Interview. »Klimastabile Böden brauchen Kalk«
Immer mehr Landwirte sind auf der Suche nach Ansätzen, die den Boden fit für die Klimaveränderungen machen. Dabei ist eines der effizientesten Werkzeuge dafür lange bekannt. Eine standortangepasste Kalkversorgung ist angewandter Bodenschutz, sagt Alexander Schmithausen.
Herr Dr. Schmithausen, welche Rolle spielt eine bedarfsgerechte Kalkung in Zeiten des Klimawandels?
Jeder Landwirt weiß, dass eine standortangepasste Kalkung die Basis für fruchtbaren Boden ist. Die positiven Einflüsse auf die physikalischen, biologischen und chemischen Eigenschaften können wesentlich dazu beitragen, negative Auswirkungen durch Klimaveränderungen auf die Ertragsleistung der Böden abzupuffern. Bei zunehmender Unsicherheit der Witterungsverläufe sind genügend pflanzenverfügbares Wasser und Nährstoffe im Boden, eine gute Tragfähigkeit sowie ein für die Kulturpflanzen günstiger pH-Wert essentieller denn je.
Welche weiteren klimarelevanten Faktoren lassen sich über eine bedarfsgerechte Kalkung steuern?
Die Zugabe von Calcium und Magnesium ist wichtig für die Brückenbildung der Ton-Humus-Komplexe, was maßgeblich zur Aggregatstabilität beiträgt. Das dadurch verbesserte Porensystem steigert die Wasserspeicherkapazität und die Wasserleitfähigkeit des Bodens. Dabei steigt auch die Kationenaustauschkapazität mit zunehmendem pH-Wert und Humusgehalt. Bei extremen Bedingungen (Trockenheit, Bodenverdichtung) kann die Bestimmung der Kationenaustauschkapazität hilfreich sein, um beispielsweise Fragen zur Bodenstruktur und zur Nährstoffverfügbarkeit vertiefend auf den Grund zu gehen.
Die Verfügbarkeit verschiedener Makro- und Mikronährstoffe hängt maßgeblich vom pH-Wert des Bodens ab. Dabei sind die Ansprüche an den »richtigen« pH-Wert bei den verschiedenen Nährstoffen ganz unterschiedlich. Wie gelingt es, hier die richtige Balance zu finden?
Ziel ist es, die einzelnen Nährstoffe bestmöglich pflanzenverfügbar zu machen und keine Nährstofffestlegung zu riskieren. Bei Mikronährstoffen kommt das eher vor als bei Makronährstoffen. Eine optimale Verfügbarkeit der meisten Nährstoffe ist bei pH-Werten zwischen 5,5 und 7,0 gegeben. In diesem Bereich sind in den meisten Böden auch die Struktureigenschaften und die biologische Aktivität günstiger als bei niedrigeren pH-Werten.
Über den Humusaufbau soll künftig mehr klimaschädliches CO2 im Boden gebunden werden. Welche Rolle spielt in dem Zusammenhang eine bodenartspezifisch optimale Kalkversorgung?
Untersuchungen zeigen, dass eine optimale Kalkversorgung Einfluss auf die organischen Kohlenstoff-Vorräte im Boden hat. Eine internationale Studie beschreibt einen Anstieg der C-Vorräte um ca. 4,5 % bei gleichzeitiger Stimulierung der Bodenatmung. Die Effekte sind neuesten Erkenntnissen zufolge aus der Summe an physikalisch-chemischen und biologischen Wirkungen einer Kalkung zu sehen. Weitere Forschungsaktivitäten finden dazu beispielsweise für Deutschland am Thünen-Institut statt.
Lassen sich durch eine optimale Kalkversorgung Treibhausgasemissionen aus Ackerböden senken?
Das ist eine aktuelle Fragestellung, die mit langfristigen Untersuchungen und mehrjährigen Feldmessungen vertieft werden muss. Erste Erkenntnisse gibt es dahin gehend, dass der Einsatz von Düngekalk eine fast ausgeglichene Treibhausgasbilanz aufweist. Das Johann Heinrich von Thünen-Institut hat in einem Projekt den Einfluss des Boden-pH-Werts auf die Lachgasbildung landwirtschaftlicher Flächen untersucht. Es stellte fest, dass eine pH-Wert-Anhebung auf versauerten Böden die Lachgasemissionen senkt. Denn bei höheren pH-Werten wird der Lachgasabbau durch Bakterien gefördert. Die mittleren N2O-Einsparungen reichen von 6 % bis 14 % der düngungsbedingten Direktemissionen.
Laut Thünen-Institut sind in Deutschland etwa 40 % der landwirtschaftlichen Böden nicht optimal mit Kalk versorgt. Vor allem auf Pachtflächen stellt sich für viele Landwirte die Frage der Wirtschaftlichkeit einer Aufkalkung. Wie lässt sich dieses Dilemma lösen?
Als meist nicht direkt ertragswirksame Maßnahme wird eine Kalkung oft vernachlässigt. Sie ist durch die mittel- und langfristige Wirkung aber vor allem als Investition in den Boden zu sehen. Für einen nachhaltigen Erhalt der Ertragskraft sollten Faktoren wie Bodenfruchtbarkeit und Bodenstruktur stärker in den Fokus rücken. Im Vergleich zu anderen Betriebsmitteln oder Maßnahmen fallen Kosten für eine Kalkung eher weniger ins Gewicht. Auch wenn beispielsweise nur alle drei Jahre gekalkt wird, ist es auf Pachtflächen eine sinnvolle Investition für vitale Böden.
In Zeiten des Klimawandels werden auch Betriebsmittel immer stärker unter die Lupe genommen. Wie steht es um die Treibhausgasbilanz(en) der Düngekalke?
Generell ist Düngekalk als regionales Naturprodukt positiv zu bewerten. In jeder Region Deutschlands gibt es Steinbrüche von Kalkwerken, die meist auch Düngekalk produzieren. Dieser wird vor Ort zerkleinert und gesiebt. Per Lkw wird er dann an den Handel oder direkt zu den Betrieben geliefert, sodass die Logistikkette meist kurz ist und somit geringe Transportemissionen entstehen.
Die Fragen stellte Katrin Rutt