CO2-Betäubung. Gibt es doch Alternativen?
Die Betäubung am Schlachthof mit Kohlendioxid wird aus Tierschutzgründen schon länger kritisch gesehen. Alternativen Gasen wie Argon wurde bisher ein negativer Einfluss auf die Fleischqualität nachgesagt. Eine aktuelle Untersuchung stellt das infrage.
Erst kürzlich haben Videoaufnahmen, die die Betäubung von Schlachtschweinen in einem niedersächsischen Schlachthof zeigen, für einen öffentlichen Aufschrei gesorgt. Bei der Betäubung mit CO2 werden die Schweine gruppenweise in Gondeln getrieben und mittels Paternoster anschließend in eine CO2-gefüllte Grube abgesenkt. Kohlendioxid verursacht bei den Tieren vor Eintreten der Bewusstlosigkeit Atemnot verbunden mit Abwehrreaktionen. Diese werden kritisch gesehen, obwohl das Verfahren auf der anderen Seite auch Vorteile hat, da der Zutrieb in der Gruppe für Schweine deutlich stressärmer ist.
Bisher keine Alternative
Bereits in der Vergangenheit wurden Alternativen zur Betäubung mit CO2 untersucht. Inertgase wie Helium, Argon oder Stickstoff kommen dafür grundsätzlich infrage. Sie sind sehr reaktionsträge und daher weniger reizend als CO2. Helium scheidet aufgrund einer sehr geringen Verfügbarkeit aus. Argon hatte bisher den Ruf, die Schlachtkörperqualität durch Einblutungen im Fleisch zu mindern. Bei Stickstoff standen technische Probleme im Weg. Da es eine nahezu identische spezifische Dichte wie Luft hat, ist die Separierung eines mit Stickstoff gefüllten Raums von der Außenluft sehr aufwendig.
Neue Untersuchungen
Das vom BMEL geförderte Projekt TIGER (Tierschutzgerechte Gasbetäubung von Schlachtschweinen im Dip-Lift- und Paternoster-System) hat neue Erkenntnisse geliefert, die dem bisherigen Wissensstand teilweise widersprechen. Es ist gelungen, die technischen Probleme mit Stickstoff zu lösen. Eine neu entwickelte Begasungstechnik ermöglicht, Argon und Stickstoff in praxisüblichen Gasbetäubungsanlagen nach dem Dip-Lift- (eine Gondel) und dem Paternoster-System (mehrere umlaufende Gondeln) einzusetzen. Der finanzielle Aufwand für die Nachrüstung der bestehenden Anlagen ist überschaubar.
Weniger Aversionsverhalten bei Inertgasen. Argon und Stickstoff als Gemisch oder auch jedes für sich verursachen weniger Aversität bis zum Verlust des Standvermögens (Eintritt der Bewusstlosigkeit) im Vergleich zu CO2 in hoher Konzentration. Das Resümee der Forscher ist, dass Inertgase daher unter Tierschutzaspekten besser zu bewerten sind. Bei der Betäubung mit Inertgasen geben die Schlachtschweine allerdings häufiger Lautäußerungen von sich als CO2-betäubte Tiere. Hierzu wie auch beim Aversionsverhalten halten die Forscher weitere Untersuchungen für notwendig. Denn bisher ist völlig unklar, welches Verhalten bewusst und welches bereits unbewusst gezeigt wird.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Untersuchung: Die notwendige Expositionszeit bei Verwendung von Inertgasen muss etwa 40 % länger sein als bei CO2. Nur dann fällt die Betäubung tief genug aus und hält lange genug an, sodass das Ausbluten fachgerecht erfolgen kann.
Fleischqualität
Der pH-Wert im Fleisch (pH45), ein Merkmal für Stress vor der Schlachtung, lag bei Argon und Stickstoff zwar etwas niedriger als in der CO2-Vergleichsgruppe, es gab aber keine Anzeichen von PSE-Fleisch. Ansonsten ließen sich weder in weiteren Fleischqualitätsparametern noch bei der sensorischen Untersuchung signifikante Unterschiede zwischen den Betäubungsvarianten feststellen.
Auch mit Blick auf die von der weiterverarbeitenden Industrie kritisch beäugten Einblutungen im Fleisch gab es keine Unterschiede zwischen den Gruppen. Allerdings konnten im Versuchsverlauf große Tagesunterschiede bei diesem Kriterium beobachtet werden. Diese werden von den Forschern mit der jeweiligen Lieferpartie in Verbindung gebracht und deuten möglicherweise auf einen genetischen Effekt hin. Erste genomische Untersuchungen auf eine Erblichkeit des Vorkommens von Blutpunkten im Fleisch gaben ebenfalls Hinweise in diese Richtung.