Milchlieferverträge. Der falsche Weg
Verpflichtende Verträge für Milchpreise und Liefermengen – das plant das BMEL mit der Umsetzung des Artikels 148. Landwirte haben davon aber keine Vorteile, ergab eine Studie der Fachhochschule Kiel.
Immer wieder geht es in den Milchmarkt-Diskussionen um den Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung (GMO). Erst im Frühjahr hatte das BMEL eine weitere Runde zu seiner nationalen Umsetzung eingeläutet. Das Ministerium hatte ihn zu einem Kernelement des »Vier-Punkte-Plans für eine zukunftsfähige Milchviehhaltung« gemacht.
Zur Erinnerung: Der Artikel 148 der GMO ermöglicht es einem EU-Mitgliedsstaat, Molkereien und Erzeuger zu verpflichten, verbindliche Preise und Liefermengen abzusprechen. Ziel soll es sein, mehr Planbarkeit und Verlässlichkeit hinsichtlich der Milchliefermengen und -preise für die Landwirte zu erzielen.
Über die Wirksamkeit einer solchen Maßnahme...
... streiten sich die unterschiedlichen Marktakteure und Interessenvertreter. Während sich der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) dafür aussprechen (siehe Kasten), lehnen der Deutsche Bauernverband (DBV), der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) und der Milchindustrie-Verband (MIV) die nationale Einführung des Artikels 148 GMO ab.
Eine Studie zu den Effekten Artikel 148 widmet sich viel diskutierten Fragen: Wird die Rolle der Erzeuger in der Lieferkette wirklich bedeutender, wie das BMEL sich durch die Maßnahme erhofft? Werden die Preise stabiler und die Rohmilchproduzenten gestärkt? Antworten gibt eine Studie der Fachhochschule Kiel, des Instituts für Ernährungswirtschaft (ife) Kiel und des Deutschen Raiffeisenverbandes. Mehr Risikomanagement sei zwar erforderlich, die vorgeschlagene Vertragsgestaltung aber nicht dafür geeignet, fasst Prof. Dr. Torben Tiedemann von der FH Kiel die Ergebnisse zusammen.
Zwei mögliche Festpreismodelle
Zwei mögliche Festpreismodelle vergleichen die Kieler Wissenschaftler in ihrer Studie: Mit oder ohne Termingeschäfte. Laut ihrer Einschätzung würden prognosebasierte Festpreise ohne Absicherung zwangsläufig einen Preisaufschlag erfordern. Die Simulationsrechnungen gehen von einem durchschnittlichen Milchpreis von 42 Ct/kg für das Jahr 2024 aus. Aufgrund der Unsicherheit der Prognose müssten Molkereien aber einen Risikoabschlag von 7 Ct berücksichtigen, die Milcherzeuger würden also nur 35 Ct/kg erhalten. Beträgt der Milchpreis später tatsächlich 42 Ct, bekommen die Milcherzeuger den Differenzbetrag nach Ablauf der Preisbindung erstattet. »Laut unserer Analyse könnten diese Nachzahlungen in Deutschland dann insgesamt etwa 881 Mio. € betragen«, erklärt Tiedemann. »Zudem könnten durch den Preisabschlag zusätzliche Zinskosten von rund 24 Mio. € entstehen. Der effektive Milchpreis würde also weiter sinken.«
Auch Festpreisangebote, die ausschließlich auf Terminmarktgeschäften basieren, seien keine Lösung, so Tiedemann. Denn die Folgekosten werden oft unterschätzt. Bei Festpreisen für 80 % der gelieferten Milch könnten Absicherungskosten zwischen 63 und 151 Mio. € entstehen. Durchschnittlich müsste die Branche dann Mehrkosten von 100 Mio. € verkraften.
Starke Kritik
Den Ergebnissen der Studie widersprechen der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und das MEG Milch Board entschieden. Der BDM wirft den Autoren und dem DRV vor, »dass die zwei Wissenschaftler genau das Ergebnis geliefert haben, das ihr Auftraggeber sich gewünscht hat«. Die Argumentation der Wissenschaftler zeige deutlich, wie extrem an einer kompletten Verlagerung des Marktrisikos auf die Milchviehhalter festgehalten werden solle, so der BDM. Die Studie ergibt für die Molkereien entstehende Kosten von zwischen 63 und 151 Mio. € jährlich. »Wie selbstverständlich wird davon ausgegangen, dass diese Kosten die Milchviehhalter tragen müssen, indem man die Erzeugerpreise kürzt«, so der BDM.
Gleichzeitig empfehle die Studie, dass die Absicherung der künftigen Rohmilchverwertung über Terminmärkte gleich eigenverantwortlich durch die Milcherzeuger selbst erfolgen soll. »Es wird nicht überlegt, wie das Marktrisiko gleichmäßiger innerhalb der Wertschöpfungskette verteilt werden könnte«, kritisiert der BDM.
Die gesamte Studie »Analyse und Effekte von Milchliefervertragsänderungnen bei Umsetzung des Artikels 148 der GMO in Deutschland« können Sie hier herunterladen.