Erntehelfersuche. Vom Aushang zum Insta-Reel
Erntehelfer findet man kaum noch über Aushänge an Schwarzen Brettern – Jobangebote sind vor allen Dingen über Social-Media-Kanäle und Webseiten erfolgreich. Wer saisonale Arbeitskräfte für die Ernte gewinnen möchte, muss kreativ werden. Erik Meyer zeigt, was besonders gut funktioniert.
Die Zeiten, in denen Studierende, Schüler und andere Aushilfskräfte über Aushänge an Universitäten einen Ferienjob suchten und telefonisch mit dem Betrieb in Kontakt traten, sind vorbei. Oft wusste man damals kaum, was einen vor Ort tatsächlich erwartete. Heute dominieren digitale Kanäle die Suche nach Erntehelfern – und stellen landwirtschaftliche Betriebe vor neue Aufgaben.
Besonders soziale Netzwerke wie Facebook trugen anfangs zur Sichtbarkeit bei: Gruppen, Bilder, Videos und Kommentare vermittelten einen ersten Eindruck vom Betrieb. Gleichzeitig erreichte man ein breiteres Spektrum potentieller Helfer, auch außerhalb der Hochschulen.
Doch Facebook verliert an Relevanz. Plattformen wie Instagram oder TikTok setzen auf kurze, visuell starke Inhalte. Statt strukturierter Gruppen dominieren nun Reels, Stories und algorithmengesteuerte Feeds. Wie sollen Betriebe in diesem Umfeld gezielt auf sich aufmerksam machen?
Neue Kanäle, neue Zielgruppen
Für viele landwirtschaftliche Betriebe bedeutet dies: Sie müssen eigene Social-Media-Kanäle aufbauen und aktiv bespielen, um junge Menschen zu erreichen. Gleichzeitig entstehen Chancen: Besonders Jugendliche und junge Erwachsene aus Regionen wie Bayern, Österreich, der Schweiz oder Südtirol zeigen Interesse an Erntejobs im Norden während der Semester- oder Schulferien – oft aus Begeisterung für große Maschinen.
Video zur Erntehelferbörse
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Plattform zur Vermittlung von Saisonkräften
Die Erntehelferbörse. Viele Betriebe kennen das Problem: Wo findet man gute Erntehelfer und wie spricht man die jungen Leute am besten an? Erik Meyer kennt das Dilemma – allerdings von der anderen Seite. Er hat Agrarwissenschaften studiert und stammt von einem Landwirtschaftsbetrieb in Ostfriesland. Während des Studiums hat er selbst als Erntehelfer gearbeitet und fand die Suche nach passenden Betrieben stets als Herausforderung. Dies motivierte ihn zur Gründung der »Erntehelferbörse« – zunächst als Instagram-Seite, später ergänzt durch eine eigene Website. Dort werden Stellenanzeigen gepostet, die ihm Betriebe zuschicken. Ziel ist es einerseits, für die Betriebe Reichweite zu schaffen und herauszufinden, welche Formate besonders gut funktionieren. Auf der anderen Seite ermöglicht die Erntehelferbörse jungen Leuten, einen guten Überblick zu bekommen und die Betriebe vorher ein bisschen besser auf die eigenen Prioritäten hin sortieren zu können.
In diesem Frühjahr stieg das Interesse sprunghaft an: Immer mehr Betriebe aus Mecklenburg-Vorpommern (37 % aller Anzeigen), Ostdeutschland, aber auch aus dem Baltikum, Namibia, den USA und Kanada schalteten Anzeigen. Die meisten dieser Betriebe sind große, konventionelle Ackerbaubetriebe mit mehr als 1 000 ha Fläche, oft in Familienhand oder als GmbH geführt.
Visuelle Reize zählen
Klassische Aushänge funktionieren digital zwar noch als einfache Posts, doch die große Reichweite erzielen authentische Bilder und Kurz-
videos. Drohnenaufnahmen, stimmungsvolle Aufnahmen bei gutem Licht und trendige Musik können Reels mit über 100 000 Aufrufen auslösen. Besonders gut funktionieren Videos mit großer Technik (Mähdrescher, Traktoren) im Sonnenuntergang oder bei bestem Sommerwetter – aufgenommen im Hochformat. Details spielen dabei weniger eine Rolle. Der Fokus liegt auf wenigen starken Szenen, die eine positive Stimmung erzeugen.
Was muss in eine gute Anzeige?
Ob als Aushang, Post oder Video: Folgende Elemente sollten beispielhaft je nach Betriebsstruktur und -organisation in jeder Anzeige enthalten sein:
- Wer wir sind: beispielsweise 1 000 ha Ackerbau, Biogasanlage, Lage (z. B. 30 km von Rostock entfernt)
- Wen wir suchen: Erntehelfer (m/w/d) für Juli bis Oktober 2026
- Anforderungen an die gesuchte Person: Mindestalter (falls gewünscht), Führerscheinklassen (B, T), Erfahrung mit Landmaschinen, Zuverlässigkeit, Teamfähigkeit, ggf. Sprachkenntnisse
- Was wir bieten: Kost und Logis frei, leistungsgerechte Bezahlung, Familienanschluss, moderner Maschinenpark (mit Markenbezug), Besonderheiten (z. B. Jagdmöglichkeiten)
- Kontakt: Telefonnummer (auch Whats-App), E-Mail-Adresse (bei der die Bewerbungen nicht unter anderen Nachrichten untergehen), optional Social-Media-Kanal
Ergänzt durch: vier bis fünf aussagekräftige Fotos
Hilfreiche Tools für Betriebe
Zur Erstellung ansprechender Anzeigen und Videos haben sich folgende Werkzeuge bewährt:
- Canva: Kostenlos, mit zahlreichen Vorlagen für Social Media, Flyer und Videos
- CapCut: Videobearbeitung mit vielen Vorlagen, ideal für Reels & TikToks.
Beide Tools sind für Einsteiger geeignet, erfordern aber etwas Zeit zur Einarbeitung.
Wann suchen Betriebe am besten? Die meisten Anzeigen werden ab Neujahr veröffentlicht. Bewerbungen gehen hauptsächlich bis Ostern ein. Wer kurzfristig sucht, findet oft auch im Juni noch Helfer – sofern jemand abgesprungen ist. Wichtig ist in jedem Fall: gute Planung und verbindliche Kommunikation. Kurzfristige Absagen – von beiden Seiten – sind nicht selten und für alle Beteiligten ärgerlich.
Wer Reichweite sucht, nutzt Plattformen wie z. B. die Erntehelferbörse
320 Erntehelfer haben dort in diesem Jahr ihren Job gefunden. Rückmeldungen bestätigen eine unkomplizierte Vermittlung, auch ins Ausland (z. B. Lettland, Litauen, Slowakei, Namibia, Kanada, USA). Nebenbei entstand eine Community, die Potential für mehr bietet. Perspektivisch könnte daraus eine Plattform entstehen, die auch außerhalb sozialer Netzwerke funktioniert.
Aus Betriebssicht
Für Landwirtschaftsbetriebe hat sich die Suche nach Erntehelfern und Mitarbeitern enorm verändert. Ohne eine eigene Website oder einen gut geführten Social-Media-Auftritt ist es kaum mehr möglich, junge Leute für die Arbeit auf dem Hof zu begeistern. Der Bedarf nach Informationen über den zukünftigen Arbeitgeber kann kaum durch ein »Vorstellungs-Telefonat« abgedeckt werden. Im Vorfeld findet seitens der potentiellen Erntehelfer eine Selektion über Videos, Bilder oder persönliche Vorstellungen bei Instagram, TikTok oder die eigene Website statt.
Die Erntehelferbörse ermöglicht dabei mit relativ wenig Aufwand für die Betriebe, einen Einblick über die anfallenden Arbeiten eines Erntehelfers zu geben und so mit ihm in Kontakt zu treten.
– Sk –
Praxisbeispiel
Der 20-jährige Maximilian Strütt ist gelernter Landschaftsgärtner. Er stammt aus Endingen in Baden-Württemberg und ist in einer Weinbauregion aufgewachsen. Schon während der Ausbildung kam er mit einem Landwirtschaftsbetrieb in der Nachbarschaft in Berührung und absolvierte durch den Landwirt ermutigt mit 16 Jahren den T-Führerschein.
In seiner Heimat ist Strütt hauptsächlich im Weinbau tätig und beschloss Ende letzten Jahres: Er möchte in Norddeutschland größere Betriebe, Maschinen und Arbeitsbreiten kennenlernen. Über die Instagram-Seite der Erntehelferbörse fand er zunächst für drei Monate eine Stelle bei einem Lohnunternehmen in der Nähe von Schwerin und arbeitet nun auf einem familiengeführten Ackerbaubetrieb in Mecklenburg. Beide Arbeitsstellen fand er über deren Anzeigen auf der Instagram-Seite der Erntehelferbörse. – Sk –