Eutergesundheit. Trockenstellen bei hoher Leistung
Wenn die Kühe am Ende der Laktation immer noch viel Milch geben, erschwert das Trockenstellen. Die Gefahr von Euterinfektionen steigt. Was Sie tun können, um das zu verhindern, sagt Sibylle Möcklinghoff-Wicke.
Die aktuelle »Weltmeisterin unter den Kühen« hat in einem Jahr über 30 000 kg Milch produziert. Spitzenbetriebe in den USA erzielen bereits durchschnittliche Milchleistungen von
15 000 kg und mehr pro Kuh und Jahr. Immer höhere Milchleistungen sind durch die Verbesserungen in der Genetik, der Ernährung und dem Management zur Normalität geworden. Das bringt aber neue Herausforderungen mit sich. Eine davon ist das Trockenstellen dieser hochleistenden Kühe.
Wichtige langfristige Auswirkungen
Die Trockenstehzeit wirkt sich auf die Gesundheit der Kuh und die Produktion in der folgenden Laktation aus. Während des Trockenstehens erneuert das Euter das milchproduzierende Gewebe und schafft eine »feindliche Umgebung« für Mastitis verursachende Bakterien. Die Milchleistung beim Trockenstellen ist wichtig für eine schnelle Euterrückbildung, die das Immunsystem stimuliert und eine gute Eutergesundheit sowie das Wohlergehen der Kuh fördert.
Die Rückbildung beginnt, wenn über einen Zeitraum von 16 Stunden oder mehr keine Milch aus dem Euter entnommen wird. Zu diesem Zeitpunkt wird die Milchsynthese reduziert und das Gewebe umgebaut. Interessanterweise sind die metabolischen und immunologischen Veränderungen während der Rückbildung bei Kühen mit hoher Milchleistung langsamer als bei niedriger. Das führt zu geringeren Konzentrationen von natürlichen Schutzfaktoren im Euter, wodurch das Bakterienwachstum begünstigt wird.
Risiken für Hochleistende
Besonders für Kühe mit einer Milchleistung von mehr als 20 kg birgt das Trockenstellen einige Risiken:
- Milchaustritt: Ein höheres Risiko für offene Zitzenkanäle und auslaufende Milch steigern das Mastitisrisiko.
- Das langsamere Bilden eines Keratinpfropfs im Strichkanal erhöht das Mastitisrisiko.
- Erhöhter Euterinnendruck: Übermäßiger Milchstau im Euter führt zu Unbehagen und Stress.
Gleichgewicht zwischen Gesundheit und Wohlbefinden. Hochleistende Kühe erleben beim Trockenstellen mehr Stress und Unwohlsein. Eine Futterumstellung oder auch eine geänderte Melkfrequenz senken die Milchleistung wirksam, aber sie sind nicht unproblematisch für den Komfort und das Wohlbefinden der Kühe. Eine übermäßige Futter- oder Energiebeschränkung kann zu metabolischen Veränderungen führen, die mit einer negativen Energiebilanz einhergehen. Wie z. B. in der frühen Laktation führt das zu Veränderungen in der Milchzusammensetzung und zu negativen Auswirkungen auf das Immunsystem. Außerdem kann eine eingeschränkte Futteraufnahme zu erhöhter Fresslust, Vokalisation und Stress führen.
In der Praxis sind verschiedene Möglichkeiten des Trockenstellens der Kühe gängig. Von dem abrupten Trockenstellen bis zu dem an mehreren Tagen in unterschiedlichen Frequenzen Melken ist vieles vertreten. Wissenschaftliche Antworten zum bestmöglichen Vorgehen für die Kuh sind rar, denn es gibt nur wenige veröffentlichte Studien, die über Methoden zur Einstellung der Milchproduktion berichten.
Das abrupte Beenden des Melkens ist die gängige Praxis für Kühe mit geringer Leistung, da sie relativ einfach umzusetzen ist. Bei Hochleistenden kann dieses Vorgehen jedoch das Mastitisrisiko erhöhen.
Das schrittweise Einstellen des Melkens über mehrere Tage vor dem letzten Melken reduziert die Milchleistung zum Zeitpunkt des Trockenstellens wirksam und beschleunigt die Rückbildung der Milchdrüsen, während gleichzeitig der Komfort und das Wohlbefinden der Kuh maximiert werden. Das haben Untersuchungen ergeben. Die Daten daraus deuten auf eine Zielproduktion von 15 kg Milch/Tag oder weniger zum Zeitpunkt des Trockenstellens hin.
Ein fünf- bis siebentägiger Zeitraum mit reduzierter Melkfrequenz (z. B. dreimal bis zweimal täglich oder zweimal bis einmal täglich) oder intermittierendem Melken (z. B. einmal täglich am ersten, zweiten, dritten und vierten Tag, dann Trockenstellen am fünften Tag) in der Woche vor dem Trockenstellen kann zu einer Verringerung der Milchleistung vor dem Trockenstellen um bis zu 40 % führen. Weniger häufiges Melken verhindert die Milchsynthese und fördert das normale Zellsterben im Euter. Obwohl das Verfahren wirksam ist, ist das Management anspruchsvoller als z. B. eine Futterumstellung. Eine weitere Methode, die z. B. auf einigen schwedischen Betrieben praktiziert wird, ist die Umstellung zur Trockensteherration und das zweimalige melken im Abstand von 36 Stunden. Danach erfolgt dann das Trockenstellen.
Energiezufuhr verringern
Eine niedrigere Milchleistung beim Trockenstellen kann auch durch eine geringere Energiezufuhr erreicht werden. Die Kühe bekommen Futter, das mehr Ballaststoffe enthält, um die Pansenfüllung zu fördern und die Aufnahme zu begrenzen. Das Umstellen in eine Altmelkergruppe und die Futterumstellung kann zu einem Rückgang der Milchleistung um 40 bis 60 % vor dem Trockenstellen führen. Jedoch sollte die Umstellung der Fütterung sorgfältig geplant werden, da eine restriktive Ernährung Stress, Hunger und potentielle Stoffwechselstörungen verursachen kann.
Auch der Einsatz von Arzneimitteln gehört zur Einleitung der Trockenstehzeit. Pharmazeutische Produkte zur Verringerung der Milchleistung beim Trockenstellen sind im Allgemeinen nicht im Handel erhältlich, aber ähnliche Wirkungen können durch konventionelle Managementpraktiken erzielt werden.
Laktation verlängern und Trockenstehzeit verkürzen
Es kann eine wirksame Option sein, Kühe mit hoher Milchleistung so lange zu melken, bis ihre Milchproduktion auf natürliche Weise zurückgeht. Eine zu kurze Trockenstehzeit (unter 30 Tagen) oder auch ein »Durchmelken« wird nicht empfohlen, da sie sich negativ auf die Milchproduktion in der nächsten Laktation auswirkt. Es muss genug Zeit für die Euterrückbildung vorgesehen werden.
Individuelle Protokolle entwickeln. Da die Haltungsbedingungen und -einrichtungen von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich sind, sollten Herdenmanager in Absprache mit ihren Tierärzten individuelle Protokolle für das Trockenstellen entwickeln. Dabei sollten sie stets bedenken, wie wichtig eine saubere, trockene und komfortable Umgebung für die trockenstehenden Kühe ist. Die meisten Studien zum Trockenstellen wurden mit antibiotischer Trockenstellergabe bei allen Kühen durchgeführt. In Anbetracht der Resistenzrisiken beim Antibiotikaeinsatz sollten die Auswirkungen verschiedener Methoden zum Stoppen der Milchproduktion auf die Eutergesundheit bei Verwendung selektiver Trockenstelltherapien weiter untersucht werden.
Die Zeit unmittelbar nach dem Trockenstellen ist eine Hochrisikoperiode für neue intramamäre Infektionen (IMIs); im Euter sammelt sich noch Milch an, der Keratinpfropf hat sich noch nicht vollständig gebildet und die natürlichen Schutzfaktoren in der Milchdrüse sind noch gering. Eine hohe Milchleistung zum Zeitpunkt des Trockenstellens ist ein Risikofaktor für den Milchaustritt und die verzögerte Bildung des Keratinpfropfs und damit für neue IMIs. Vor allem bei hochleistenden Kühen erhöht die Milchansammlung in der Milchdrüse nach dem Trockenstellen den inneren Euterdruck, was Stress und Unwohlsein verstärkt.
Die allmähliche Einstellung des Melkens kann dazu führen, dass die Kühe in dieser Phase zur Melkzeit aktiver sind, um ihre Motivation zum Melken anzuzeigen. Denn besonders bei hoher Leistung fühlen sie sich unwohl durch den größeren Euterinnendruck. Sie zeigen ein Vermeidungsverhalten beim Abtasten des Euters, was auf Schmerzen hinweist. Der Einsatz von Verhaltenssensoren kann wertvolle Informationen über die Aktivität und die Wiederkäuzeit von Kühen während und nach dem Trockenstellen liefern.