöl die Klimawirkung erheblich. Ein Verzicht auf diese beiden Futtermittel kann den Klima-Fußabdruck von Schweinefleisch um bis zu 50 % senken.
Wirtschaftsdüngermanagement. Die gasdichte Lagerung von Gülle reduziert Treibhausgase im Schnitt um knapp 18 %, so eine Untersuchung der LWK Niedersachsen. Die tägliche Entfernung der Mastschweinegülle aus dem Stall mittels Schiebertechnik und die Vergärung in einer Biogasanlage reduzieren die direkten Treibhausgasemissionen des Betriebs um mehr als 50 % im Vergleich zur Standardbewirtschaftung, so Ergebnisse aus Frankreich.
Verzicht auf chirurgische Kastration. Viele Schweinehalter würden liebendgern auf die Kastration von Ferkeln verzichten und intakte Eber mästen. Wäre da nicht das Problem der Vermarktung: Der Markt für Jungeberfleisch ist nur begrenzt aufnahmefähig, u. a. weil das Fett sich nicht uneingeschränkt für verarbeitete Waren eignet. Dass das Fleisch unkastrierter Schweine einen geringeren CO2-Fußabdruck aufweist, könnte künftig etwas bewegen. Denn die Mast von Jungebern führt zu einer besseren Futterverwertung und folglich zu einem kleineren CO2-Fußabdruck. Eine Studie aus den Niederlanden berechnet für ausgewählte EU-Länder, dass die Jungebermast zwischen 6 und 13 % weniger CO2 emittiert als die Mast von Kastraten. Das sind im Durchschnitt etwa 0,35 kg CO2-eq/kg LG weniger. Im Vergleich benötigen intakte Eber 7 bis 9 % weniger Futter. Kalkuliert man, dass die EU-weit etwa 100 Mio. geschlachteten Kastraten pro Jahr rund 24 kg mehr Futter verbrauchen, werden bei einer Erntemenge von 8 t/ha dafür 300 000 ha mehr Futterfläche benötigt als bei einem Wechsel zur Jungebermast. Ähnliches gilt für immunokastrierte männliche Tiere. Sie kombinieren eine gute Futterverwertung mit guten Verarbeitungseigenschaften. Ihr CO2-Fußabdruck liegt nach Auswertungen der Uni Kiel etwa 7 % unter dem von Börgen. Doch Handel und
Verarbeitung wehren sich nach wie vor mit Händen und Füßen gegen diese Tiere.
Weniger Fleisch – wie viel CO2 lässt sich sparen?
Die Halbierung des Fleischkonsums wird immer wieder als wirksame Maßnahme gegen den Klimawandel propagiert. Die Fakten sehen anders aus: Mit einer kompletten Umstellung auf vegetarische Ernährung spart man laut Umweltbundesamt rund 450 kg CO2-eq/Jahr ein. Eine Flugreise von vier Stunden schlägt pro Person mit 680 kg CO2-eq. zu Buche. Um dasselbe Klimaziel wie beim Verzicht auf eine Mallorca-Reise zu erzielen, müsste man sich somit knapp 1,5 Jahre lang vegetarisch ernähren. Durch den Bezug von Ökostrom werden bei einem pro Kopf Verbrauch von 1 000 kWh/Jahr 530 kg CO2-eq. eingespart. Der Bezug von Ökostrom bringt pro Person 2,4-mal so viel Treibhausgaseinsparung wie beispielsweise eine Halbierung des Fleischverbrauchs. Und die Mehrkosten sind überschaubar.
Ausblick. Da die Reduktion der Klimawirkung von Schweinefutter wahrscheinlich künftig auch von der Politik gefordert wird, müssen Schweineproduzenten schon jetzt überlegen, welche Futtermittel sie in Zukunft optimal einsetzen können, raten Experten. Vermutlich wird es eine Art Kennzeichnung der Klimawirkung geben. Für Lebensmittelunternehmen könnten die positiven Auswirkungen der Mast intakter männlicher Schweine auf den CO2-Fußabdruck ein Anreiz sein, die Vermarktung von Jungeberfleisch in Betracht zu ziehen.
Weltweit gesehen ist die Schweinefleischproduktion in Deutschland sehr klimaeffizient. In einem Labeling könnte künftig eine Chance liegen, sich zusätzlich abzugrenzen.