
Getreide. Wo Hybridroggen den Weizen schlägt
Weizen ist und bleibt in der Praxis die Nummer eins unter den Getreidearten. Allerdings kann Hybridroggen mittlerweile nicht nur auf schwachen Standorten ertraglich und wirtschaftlich mithalten, sondern oft auch auf mittleren Böden, zeigt Thomas Miedaner.
Roggen hatte lange das Image einer vernachlässigten Kultur, die vor allem auf schlechten Böden punktet. Das hat sich mit dem Erfolg der Hybridzüchtung gelegt. Inzwischen kann man zeigen, dass Roggen auch auf mittleren Böden dem Winterweizen überlegen ist. Und er bietet die Chance, extensiver mit hohen Erlösen zu wirtschaften.
Anspruchsloser als Weizen
Auch wenn die SUR zurückgezogen wurde, bleibt die Reduktion des Betriebsmitteleinsatzes auf der politischen Tagesordnung. Dabei könnte der Roggen eine besondere Rolle spielen, da er üblicherweise mit weniger Dünger und Pflanzenschutzmitteln auskommt als Weizen. Ob er trotzdem oder gerade deshalb mit Winterweizen konkurrieren kann, haben wir mit zehn Hybridroggen- und 20 Weizensorten aller Qualitätsstufen geprüft. Der Versuch lief drei Jahre lang (2021, 2022, 2023) auf je drei konventionell bewirtschafteten
Flächen der Universität Hohenheim mit 40 bis 66 Bodenpunkten: im Oberrheintal bei Kehl (EWE), auf der Filderebene bei Stuttgart (HOH) und auf der Schwäbischen Alb bei St. Johann (OLI). Die Prüfung erfolgte in zwei Varianten:
- Düngung: 100 bis 120 kg N/ha bei Roggen und 140 bis 180 kg N/ha bei Weizen sowie Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel einschließlich Wachstumsregler (= intensiv),
- ohne chemischen Pflanzenschutz und mit 20 % reduzierter N-Düngung sowie ein- bis dreimal gestriegelt (= extensiv).
In acht von neun Umwelten war der Hybridroggen dem Weizen ertraglich überlegen. In beiden Varianten lag die Differenz im Mittel bei etwa 10 dt/ha (Grafik 1). Nur in EWE 2023 war das nicht der Fall, da es hier beim Roggen starkes Lager gab und ein Hagelsturm kurz vor der Ernte zu erheblichen Kornausfällen führte. Diesbezüglich ist Roggen empfindlicher als Weizen, da seine Körner offen in der Spelze
liegen. Auch Lager kann für den langstrohigen Roggen ein Problem darstellen. Bei der extensiven Variante wurden bei beiden Getreidearten im Mittel jeweils 12,4 dt/ha weniger gedroschen. Daneben war die extensive Variante langstrohiger, weil keine Wachstumsregler eingesetzt wurden. Insgesamt war sowohl der Unkraut- als auch der Krankheitsdruck gering. Es gab nur an einzelnen Orten Blattflecken, die bei Weizen im Wesentlichen von Blattseptoria und bei Roggen von Rhynchosporium verursacht wurden.
Trotz reduzierter N-Düngung gute Erträge
Zwischen den Kornerträgen der intensiven und der extensiven Variante bestand ein enger Zusammenhang. Die Besten in der extensiven Variante waren auch die Besten in der intensiven Variante. Zudem zeigten sich erwartungsgemäß die Ertragsunterschiede der Weizensorten in den unterschiedlichen Qualitätsstufen. Die höchsten Erträge erzielten jeweils C-Sorten. Doch selbst diese reichten nur an das Niveau eines (ertragsschwachen) Hybridroggens heran.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich auch mit reduzierter N-Düngung gute Erträge realisieren lassen. Ein Problem kann dabei der geringere Proteingehalt des Weizens sein – zumindest solange nach Proteingehalt bezahlt wird. So wurden in der extensiven Variante je nach Umwelt nur 8,1 % bis 11,9 % Rohproteingehalt gemessen. Dabei wurde nur in zwei von acht Umwelten überhaupt B-Qualität erreicht. Bei
der intensiven Variante lagen die Proteingehalte zwischen 8,6 % und 13,6 %, was in drei von acht Umwelten B-Qualität und in einer Umwelt A-Qualität ergab. Andererseits werden aber rund 40 % des Weizens in Deutschland direkt als Futter verwendet. Und für qualitativ hochwertiges Futter ist es allemal günstiger und besser, Sojaprotein zuzumischen als mit hohem N-Input Backweizen zu produzieren, der dann doch nur verfüttert wird. Gerade Betriebe mit eigener Futterproduktion können vom günstigeren Roggen profitieren.
Ökonomische Betrachtung entscheidend
Für den Landwirt entscheidend ist natürlich die ökonomische Betrachtung. Dazu haben wir für jede Variante die direktkostenfreie Leistung errechnet. Die größten Unterschiede zwischen den Getreidearten ergeben sich bei den Saatgutkosten. Sie liegen für Hybridroggen rund doppelt so hoch wie für Weizen. Hinzu kommt, dass Roggen grundsätzlich schlechter bezahlt wird als Weizen, was
auch durch höhere Erträge nicht immer ausgeglichen werden kann. Die Erzeugerpreise schwankten in den drei Jahren sehr stark, wobei vor allem die 2022 durch den Ukrainekrieg unüblich hohen Preise zu Buche schlagen. Im Jahr 2021 waren die extensiven Varianten die ökonomisch besseren, da die Preise niedrig waren. Hybridroggen und Weizen unterschieden sich nur gering (Grafik 2). Bei den hohen Preisen 2022 und dem geringen Unterschied zwischen dem Roggen- und Weizenpreis war die intensive Hybridroggenvariante die bessere.
Hingegen schnitt 2023 die intensive Weizenvariante am besten ab, da hier der Unterschied zwischen Roggen- und Weizenpreis besonders groß war.
Diese Zahlen unterstreichen, dass bei niedrigen Erzeugerpreisen die extensive Variante ökonomisch die günstigste ist, während sich bei guten und sehr guten Preisen jede zusätzliche Investition in Pflanzenschutz und Dünger lohnt. Allerdings lässt diese rein ökonomische
Betrachtungsweise ökologisch ungünstige Auswirkungen einer intensiven Bewirtschaftung sowie steigende Resistenzprobleme bei Unkräutern, Pilzen und Insekten gegen Pflanzenschutzmittel außen vor.
Hybridroggen ...
... wird in Deutschland mittlerweile auf rund 75 % der Roggenfläche angebaut. Es gibt 33 zugelassene Sorten von drei Züchtungsfirmen, sowohl für die Körner- als auch die Biogasproduktion (Siloroggen). Die Hybriden sind 15 bis 20 % ertragsstärker als Populationssorten, kürzer im Wuchs und haben ein größeres Spektrum in den Qualitätseigenschaften.
Ausblick
Angesichts des Klimawandels sind Sorten gefragt, die eine erhöhte Trockenstresstoleranz besitzen und mit einer guten Wassernutzungseffizienz auch in trockenen Jahren gute Erträge liefern. (Hybrid-) Roggen hat diesbezüglich in Regionen mit geringeren Niederschlägen und sandigen Böden gegenüber Weizen Vorteile. Hinzu kommt, dass der Roggenanbau zur Brechung von Arbeitsspitzen beiträgt. Unter Berücksichtigung der Ziele des Green Deals sind bei beiden Kulturen Sorten notwendig, die bei reduziertem Einsatz von chemischem Pflanzenschutz und Mineraldünger gute Erträge liefern. Dies kann zum einen durch Sorten erreicht werden, die gute Resistenzeigenschaften gegenüber verschiedenen Schaderregern besitzen. Beim Roggen sind darüber hinaus Sorten gefragt, die auch bei
reduziertem oder unterlassenem Wachstumsreglereinsatz eine gute Standfestigkeit besitzen, um die Lageranfälligkeit zu reduzieren. Außerdem brauchen wir Weizensorten, die auch bei geringerem Proteingehalt gute Backqualität liefern.
Neue Grenzwerte für Mutterkorn

Lebensmittelsicherheit. Mutterkorn ist und bleibt ein Problem bei Roggen. Die enthaltenen Toxine (Ergotalkaloide) können bei chronischem Verzehr die Gesundheit gefährden. Ab dem 1. Juli 2024 verschärft die EU die Grenzwerte für Mutterkorn-Sklerotien in unverarbeitetem Roggen auf 0,2 g/kg. Bisher lagen sie bei 0,5 g/kg. Damit werden die Grenzwerte an die seit 2021 bei Weizen und Triticale geltenden angepasst. Gleichzeitig dürfen in Roggenmahlprodukten und Roggen, der für den Endverbraucher in Verkehr gebracht wird, nicht mehr als 250 μg/kg (bisher 500 μg/kg) Mutterkorn-Alkaloide enthalten sein. Dies ist die Summe aus 12 Einzelalkaloiden.
Das Max Rubner-Institut (MRI) gibt neue »Handlungsempfehlungen zur Minimierung von Mutterkorn und Ergotalkaloiden in Getreide«, die alle Glieder der Wertschöpfungskette berücksichtigen. Leider gibt es keinen engen Zusammenhang zwischen dem Gehalt an Mutterkornsklerotien und dem Ergotalkaloidgehalt. Nach Auswertungen der Besonderen Ernteermittlung lagen von 2020 bis 2022 je nach Jahr 20 bis 32 % aller Roggenpartien über dem neuen Grenzwert von 0,2 g/kg.
Es gibt deutliche Sortenunterschiede für Mutterkornanfälligkeit. Während die Populationsroggen alle eine gute Ausprägungsstufe (APS) von 3 haben, schwankt diese bei Hybridsorten von 2 bis 6, wie die Beschreibende Sortenliste zeigt. Neben der Sortenwahl helfen auch eine wendende Bodenbearbeitung nach Roggen, eine Bestandesführung, die möglichst homogene Bestände fördert, die Vermeidung von Nachschossern, die Bekämpfung von Ungräsern und im schlimmsten Fall eine besatzorientierte Ernte.