
Beregnung. Gemeinsam gegen die Dürre
Sich neue Wasserrechte zu sichern, ist fast unmöglich. 21 Landwirte im Rheinland haben es dennoch geschafft. Dank einer neuen Bewässerungsrichtlinie konnten sie den ersten Bewässserungsverband in Nordrhein-Westfalen gründen. Gemüsebauer Bernd Lemm ist einer der Initiatoren.
Im kleinen Örtchen Pütz bei Bedburg, 50 km westlich von Köln, strahlt am 24. März die Mittagssonne von einem wolkenlosen Himmel. Die Möhrendämme links und rechts der Straße sind sichtbar abgetrocknet. Viele Betriebe dort sind auf den Anbau von Frühkartoffeln und Speisemöhren spezialisiert. So auch Familie Lemm. In ihrer Fruchtfolge steht außerdem Getreide, und seit wenigen Tagen liegen auch die Zuckerrüben in der Erde. Nun warten Bernd Lemm und seine Söhne Florian und Fabian auf Regen. Wenn es gut läuft, kriegen sie davon übers Jahr verteilt zwischen 500 und 800 mm. Fällt zu wenig, droht den Speisemöhren und -kartoffeln Schorfbefall, und im schlechtesten Fall will sie der Lebensmitteleinzelhandel nicht mehr haben.
Geplante Wasserversorgung
Weil die Lemms die Wasserversorgung ihrer Bestände nicht mehr nur dem Zufall überlassen wollen, haben sie ihren neuen Düsenwagen bereits aus einer ihrer großen Hallen gezogen und studieren nun gemeinsam über den Küchentisch gebeugt zwei große Landkarten. Diese zeigen das 1 400 ha große Einzugsgebiet des noch sehr jungen Bewässerungsverbandes Bedburg-Pütz, darunter auch die Schläge der Lemms. Vater Bernd ist im Vorstand, und auch Sohn Florian engagiert sich im Verband.
Während die Männer über Wasserdruck und Beregnungsmenge diskutieren, zieht sich der Himmel immer weiter zu. Und als es am Nachmittag raus zum Fotografieren geht, fallen tatsächlich ein paar Regentropfen. »Das reicht bei Weitem nicht. Wir werden die Möhren auch in diesem Jahr wieder rausberegnen müssen«, kommentiert Bernd Lemm. Er ist staatlich geprüfter Landwirt, sein Sohn Florian staatlich geprüfter Argrarbetriebswirt, und Fabian hat Gemüsebau gelernt und just seinen Meister »in der Tasche«.
Möhren rauszuberegnen bedeute, mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Nach der Saat erfolgt die erste Beregnung mit rund 15 mm/ha. Diese Maßnahme regt sowohl die Möhren als auch die Unkräuter an, möglichst gleichmäßig zu keimen. Danach wird ein Vorauflaufherbizid appliziert, das bei optimaler Bodenfeuchte zudem gleichmäßiger und besser wirkt. »Auf diese Weise können wir komplett auf Nachauflaufherbizide verzichten, müssen uns weniger um Unverträglichkeiten oder Pflanzenschutzmittelrückstände sorgen und kommen in den Möhren mit nur einer Herbizidanwendung aus. Das spart bei 70 ha richtig viel Geld und wir stressen zudem die Kulturpflanze deutlich weniger«, zählt Florian auf.
Das sind auch die Hauptgründe für ihren neuen Düsenwagen. Der verteile wesentlich gleichmäßiger als die klassische Beregnungskanone, sei weniger windanfällig und deutlich effizienter. Er habe letztes Jahr mit einer Tagesleistung von 5 ha bereits das Doppelte einer Beregnungskanone geschafft, von der übrigens weiterhin drei in den Frühkartoffeln zum Einsatz kommen. Der neue Düsenwagen ist für die Möhren »reserviert«, mit denen die Lemms schließlich die meiste Wertschöpfung von der Fläche holen. »Ohne sie könnten wir uns die permanent steigenden Pachtpreise nicht mehr leisten. Die liegen derzeit bei 1 300 bis 1 400 €/ha«, betont Bernd Lemm. Aufgrund einer anhaltenden Frühjahrstrockenheit beregnete sein Vater im Jahr 2003 zum allerersten Mal seine Kartoffeln. »Damals noch mit Stadtwasser für 1,5 €/m3 und einer geliehenen Beregnungskanone, aber sonst wären uns die Frühkartoffeln eingegangen«, erinnert er sich. Das Beregnen war zu der Zeit in der Bedburg-Region ein Novum, und das ist es für die meisten heute noch. »Denn wir arbeiten eigentlich im gelobten Land auf sehr schweren Böden mit bis zu 98 Bodenpunkten. Da sollte man meinen, dass es ohne Beregnung geht. Aber das war einmal«, verdeutlicht Florian.
Diese Böden und die hohen Pachtpreise waren zehn Jahre später der Grund für den Einstieg in den Möhrenanbau und den nächsten Schritt in der Beregnung. »Unser großer Vorteil ist, dass wir dank unseres schweren löss- und lehmhaltigen Bodens Lagermöhren produzieren können. Die anhaftende Erde schützt sie vor Stoßflecken und Infektionen. Solche Möhren sind ohne Qualitätsverluste sehr lange lagerfähig und bieten dadurch eine sehr hohe Wertschöpfung. Der Möhrenverkauf hat gerade begonnen. Die Kilopreise ändern sich täglich – im Centbereich, aber da steckt für uns die meiste Musik drin«, berichtet Florian.
Bereits ein Jahr später, 2014, kämpften die Bedburger Landwirte erneut mit einer ausgeprägten Frühjahrstrockenheit. »Die Möhrensamen drohten, gar nicht erst zu keimen«, erinnert sich Bernd Lemm und berichtet weiter: »Damals konnten wir kostenlos Wasser aus dem Tagebau bekommen und dachten, eine gute Alternative zum Stadtwasser gefunden zu haben. Allerdings mussten wir es per Achse zum Feld bringen und in entsprechende Transport-, Lager- und Beregnungstechnik investieren.« Letztlich entpuppte sich dieser Weg als sehr aufwendig und teuer. »Wenn Sie mit 30 mm beregnen wollen, sind das 300 m3/ha bzw. 10 LKW. In der Beregnungszeit, die rund 18 Wochen dauert und in der diese Maschinerie quasi rund um die Uhr lief, waren wir kräftemäßig und auch finanziell regelmäßig am Limit«, verdeutlicht der Senior. Das Geld war schneller weg, als es wieder reinkam. Die Lemms waren damals die Ersten in der Region mit ihrer Beregnung und haben viel Lehrgeld bezahlt. Sie haben aber auch festgestellt, dass die Beregnung wirklich etwas bringt und sich bei Frühkartoffeln und vor allem Speisemöhren lohnt.
2018/ 2019 waren die nächsten Dürrejahre und ihr Landwirtschaftsministerium erließ die Bewässerungsrichtlinie 2019. Sie stellte eine Projektföderung von 70 % in Aussicht. »Das war damals der Startschuss für unsere Bemühungen um den allerersten Bewässerungsverband in Nordrhein-Westfalen«, berichtet Bernd Lemm stolz. Im vergangenen Jahr floss dann das erste »Verbandswasser« (s. Kasten).
Landwirte graben gemeinsam nach Wasser
Angesichts zunehmender Dürren und der durch den Braunkohletagebau Garzweiler verursachten Grundwasserabsenkung schlossen sich 2020 Bedburger Landwirte genossenschaftlich zusammen und gründeten den Bewässerungsverband Bedburg-Pütz.
Ihr gemeinsames Ziel: Grundwassergewinnung und der Bau eines Bewässerungssystems, um die Ernten zu sichern. Zu den 120 Verbandsmitgliedern gehören die Eigentümer der Flächen und 21 Landwirte, die diese bewirtschaften. Das Verbandsgebiet liegt im Rhein-Erft-Kreis und erstreckt sich über rund 1 400 ha von Kirchtroisdorf im Süden bis Gut Kaiskorb im Norden. Vier Jahre später sind sechs Tiefbrunnen bis auf 60 m abgeteuft, und rund 22 km Leitungen ziehen sich in drei Strängen unterirdisch durch das Gebiet und speisen 59 Hydranten. Weil das Grundwasser im Norden wegen des Tagebaus zu stark abgesenkt ist, liegen alle Brunnen im südlichen Teil. Das Bewässerungssystem hat das Potential, jährlich bis zu 2 400 ha landwirtschaftliche Fläche mit rund 1,5 Mio. m3 Wasser zu versorgen.
Das 8-Mio.-€-Projekt wurde bis zu 70 % von Land und Bund gefördert. Möglich machte dies die nach dem trockenen Sommer 2018 erlassene Bewässerungsrichtlinie NRW vom 14. März 2019. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Projekts wurde unter Einbindung der Landwirtschaftskammer geprüft. Sie hat in dem Zuge auch die Beregnungswürdigkeit der vorherrschenden Kulturen bewertet und die maximalen Beregnungsmengen festgelegt. Dabei ist auf diesen Böden die Beregnung von Getreide ausgeschlossen.
Die Landwirte melden jedes Jahr im Oktober ihre Beregnungspläne an. Für jeden angemeldeten Hektar erhält der Verband vom jeweiligen Mitglied einen Grundbetrag von 80 €/Jahr. Wasser, das entsprechend der Pläne entnommen wird, kostet 50 Cent/m3. Dazu ist jeder Hydrant mit einem Barcode gekennzeichnet und für die Fernauslese mit einem GPS-Empfänger ausgestattet. Sobald eines der insgesamt 15 Standrohre montiert und aufgedreht wird, werden die jeweiligen Brunnen automatisch aktiviert und es fließt Wasser.
Die eigentliche Bewährungsprobe für das neue Bewässerungssystem sei aber in diesem Jahr. »Schon bald wird sich zeigen, wie gut die Technik und vor allem die Abstimmung unter uns Landwirten funktioniert«, sagt er schmunzelnd. Jedes Jahr im Oktober melden alle 21 Landwirte ihre Flächen und Kulturen sowie die gewünschte Beregnungsintensität beim Verband an. Dieser steuert Entnahmemenge und -zeitpunkt zentral. Technisch funktioniere das zukünftig vollautomatisch. Zudem sei jeder Hydrant mit einem Zähler ausgestattet und auf 45 m3/h gedrosselt.
Die Lemms sind schon sehr gespannt auf die erste Beregnungssaison in der neuen Konstellation, auch weil die ein oder andere Frage noch offen ist. Fabian hält eine einzelne Düse hoch, die er zuvor aus einem der insgesamt 52 Sprinkler gedreht hat: »Davon haben wir drei unterschiedliche Typen, über die wir die Wassermenge steuern bzw. auf unterschiedliche Drücke reagieren können. Aber da müssen wir uns erstmal rantasten. Mit welchem Druck kommt das Wasser aus dem System, und welche Düse passt dazu? Sind später in der Bestandesführung wie bei der Kanone 30 mm die richtige Wassermenge, oder reichen vielleicht sogar 20 mm, um Verschlemmungen und Erosion zu vermeiden? Wie effizient erweist sich der Düsenwagen im Arbeitsablauf?«
Nach Bedarf beregnen. Aber eines wissen sie ganz genau: Angesichts steigender Pachtpreise und Qualitätsanforderungen sowie zunehmender Frühjahrstrockenheit können sie auf die Option, nach Bedarf zu beregnen, nicht mehr verzichten. »Nur so können wir unsere Ware zum richtigen Zeitpunkt in der gewünschten Qualität anbieten.«