
ASP. Noch längst nicht alles gut
Die ASP-Fallzahlen in Brandenburg und Sachsen sind deutlich zurückgegangen. Zaunbau und Wildschweinbejagung scheinen zu greifen. Aber den Preis für den Erfolg zahlen ausschließlich die Schweinehalter vor Ort und die betroffenen Bundesländer.

Die Zahl der ASP-positiven Wildschweine nimmt ab: 2021 wurden in Deutschland 2 715 Funde registriert, 2022 waren es 1 525 und 2023 noch 880 Fälle – der Trend ist ermutigend. Und so ist das Thema aus der öffentlichen sowie aus der brancheninternen Diskussion nahezu verschwunden. Dass es morgen schon wieder ganz anders aussehen kann, davon sind Schweinehalter aus den betroffenen Gebieten in Sachsen und Brandenburg überzeugt. Wir haben nachgefragt, wie die aktuelle Lage der Betriebe ist.
Brandenburg
Frank Tiggemann ist Jungsauenvermehrer und Mäster. Sein Betrieb liegt im Landkreis Märkisch-Oderland (Brandenburg) etwa 5 km von der Grenze zu Polen. Dort gilt aktuell die ASP-Sperrzone II. Nennenswerte Kapazitäten zur Schlachtung von Schweinen aus ASP-Gebieten gibt es nach wie vor nur am Tönnies-Standort in Kellinghusen. »Immerhin zahlt das Land Brandenburg seit Anfang 2023 einen finanziellen Ausgleich für die ASP-bedingten Mehrkosten der Schlachtung und des Transports nach Schleswig-Holstein. Dennoch bleibt ein finanzieller Nachteil von 3,50 € je Tier. Engpässe bei den Schlachtkapazitäten gibt es zum Glück nicht mehr,« so Tiggemann.
In der Jungsauenvermarktung musste Tiggemann einiges umstellen. Um liefern zu dürfen, ist viel zu tun: Monitoring mit Probennahme, Transportanmeldung und Genehmigung, etc. »Wir sind mittlerweile routiniert, dennoch macht es den Betrieb natürlich schwerfälliger.« Finanzielle Abschläge für Jungsauen aus der Sperrzone II sind aufgrund der hohen Nachfrage kein Thema. Bei den Biosicherheitsmaßnahmen, mit denen eine ASP-Einschleppung verhindert werden soll, setzt Tiggemann einen sehr hohen Standard um: Die Anlage ist doppelt eingezäunt, UV-Schleusen werden eingesetzt und es erfolgt eine komplette LKW-Zusatzdesinfektion.
Das zuständige Veterinäramt hat die Auflösung der Sperrzone II im April in Aussicht gestellt – wenn es bis dahin keine neuen Funde gibt. Der letzte Fall im Landkreis liegt jetzt schon etwa eineinhalb Jahren zurück. Laut EU-Verordnung wäre eine Aufhebung der Sperrung bereits vor sechs Monaten möglich gewesen.
Die Zäune entlang der Oder haben aus Tiggemanns Sicht durchaus etwas gebracht. Dennoch hält er die Situation für unsicher: »Gerade hier in der Grenzregion gibt es immer noch viel zu viele Wildschweine, der Bestand baut sich derzeit sogar wieder auf. Der Zaun an der Grenze ist zwar in der Regel dicht, aber Tore stehen nicht selten offen. Und in Polen ist die Lage nicht im Griff.« Auch private Kleinsthaltungen von Schweinen gibt es nach wie vor. Die geringe Biosicherheit dort erhöht die Gefahr eines Viruseintrags. Tiggemann hofft, dass die ASP-Gesetzgebung der EU irgendwann analog zur Geflügelpest geändert wird und es zu einem entspannteren Umgang mit der Seuche kommt. Die 90-Tage-Sperrfrist für einen Umkreis von 10 km im Fall eines ASP-Ausbruchs bei Hausschweinen ist aus seiner Sicht unverhältnismäßig. »Warum soll ich eine Sperre bekommen, nur weil ein Kleinsthalter in 5 km Entfernung hochgegangen ist?«
Doch dass sich daran bald etwas ändert, ist unwahrscheinlich. Die Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten ist aktuell nicht bereit, von den festgelegten Sperrfristen abzuweichen. Schließlich hat Deutschland selbst auf diese Fristen den allerhöchsten Wert gelegt – bevor die ASP ins Land kam.
Sachsen
Besserer Marktzugang gefordert. Auch Erik Thijssen, Ferkelerzeuger aus dem Landkreis Bautzen (Sachsen), ist der Meinung, dass nachweislich ASP-negative Betriebe in den Sperrgebieten einen gesicherten Marktzugang erhalten müssen. Dass es keine positiven Fälle in professionell geführten Hausschweinebeständen in Sachsen und Brandenburg gab, zeige doch, dass die Kontrollen und die Vorsorgemaßnahmen in den Betrieben funktionieren. Für einen verbesserten Marktzugang nähme Thijssen gerne in Kauf, dass Kontrollen und Monitorringvorgaben angezogen würden. »Das wäre für die Betriebe hier immer noch leichter zu schultern als mögliche Lieferstopps im Falle eines ASP-Ausbruchs bei Hausschweinen.«
Auch vor dem Hintergrund, dass Geld für den Tierwohlumbau von Deckzentrum und Abferkelstall in die Hand genommen werden muss, wäre das wichtig. »Ein Standort in einem ASP-Gebiet bedeutet ein noch höheres Risiko für eine solche Investition.«
Thijssen vermarktet den Großteil seiner Produktion als Mastläufer. Seit sich der Markt im Frühjahr 2023 gedreht hat, bekommt er die üblichen Zuschläge und der Betrieb konnte von den guten Preisen profitieren. Voraussetzung ist natürlich die Teilnahme am ASP-Monitoringprogramm. Als der Standort im Juni 2022 in die Sperrzone II fiel, sah das ganz anders aus. »Unser damaliger Vermarktungspartner hat die Lieferbeziehung von heute auf morgen gekündigt.« Der Basispreis für ein 25-kg-Ferkel lag zu der Zeit bei 40 € und die Schweinehalter hatten ein wirtschaftlich äußerst angespanntes Jahr 2021 hinter sich. »Einen neuen Abnehmer haben wir nur mit extremen Abschlägen auf den sowieso schon niedrigen Preis finden können. Da wir versichert sind, haben wir damit gerechnet, dafür einen Ausgleich zu bekommen. Aber bis heute hat die Versicherung nur teilweise gezahlt.«
Den Erfolg der Maßnahmen gegen die Ausbreitung der ASP erkennt Thijssen an: »Die Behörden leisten gute Arbeit und auch die Zusammenarbeit mit dem Veterinäramt bei der Abwicklung der Ferkeltransporte klappt gut. Aber der Zaun an der polnischen Grenze hätte schon viel früher gebaut werden müssen! Es war lange absehbar, dass sie Seuche aus Polen rüberschwappen würde.«
Anders als in Brandenburg erhalten die Schweinehalter in Sachsen bisher keinen finanziellen Ausgleich vom Land für die Mehrkosten des Transports zum Schlachthof nach Kellinghusen. »Wir fahren jetzt knapp 700 km statt vorher 200. Das ist ein Wettbewerbsnachteil von 15 € je Schwein. Darin enthalten sind noch nicht mal die
6 Ct/kg SG, die Tönnies für Tiere aus einem ASP-II-Sperrgebiet abzieht,« so Rico Krause, Geschäftsführer des Betriebs Gröbner, der in den Landkreisen Bautzen und Görlitz auf mehreren Standorten Ferkelerzeugung und Mast betreibt. Fast alle Anlagen liegen in der Sperrzone II.
Das ASP-Geschehen in Sachsen beschränkt sich mittlerweile auf den nördlichen Teil der Landkreise Bautzen und Görlitz an der Grenze zu Brandenburg. Das sind etwa 40 km bis zu den Gröbner-Standorten. Es gibt Pläne, die Restriktionsgebiete zu verkleinern. »Zumindest eine Mastanlage fiele dann aus dem Sperrgebiet heraus und wir könnten wieder frei nach Weißenfels vermarkten«, erläutert Krause. Derzeit ist es so, dass der Transport der Tiere zur Schlachtung sogar verplombt erfolgen muss. Ein Mitarbeiter der Veterinärbehörde muss also immer beim Verladen der Schlachtschweine vor Ort sein. Sehr optimistisch, dass sich daran bald etwas ändert, ist Krause nicht: »Die Wildschweinpopulation ist immer noch viel zu groß. Unserer Einschätzung nach werden wir noch mehrere Jahre von Sperrzonen betroffen sein, zumindest mit einem Teil unserer Standorte. Die Märkte sind aber aktuell positiv und deshalb können wir trotz allem weitermachen.« Und auch mittelfristig rechnet er mit auskömmlichen Schweinepreisen, da es in Teilen von Europa eher nach Bestandsabbau aussieht. Mit Spannung bleibt natürlich die weltweite Entwicklung abzuwarten.
Trotz allem soll investiert werden. Nicht zuletzt deshalb nimmt man bei Gröbner die anstehenden Investitionen ins Deckzentrum zur Umsetzung der Tierwohlvorgaben auch für die Sauenanlage im Sperrgebiet in den Blick. »Wir erreichen an diesem Standort wirklich super Leistungen und haben engagierte Mitarbeiter. Das gibt man nicht einfach so auf! Daher werden wir die Pläne für den Umbau des Deckzentrums einreichen. Wir haben den Standort noch nicht abgeschrieben,« so Krause.
»Eine solidarische Finanzierung fehlt«

Warum die ASP-Bekämpfung bei uns aktuell erfolgreich ist, was künftig nötig ist und wie der aktuelle Stand bezüglich eines Impfstoffs für Wildschweine ist, haben wir Sandra Blome gefragt.
Frau Dr. Blome, wie ist die derzeitige ASP-Lage in Deutschland?
Momentan haben wir kaum noch Fälle bei Wildschweinen. In Brandenburg konnten erste Kerngebiete aufgehoben werden. Vereinzelt treten noch Fälle in schwer zugänglichen Gebieten wie Mooren oder Feuchtgebieten auf. Bei Hausschweinen hatten wir lange keine Probleme mehr.
Welche Faktoren machen den Bekämpfungserfolg bei uns aus?
Die Maßnahmen waren deutlich erfolgreicher, als ich gedacht hätte. Denn es gibt keinen wildschweindichten Zaun. Aber Tiere, die nicht beunruhigt werden, hält man bereits durch eine einfache Litze auf. Das bestätigen Studien mit besenderten Wildschweinen. Zum Erfolg trägt aber auch die Krankheit selbst bei, indem sie die Anzahl der Tiere und so am Ende die Ausbreitung reduziert.
Wie sieht es auf der polnischen Seite aus?
Mir machen die jüngsten Funde infizierter Wildschweine nur wenige Hundert Meter entfernt von der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern Sorgen. Allerdings beobachten wir derzeit keine Neueinträge aus Polen. Wir können die Virusherkunft anhand von Analysen des viralen Genoms ganz gut nachvollziehen. Die wenigen neuen Fälle bei uns lassen sich auf regional bereits vorhandene Virusherkünfte zurückführen.
Wie lange müssen die derzeitigen Schutzmaßnahmen noch bleiben?
Die Barriere an der Grenze muss zur Absicherung definitiv länger bestehen. Zum Problem könnte allerdings die Finanzierung der Maßnahmen werden. Diese erfolgt einzig durch die betroffenen Bundesländer. Auf Ebene der Fachreferenten der Länder besteht durchaus die Einsicht, dass es im Interesse aller Bundesländer ist, die ASP am Durchlaufen gen Westen zu hindern. Es müsste also eine solidarische Finanzierung her. Da das aber rechtlich nicht vorgesehen ist, haben die zuständigen Haushälter diesen Ansatz abgelehnt. Auch Bundesmittel stehen nicht zur Verfügung.
Wie nah sind wir an einer Impfung für Wildschweine?
Es wird an vielversprechenden Lebendimpfstoffen für Wildschweine geforscht. In einem EU-Projekt, das vom FLI koordiniert wird, sollen drei Kandidaten intensiv geprüft werden. Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass es den perfekten Impfstoff nicht geben wird. Die Erfahrungen aus Asien zeigen, dass ein Restrisiko zu erkranken für tragende Tiere oder Tiere mit anderen Erkrankungen bestehen kann. Ob das ein K.O.-Kriterium sein muss – dem gilt es nachzugehen.