Nährstoffeffizienz. Mit Kalk Stickstoff einsparen
Jedes gedüngte Kilo Stickstoff, das nicht von den Pflanzen aufgenommen wird, ist nachteilig für Geldbeutel und Umwelt. Dabei tragen verschiedene Faktoren zu einer besseren Stickstoffausnutzung bei. Welchen Einfluss in dem Zusammenhang eine Kalkung bedürftiger Böden hat, zeigen Wilhelm van Husen und Reinhard Müller.
Stickstoffdünger sollen aus ökologischen und auch aus ökonomischen Gründen möglichst wirkungsvoll eingesetzt werden. Deshalb ist eine hohe Stickstoffnutzungseffizienz (Nitrogen Use Efficiency = NUE) anzustreben. Sie mindert die Kosten für den N-Düngereinsatz und reduziert schädliche N-Verluste in die Umwelt. Auch eine optimale Kalkdüngung auf versauerten Böden kann die NUE erhöhen. Welchen Beitrag sie leisten kann, zeigen Ergebnisse aus Feldversuchen.
Im weltweiten Durchschnitt liegt die Nutzungseffizienz des gedüngten Stickstoffs lediglich zwischen 35 und 50 %. Das bestätigen Analysen des Stockholmer Umweltinstitutes. In Deutschland kann man immerhin von knapp 66 % NUE ausgehen. Anzustreben sind allerdings eher Werte zwischen 75 und 90 %. Die angebauten
Kulturpflanzen sollen auf der anderen Seite aber natürlich auch keinen Stickstoff-Mangel erleiden. Daher wird es immer unvermeidbare N-Verluste geben, die allerdings auf ein Minimum zu begrenzen sind. Laut Bundeslandwirtschaftsministerium lagen die N-Überschüsse in der landwirtschaftlichen Pflanzenproduktion in Deutschland im Mittel der Jahre 2019 bis 2021 bei 53 kg N pro ha und Jahr (Flächenbilanz).
Um N-Überschüsse zu reduzieren, müssen alle pflanzenbaulichen Bedingungen optimiert werden. Das betrifft unter anderem Düngemittelform und -menge, Applikationszeitpunkt und -technik sowie die physikalischen und chemischen Bodeneigenschaften. Letztere haben einen wesentlichen Einfluss auf die Nährstofflöslichkeit
und die räumliche Verfügbarkeit der Nährstoffe im Boden. Diese Bodeneigenschaften lassen sich maßgeblich durch eine Kalkung beeinflussen. Sie hebt nicht nur den Boden-pH-Wert an und fördert das Bodenleben, sondern verbessert durch die Freisetzung von zweiwertigem Calcium (Ca2+) auch die Bodenstruktur.
Die positiven Wirkungen einer Kalkung sind seit Langem bekannt. Und in Deutschland existiert bereits seit dem Jahr 2000 ein sehr differenziertes Kalkbedarfskonzept
des VDLUFA mit bodenartspezifischen Ziel-pH-Werten als Beratungsgrundlage. Dennoch zeigte die Bodenzustandserhebung Landwirtschaft des Thünen-Instituts, dass rund 42 % der landwirtschaftlich genutzten Flächen in Deutschland nicht ausreichend mit Kalk versorgt sind.
Untersuchungen zur NUE-Steigerung.
An sieben Standorten – verteilt über ganz Deutschland – wurden im Herbst 2016 sowie im Frühjahr 2017 praxisnahe Feldversuche mit unterschiedlichen Kalkungs- und
N-Düngungs-Varianten angelegt und von 2017 bis 2020 untersucht:
- K 0: Kontrolle = keine Kalkung,
- K I: Kalkung nach VDLUFA,
- K II: Kalkung nach VDLUFA x 1,5
- N 0: Kontrolle = keine N-Düngung
- N 100: bedarfsgerechte Düngung nach Nmin-Untersuchung
- N 80 = N 100 x 0,8
- N 120 = N 100 x 1,2
Die Versuchsstandorte mit den entsprechenden Bodenkennzahlen, pH-Werten und der Kalkbedürftigkeit der Böden finden Sie in der nebenstehenden Übersicht.
Bei der N-Bilanzierung ergibt sich der Stickstoff-Überschuss aus dem Abzug der N-Abfuhr mit dem Erntegut von der N-Zufuhr (= N-Düngergabe). Darüber hinaus wurden teilweise die N-Verluste (Ammoniak-Ausgasung, Nitrat-Auswaschung) gemessen sowie der N-Haushalt mithilfe des Programms »Expert-N« modelliert. Außerdem erfolgte jährlich eine Erfassung der wichtigsten bodenphysikalischen und -chemischen Parameter.
Auch weitere Effekte, die Einfluss auf die N-Bilanz haben können, wurden berücksichtigt. So kann eine Kalkung aufgrund der pH-Wert-Erhöhung einerseits die NH3-Ausgasung erhöhen, andererseits durch Erhöhung der Kationenaustauschkapazität im Boden die NH3-Ausgasung reduzieren (Ammonium wird vermehrt im Boden gebunden). Zudem kann die organische Bodensubstanz (Humus) infolge der pH-Wert-Erhöhung und verstärktermikrobiologischer Aktivität einerseits stärker mineralisiert werden. Andererseits ist jedoch zu erwarten, dass Humus physikalisch geschützt und so der Abbau reduziert wird. Außerdem ist eine Erhöhung des Humusgehaltes durch den vermehrten Eintrag von Ernte- und Wurzelrückständen infolge der erhöhten pflanzlichen Produktivität möglich.
Wirkung der Kalkung auf die Bodeneigenschaften
Erwartungsgemäß konnten wir infolge der Kalkung erhöhte BodenpH-Werte feststellen (Übersicht). Zudem stieg die Basensättigung parallel dazu an (Anteil von Ca2+, Mg2+, K+ und Na+ am Austauscher). Der Humusgehalt sowie die Humusfaktionierung veränderten sich nicht signifikant durch die Kalkung. Ebenso war im Untersuchungszeitraum kein signifikanter Effekt der Kalkung auf die Wasserstabilität von Makroaggregaten erkennbar. Bodenphysikalische Verbesserungen zeigten sich meist in Form einer erhöhten Luftkapazität sowie einer gestiegenen Kapazität an pflanzenverfügbarem Wasser. Die bodenphysikalischen Veränderungen konnten jedoch nur in den ersten zwölf Monaten nach der Kalkung festgestellt werden und waren nicht über die gesamte Versuchsdauer zu beobachten. Man kann davon ausgehen, dass die beginnende Strukturverbesserung durch die Bodenbearbeitung (vor allem durch den Einsatz des Pfluges) wieder zerstört wurde.
Auswirkungen auf die Stickstoffnutzungseffizienz
Im Durchschnitt aller Versuchsstandorte und -jahre erhöhte sich der N-Entzug durch die Kalkung um 5 kg N pro ha und Jahr. An den einzelnen Standorten schwankten die Werte des N-Entzuges im Versuchszeitraum zwischen 1,3 und 9,9 kg N/ha/Jahr. Auffällig ist, dass die stärksten Effekte dann festzustellen waren, wenn auch die Unterschiede in den bodenchemischen Parametern (vor allem pH-Wert, Basensättigung) zwischen den gekalkten und ungekalkten Varianten am deutlichsten waren.
Die höheren N-Entzüge wurden teils durch höhere N-Gehalte in den Pflanzen und teils durch Ertragssteigerungen erreicht. Die Grafik zeigt exemplarisch die mittleren Erträge und N-Entzüge der Versuchsvarianten am Standort Struckum im Jahr 2020.
Stickstoffnutzungseffizienz
Bei der Stickstoffnutzungseffizienz muss man die N-Aufnahme in Beziehung zur gedüngten N-Menge setzen. In den Feldversuchen erfolgte die Ermittlung des N-Düngebedarfs nach den Vorgaben der Düngeverordnung 2017. Dabei wurdendurchschnittlich 144 kg N pro ha und Jahr appliziert. Die um 5 kg erhöhte Ausnutzung
des Düngerstickstoffs, die durch die Kalkung erreicht wurde, entspricht einer durchschnittlichen Erhöhung der NUE um 3,5 % (Spanne: 0,9 bis 6,9 %).
Dies erscheint auf den ersten Blick nicht sehr viel zu sein. Doch erreicht man diesen Effekt langjährig und großflächig, ist er durchaus bedeutsam. Zu bedenken ist dabei auch, dass eine Kalkdüngung üblicherweise für drei bis vier Jahre vorhält und somit auch die N-Düngereinsparungen für drei bis vier Jahre zu kalkulieren sind.
Reduktion von N-Überschüssen
Eine Reduktion von N-Überschüssen durch Kalkung beruht häufig auf geringeren Lachgas-Emissionen aus dem Boden. Diesen Effekt belegen verschiedenste Forschungsergebnisse. Mit den verfügbaren Daten der Feldversuche haben wir die Lachgas-Austräge mit dem Programm Expert-N modelliert. Die Ergebnisse
bestätigen die Reduktion der N2O-Ausgasung aufgrund der Kalkung. Dies ist auf zwei Mechanismen zurückzuführen: Zum einen verbessert die Kalkung die Bodenstruktur und damit die Durchlüftung des Bodens. Dies reduziert die Bildung von N2O, denn Lachgas entsteht vor allem bei Sauerstoffabschluss (sogenannte »anaerobe Bodenzonen«). Darüber hinaus ist bei niedrigen pH-Werten der letzte Schritt der Nitratreduktion (die Reduktion von N2O zu N2) gehemmt.
Wird der pH-Wert durch eine Kalkung angehoben, kann diese Reaktion also wieder leichter ablaufen. Dadurch wird weniger Lachgas freigesetzt. Wir haben auf Basis der Projektergebnisse das Potential zur Reduktion von N2O-Emissionen im Ackerbau in Deutschland hochgerechnet. Demnach würden sich die Gesamtverluste um mehr als ein
Drittel verringern, wenn die Kalkversorgung der bundesweit 42 % kalkbedürftigen Ackerböden optimiert würde.