Wirkstoffverluste. Wenn Wirkstoffe verschwinden
Weniger Wirkstoffe bedeuten mehr Risiko. Eine HFFA-Studie zeigt: Mit jedem weiteren Wirkstoff, der entfällt, steigen Ertrags- und Einkommensverluste überproportional.
Die Regulierung im Pflanzenschutz ist längst zu einem zentralen Faktor der betrieblichen Risikosteuerung geworden. Ein »Werkstattbericht« der HFFA Research zeigt anhand von Fallbeispielen konkreter landwirtschaftlicher Betriebe: Der Verlust von Wirkstoffen wirkt sich deutlich auf Erträge, Deckungsbeiträge und die Wettbewerbsfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe aus. Besonders betroffen sind Kulturen mit ohnehin engen Fruchtfolgen und hohen Pflanzenschutzanforderungen.
Rückgang der Wirkstoffverfügbarkeit – eine stille Transformation. Die Zahl zugelassener chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittelwirkstoffe in der EU ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten massiv zurückgegangen. Neue Zulassungen können diesen Rückgang kaum kompensieren. Für die Betriebe bedeutet das: weniger Auswahl, höhere Abhängigkeit von Einzelwirkstoffen und ein wachsender Druck, Alternativen zu finden, die ökologisch tragfähig und ökonomisch darstellbar sind.
Die Studie quantifiziert erstmals, welche Effekte der Verlust bestimmter Wirkstoffe auf die Produktivität verschiedener Kulturen und damit auf die einzelbetriebliche Wirtschaftlichkeit hat.
Anzahl und Anteil potentiell wegfallender Wirkstoffe je Kulturart
| Acker- bzw. Sonderkultur | Fungizide | Herbizide | Insektizide | Genehmigte Wirkstoffe | Anteil an allen Wirkstoffen |
|---|---|---|---|---|---|
| Hopfen | 5 | 0 | 4 | 42 | 21 % |
| Kartoffel | 6 | 5 | 11 | 77 | 29 % |
| Karotte | 8 | 3 | 3 | 62 | 23 % |
| Salat | 9 | 3 | 5 | 72 | 24 % |
| Wein | 9 | 1 | 4 | 91 | 15 % |
| Weizen | 7 | 8 | 5 | 92 | 22 % |
Quelle: HFFA Research Paper 2025
Ertragsverluste steigen mit der Zahl entfallener Wirkstoffe. Das zentrale Ergebnis: Mit jedem weiteren Wirkstoffverlust nimmt der durchschnittliche Ertrag weiter ab. Während bei den Ackerkulturen bereits der Wegfall von fünf wichtigen Wirkstoffen, z. B. bei den Insektiziden, zu einem mittleren Ertragsrückgang von rund 6 % führen kann, könnte dieser Verlust bei Sonderkulturen in gleicher Situation 8 % betragen. Je mehr Wirkstoffe entfallen, desto stärker werden diese Verluste. Ab etwa 20 verlorenen Wirkstoffen können die Ertragseinbußen sogar zweistellige Prozentwerte erreichen (siehe nebenstehende Grafik) – mit erheblichen Konsequenzen für die Rentabilität.
Besonders betroffen sind Kulturen, bei denen eine enge Wirkstoffrotation heute Voraussetzung für Resistenzmanagement und Ertragsstabilität ist. Bei Getreide etwa führen verringerte Bekämpfungsmöglichkeiten gegen Ungräser und Pilzkrankheiten schnell zu massiven Verlusten.
Deckungsbeitrag und Gewinnbeitrag brechen ein
Die HFFA-Berechnungen verdeutlichen, dass nicht allein der Ertrag, sondern vor allem die betriebswirtschaftliche Ergebnisstruktur leidet. Am Beispiel von Winterweizen zeigen die Modellkalkulationen: Die Erlöse sinken um rund 7 %, während die variablen Kosten steigen – insbesondere durch höhere Kosten für verbleibende Pflanzenschutzmittel bzw. Mehraufwand bei mechanischen Maßnahmen. Der Deckungsbeitrag verringert sich so um über 15 %, der Gewinnbeitrag teils um mehr als 20 %. Ähnliche Effekte finden sich bei Kartoffeln, Zuckerrüben und Sonderkulturen, wobei die Spanne je nach Kultur zwischen 20 % und einem Totalverlust liegen kann.
Die Auswirkungen sind kumulativ: Je stärker die Regulierung eingreift, desto höher die ökonomische Anfälligkeit der Betriebe. Für Kulturen mit engen Margen oder spezialisierter Technik kann der Verlust einzelner Wirkstoffe schnell zur Frage der Wirtschaftlichkeit führen.
Bemerkenswert ist, dass bestimmte Wirkstoffverluste zu besonders gravierenden Ertrags- und Einkommensrückgängen führen können. Dann nämlich, wenn deren Substituierbarkeit eingeschränkt ist. Es gibt bereits zahlreiche Indikationen, zu denen nur noch wenige, bisweilen kaum noch drei Wirkstoffe wirken. Würden einzelne davon nun auch noch wegfallen, dann sind für einzelne Schadkomplexe keine wirksamen Alternativen mehr vorhanden. Der ökonomische Risikohebel ist dann bereits bei den ersten Verlusten von Wirkstoffen besonders groß.
Anpassungsstrategien: Zwischen Effizienz und Akzeptanz
Die Studie nennt mehrere Ansatzpunkte, wie Betriebe auf den Wirkstoffverlust reagieren können. Diese sind:
- Diversifizierung der Fruchtfolge, um Krankheitsdruck zu senken,
- Mechanisierung und Präzisionstechnik (z. B. Spot-Spraying, Robotik),
- integrierte Bekämpfungsstrategien mit biologischen Verfahren
- sowie eine intensivere Beratung zum integrierten Pflanzenschutz.
Allerdings bleibt die Wirtschaftlichkeit begrenzt. Höhere Arbeits- und Maschinenkosten verschieben die Kostenstruktur, ohne die Ertragslücke vollständig zu schließen. Für viele Betriebe ist das eine Gratwanderung zwischen Marktfähigkeit und Nachhaltigkeitsanforderungen.
Regulierung als Produktivitätstreiber oder Risiko?
Die Untersuchung macht deutlich: Der Verlust von Wirkstoffen ist nicht nur eine technische, sondern eine strategische Herausforderung für die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe. Während Politik und Gesellschaft höhere Umweltstandards fordern, wächst auf betrieblicher Ebene die Unsicherheit über Erträge, Kosten und Investitionssicherheit.
Wenn die Regulierung zu schnell greift, ohne ausreichende Innovationen und Alternativen bereitzustellen, drohen nicht nur wirtschaftliche Einbußen, sondern auch strukturelle Verschiebungen in der Produktion. Die Beispiele Christiansen und Plass zeigen eindrucksvoll, wie unterschiedlich Betriebe mit dieser Transformation umgehen.