
Schweineställe. Für die Zukunft gewappnet
Jochen Meyer wollte lieber jetzt in mehr Tierwohl investieren als noch weiter auf sichere Rahmenbedingungen zu warten. Er hat an seinen Maststall einen Auslauf angebaut und auf Großgruppen umgestellt. Möglich war das auch durch die Ringelschwanzprämie.
Wenn Jochen Meyer seinen Tierwohlstall der Haltungsstufe (HS) 4 betritt, ist das für ihn nach wie vor spannend. Denn es ist erst der zweite Mastdurchgang nach Abschluss des Umbaus Ende 2023. »Der Wechsel zur Großgruppe plus die Haltung unkupierter Schweine – meine Lernkurve ist noch sehr steil«, räumt Meyer offen ein.
Der 2009 im Außenbereich erbaute Stall bot ursprünglich Platz für 1 200 Tiere, heute sind dort 800 Mastschweine in zwei Großgruppen mit Auslauf untergebracht. Bereits vor dem Umbau reduzierte Meyer die Belegdichte. »Den Ausschlag gegeben hat damals das Wahlkriterium '40 % mehr Platz‘ in der ersten Programmphase der Initiative Tierwohl 2015. Dabei wurden rund 20 € DB/verlorenem Tierplatz ausgeglichen. Das ist im Schnitt der Jahre betrachtet nicht verkehrt.« Auch die Entlastung bei den Kosten für die Gülleabgabe war spürbar, denn für Meyers damals 1 800 Mastplätze reichten die 70 ha Ackerfläche nicht aus. Die Lage seines Betriebs im veredlungstarken Landkreis Diepholz führte zu hohen Abgabekosten.
Das Thema Tierwohl hat ihn dann nicht mehr losgelassen. »Mein Verhältnis zu Tieren und deren Haltung hat sich mit der Zeit etwas verändert. Meine Produktion war auch vorher immer vorzeigbar. Doch ein bisschen mehr auf die Bedürfnisse der Tiere zu schauen, ist mir wichtiger geworden.« Als die Entscheidung zum Umbau fiel, war daher ein eingestreuter Auslauf für Meyer gesetzt.
Dass dann noch die Haltung unkupierter Tiere dazu kam, lag auch an der niedersächsischen Ringelschwanzprämie. Meyer hatte aber bereits vorher positive Erfahrungen mit einzelnen Gruppen gesammelt.
Die Schweine haben maximale Wahlmöglichkeiten
Aufgrund der inneren Struktur des Altgebäudes und weil Auslauffläche nur an einer Längs- und den beiden Giebelseiten verfügbar ist, lag die Einrichtung von zwei Großgruppen für Meyer auf der Hand.
Im Prinzip ist der bestehende Vollspaltenboden erhalten geblieben. Auch ein Teil der alten Aufstallung steht noch und dient als Begrenzung von Liegekesseln. Dort wurde der Spaltenboden mit Kunststoffplatten verschlossen. Teile des Liegebereichs lassen sich abtrennen (Grafik/Foto), sodass zu Mastanfang nicht die gesamte Fläche zur Verfügung steht. Die Liegekessel werden einmal täglich vollautomatisch mit Strohhäcksel eingestreut (Minimaleinstreu). Diese Einstreu ist teilweise mittags noch unberührt. Offenbar ist die Abwechslung, die die verschiedenen Aufenthaltsbereiche im Stall sowie die Tiefstreu im Auslauf bieten, groß genug.
Im anderen Teil der Großgruppenbucht befinden sich der Aktivitäts- und Fressbereich sowie Krankenbuchten. Mit einer 3-Wege-Sortierschleuse werden die Schweine nach Gewicht einer der beiden Futtergruppen oder dem Selektionsbereich zugewiesen. Letzterer wird für untergewichtige oder am Verkaufstermin für die Sammlung der Schlachttiere verwendet. Die Fütterung erfolgt vierphasig mit Zukauffutter an Breiautomaten.
Für Meyer war eine Komplettüberdachung des Auslaufs gesetzt: »Wenn es regnet, hat man sonst nur unnötig Arbeit.« Mit Dach ist das Ausmisten planbar und findet einmal wöchentlich statt. Zusammen mit dem Einstreuen benötigt Meyer dafür zwei Stunden. Zwei der vier Türen zum Auslauf sind nur als Einbahnstraße von außen nach innen nutzbar (identisches System wie am Fressbereich, Foto S. 52). Deshalb verschließt er am Vorabend einfach die beiden Türen, die Ein- und Ausgang erlauben. Bis zum nächsten Morgen sind alle Tiere im Stall. Das funktioniert gut, da es draußen keine Tränken gibt, und das Misten kann ungehindert starten.
Insgesamt haben die Tiere viel Platz: Im Stallinneren sind es 1,2 m2/Tier, im Auslauf 0,6 m2/Tier. Das liegt über den Vorgaben zur Bundesförderung laufende Mehrkosten für die Haltungsform Auslauf/Weide (1 m2 innen, 0,5 m2 Auslauf).
Einzeltierkennung per RFID
Bei der Sortierschleuse hat sich Meyer für Technik einer dänischen Firma entschieden. Die Sortierung erfolgt nach Gewicht. Zudem setzt er für eine Einzeltiererkennung RFID-Ohrmarken ein. »Ja, das sind zusätzliche Kosten von 80 Ct je Tier, doch es reizt mich, noch mehr über die Tiere zu erfahren. Morgens sitze ich als Erstes am Rechner und kontrolliere die Alarmlisten – fast wie ein Milchviehhalter,« ergänzt er schmunzelnd. Das Potential, die Einzeltierdaten künftig viel intensiver zur frühzeitigen Krankheitserkennung nutzen zu können, ist aus Meyers Sicht groß. Derzeit identifiziert das System Schweine, die durch einen Einbruch der Zunahme auffallen (Grafik 2, S. 52). Meyer lässt solche Tiere von der Schleuse ausselektieren und entscheidet beim Stalldurchgang, ob das Tier tatsächlich krank ist oder zurück in die Gruppe kann. Auch einmal identifizierte Schwanzbeißer können nach Rückkehr in die Gruppe über den Chip leicht ausselektiert werden, sollte es erneut zu einem Ausbruch kommen.
Bei der Tierkontrolle im Stall verwendet Meyer einen Handscanner (Smartphone mit RFID-Scanner), um Informationen zu auffälligen Einzeltieren abzurufen.
Mitten zwischen den Tieren. »Großgruppe bedeutet engen Kontakt mit den Schweinen – das muss man mögen.« Ein Vorteil ist das, wenn Einzeltierbehandlungen anstehen. Nach Meyers Erfahrung sind diese sogar einfacher als in Kleingruppenbuchten, in denen die Tiere erst mal flüchten. Eine Herausforderung in der Großgruppe ist allerdings das Finden bestimmter Tiere. Schweine wieder in die Gruppe zu integrieren, funktioniert hingegen gut. Da es in der Großgruppe keine feste Rangordnung gibt, stehen Tiere, die aus der Krankenbucht zurückkehren, weniger im Fokus. Auch die biologischen Leistungen passen bisher mit 1 000 g TZ und 61 % MFA. Dass sich die Futterverwertung durch den Außenklimareiz dramatisch verschlechtert hat, kann Meyer nach dem ersten abgeschlossenen Durchgang nicht bestätigen. Sie lag bei 1 : 2,78.
Eine Herausforderung ist für Meyer derzeit noch der Bezug von 800er Ferkelgruppen mit Ringelschwanz aus deutscher Herkunft. Sein bisheriger Ferkelerzeuger ist bereit, Langschwänze zu liefern. Das hat mit Testgruppen noch im alten Stall auch ganz gut funktioniert. Bei den Tieren des aktuellen Durchgangs traten in der Aufzucht Probleme mit Schwanzbeißen auf. Im Maststall konnte dies gestoppt werden. Das Förderprogramm der Ringelschwanzprämie verlangt allerdings jederzeit eine Quote von 70 % intakten Schwänze. Diese Vorgabe einzuhalten stellt durchaus eine Herausforderung dar.
Zwei Standbeine – Markt und staatliche Förderung
Meyer vermarktet seine Mastschweine derzeit als HS 3-Tiere und erhält einen Aufschlag von 27 Ct auf die Notierung. Der Ringelschwanz ist keine Voraussetzung, die deutsche Herkunft der Ferkel hingegen schon. Hinzu kommt die Ringelschwanzprämie mit 58 €/Tier. Nach deren Auslaufen Ende 2024 setzt Meyer auf das Bundesförderprogramm für laufende Mehrkosten. Für seinen Betrieb wären das knapp 23 €/Schlachtschwein. Ein Antrag auf Förderung wurde schon gestellt, auch hier sind 70 % intakte Schwänze Pflicht.
Die hohe Ringelschwanzprämie, die Meyer für ein Jahr bekommen kann, hat das Investitionsrisiko reduziert und ihm so die Entscheidung umzubauen erleichtert. Insgesamt hat Meyer in den Umbau
500€/Mastplatz investiert. »Mir ist klar, dass eine solche Investition von vielen im Vergleich zur Haltung nach gesetzlichem Standard als wenig rentabel angesehen wird. Mir geht es aber auch darum, für die Zukunft Know-how aufzubauen. Das kostet natürlich Geld, verschafft aber auch einen Vorsprung.« Er ist davon überzeugt, dass die Tierwohlstandards in Deutschland weiter steigen werden und sich in der Produktion viel ändern wird – egal ob nachfragegetrieben oder durch politische Entscheidungen. »Und ich möchte Spaß an meiner Arbeit haben. Das ist nach dem Umbau stärker der Fall als vorher.«
Fortlaufendes Lernen
Meyer ist auch überzeugt, dass sein neues Haltungssystem die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass der Kupierverzicht besser gelingt als in einem relativ reizarmen Standard-Stall. »Ich denke allerdings nicht, dass dieser Stall in zwei Jahren noch genauso aussehen wird wie heute. Die zunehmende Erfahrung wird Verbesserungspotential aufdecken.«