Bekämpfungsstrategie. Renaissance der Wurzelunkräuter
Winde, Schachtelhalm, Distel und Quecke werden zunehmend zum Problem. Man wird ihrer nur mit konsequenter Bekämpfung über mehrere Jahre Herr – sowohl mit ackerbaulichen als auch chemischen Maßnahmen, zeigt Frank Hahn.
Weil es im Ackerbau bei der Herbizidstrategie vor allem um die sichere Gräserbekämpfung geht, sind die dikotylen Unkräuter an die zweite Stelle gerückt. In den vergangenen sechs bis acht Jahren gab es auf vielen Flächen nach und nach immer mehr Wurzelunkräuter – an erster Stelle ist das die Distel, gefolgt von Quecke, Ackerwinde und Ackerschachtelhalm.
Was sind die Gründe?
Zunächst einmal sind die Behandlungen gegen Wurzelunkräuter in Summe weniger geworden. Dies lässt sich auch festmachen an den in Deutschland abgesetzten Mengen des Wirkstoffes MCPA, der vor allem zur Distelbekämpfung bei uns eingesetzt wird (Grafik unten). Ein weiterer zentraler Wirkstoff gegen Wurzelunkräuter auf der Stoppel ist Glyphosat. Auch hier zeigt die Trendlinie der abgesetzten Mengen einen Rückgang. Denn der Einsatz wurde durch verschärfte Auflagen stark eingeschränkt. Besonders das Verbot in Wasser- und Heilquellenschutzgebieten ermöglicht nicht mehr auf allen Flächen eine gezielte Bekämpfung von Wurzelunkräutern.
Zur Verschärfung der Situation hat auch die Verpflichtung zur Stilllegung von Ackerflächen im Rahmen der GAP beigetragen. Vielfach wurden die Flächen nicht gezielt eingesät, sondern der Selbstbegrünung überlassen. Dort konnten sich Unkräuter und Ungräser gut etablieren. Viele Samen bleiben auf der Fläche, aber es gibt auch welche mit guten Flugeigenschaften, z. B. die der Distel. Pro Pflanze kann sie 3 000 bis 5 000 Samen produzieren. Die meisten fallen im nahen Umkreis zu Boden. Die restlichen können dank ihrer Bauform als Haar- bzw. Schirmflieger aber mehrere 100 m weit fliegen. Bei guter Thermik sind es auch mehrere km. Im Boden sind sie dann mehr als 15 Jahre überlebensfähig. Sie besitzen aber nur eine vergleichsweise geringe Keimfähigkeit.
Daraus müsste man ableiten, dass man die Stilllegungsflächen/Brachen vor der Samenreife mulcht bzw. einen Pflegeschnitt durchführt. Mit der Novellierung der GAP ab 2023 und der Einführung von GLÖZ Nr. 8 (Betriebe mit mehr als 10 ha müssen mindestens 4 % der Ackerfläche stilllegen – bis auf Ausnahme) gilt aber:
- Eine jährliche Verpflichtung, wie Schlegeln, Mulchen etc., besteht nicht. Sie muss nur mindestens alle zwei Jahre erfolgen.
- Ab dem 15.08. des Jahres dürfen erst Flächen, die im Rahmen der GAP stillgelegt wurden, gepflegt werden.
Durch diese Regeln sind zum Pflegetermin die Samen oft schon ausgefallen und haben sich in der Gemarkung verteilt. Ab 2025 soll es die GLÖZ 8 »verpflichtende Stilllegung« nicht mehr geben. Mit der Ökoregel 1a bleibt die freiwillige Stilllegung aber attraktiv, da man für das erste Prozent der stillgelegten Ackerfläche voraussichtlich 1300 €/ha, für das zweite
500 €/ha und das dritte bis achte Prozent 300 €/ha erhält. Eine aktive Begrünung ist freiwillig. Um das Risiko der Verunkrautung zu minimieren, sollte man Brachen gezielt einsäen, und zwar mit mindestens fünf krautigen Pflanzen und maximal 25 % Gräsern.
Aber auch die Witterung bedingt die Zunahme von Wurzelunkräutern. So haben die trockenen, heißen Frühjahre und Sommer 2018, 2020 und 2022 günstige Voraussetzungen für die Winden geschaffen. Die Pfahlwurzel der Zaun- und Ackerwinde kann eine Tiefe von bis zu 2 m erreichen. Auch die horizontal verlaufenden Wurzeln liegen relativ tief, was sie sehr trockenresistent macht. Mit einer Pfahlwurzel von bis zu 3 m bei der Distel und von 2 m beim Ackerschachtelhalm können diese Arten auch unter trockenen Verhältnissen tieferliegende Wasserreserven erschließen. Die horizontalen Wurzelausläufer von Distel und Schachtelhalm verlaufen flacher als bei der Winde und reagieren daher etwas mehr auf Trockenheit. Am stärksten gilt das für die Quecke. Ihre Pfahlwurzel erreicht meist nur eine Tiefe von 1 m, und die horizontalen Wurzelausläufer befinden sich in einer Tiefe von 10 cm.
Sie kommen nicht in einem Jahr und gehen auch nicht in einem Jahr.
Aber auch feuchte Jahre sind günstig für Wurzelunkräuter. Die Herbste 2023 und 2024 brachten Strukturschäden im Boden und eine schlechte Wurzelentwicklung der Kulturen – das heißt konkurrenzschwache und/oder dünne Wintergetreide- und Rapsbestände. Wurzelunkräuter können sich dann durchsetzen. Denn Winde, Ackerschachtelhalm, Distel und Quecke sind sehr lichtbedürftig. Man findet sie oft in Reihenkulturen wie z. B. Zuckerrüben, aber eben auch in dünnen, lückigen Getreide- und Rapsbeständen.
Mit Verdichtungen und Schmierschichten haben Distel, Quecke und Winde keine Probleme. Vor allem der Schachtelhalm liebt schwere und staunasse Böden. Es muss daher das Ziel sein, nach der Ernte Strukturschäden durch den Einsatz z. B. eines Tiefenlockeres zu beseitigen.
Was die Nährstoffe angeht, bevorzugen Distel, Quecke und Winde wie die allermeisten Kulturpflanzen tiefgründige und nährstoffreiche Böden. Im Vergleich zu den Kulturpflanzen kommen sie aber mit knapperen Ressourcen besser zurecht. Der Ackerschachtelhalm profitiert sogar noch einmal davon, wenn der pH-Wert im sauren Milieu liegt. Daher sollten eine ausgewogene Nährstoffversorgung und eine bedarfsgerechte Düngung sowie Kalkung angestrebt werden.
Die Bodenbearbeitung ist sowohl die Ursache für das Auftreten als auch eine Lösung in der Bekämpfung der Wurzelunkräuter. Sie vermehren sich ja hauptsächlich durch ihre Rhizome. Die Rhizome einer etablierten Distel wachsen pro Jahr 4 bis 6 m, die einer Quecke bis zu 3 m. Wird ein Rhizom durchschnitten, stirbt die Pflanze nicht sofort ab. Bereits kurze Rhizomstücke reichen bei genügend Feuchte aus, eine neue Pflanze wachsen zu lassen. So kann ein 2,5 cm langes Rhizom der Distel aus einer Tiefe von bis zu 50 cm eine neue Pflanze hervorbringen. Auch aus einem 2 cm-Rhizom der Winde kann aus 20cm Tiefe eine neue Pflanze erwachsen. Auch das einmalige Durchschneiden der Pfahlwurzel lässt die Pflanze meist nicht absterben. Dank der darin eingelagerten Reservestoffe kann sie, so lange davon ausreichend vorhanden ist, immer wieder austreiben.
Wird bei der Bodenbearbeitung intensiv auf flacharbeitende und schneidende Arbeitsgeräte wie eine Kurzscheibenegge gesetzt, steigt die Vermehrungsrate. Die anlagernden Wurzeln/Rhizome an den Arbeitsgeräten wie Grubber oder Kreiselegge sorgen für eine Verschleppung und Ausbreitung. Regelmäßiges Säubern ist daher empfehlenswert.
Will man mechanisch den Wurzelunkräutern zu Leibe rücken, sollte man nach der Getreideernte eine flache Bodenbearbeitung in 5 bis 10 cm Tiefe durchführen. Am besten eignet sich ein Flügel-/Gänseschar, da der Boden mit dem Flachgrubber nicht gewendet wird. Danach empfiehlt es sich, zwei bis drei weitere Bearbeitungen durchzuführen. Die Bearbeitungstiefe sollte beim zweiten Mal auf 10 bis 15 cm und beim dritten Mal auf 15 bis 20 cm gesteigert werden. Ziel ist es dabei, die Pfahlwurzel auszuhungern. An der durchtrennten Stelle treibt die Pflanze aus und verbraucht ihre Reservestoffe. Diese Austriebsstellen müssen bei den nachfolgenden Bearbeitungsgängen unterfahren werden, sonst fördert es wiederum die Vermehrung. Unter trockenen Bedingungen können die oberflächlich abgelegten Rhizome vertrocknen. In einem feuchten Sommer oder Herbst kann es aber auch durch die Bearbeitung zu einer Vermehrung der abgeschnittenen Rhizome kommen.
Soll eine Sommerung als Folgefrucht angebaut werden, empfiehlt es sich, unmittelbar nach der dritten Bearbeitung für eine zügige Bedeckung des Bodens zu sorgen. Denn je weniger Licht auf den Boden trifft, desto schlechter können sich die Wurzelunkräuter etablieren. Eine Mischung wäre hier z. B. 80 kg/ha Sommerwicke +20 kg/ha Ölrettich + 2 kg/ha Sonnenblume.
Den Wurzelunkräutern chemisch Einhalt zu gebieten, ist genauso anspruchsvoll wie die mechanische Bekämpfung. Auf der Stoppel ist meist die Zeit (z. B. geplanter Zwischenfruchtanbau) knapp. Wird eine Stoppelanwendung angestrebt, ist ein mittlerer bis eher hoher Schnitt des Getreides günstig. Ein sehr sauberes Häckseln ist wichtig (alternativ Strohabfuhr). Und man sollte vor der Behandlung keine Bodenbearbeitung durchführen und auf eine Kalkung (Verschmutzung der Blätter) verzichten. Da Wurzelunkräuter meist nur am Rand oder in Nestern auftreten, ist oft nur eine teilflächenspezifische Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln notwendig.
Die Zaunwinde lässt sich auf der Stoppel bei einer Wuchslänge von (20-)50 cm mit 1,8 l/ha Starane XL/Pyrat XL oder 5,0 l/ha Kyleo (Kombination aus Glyphosat und 2,4 D) sehr gut bekämpfen. Auf eine gute Benetzung der Pflanzen ist zu achten (>300 l Wasser/ha + ggf. Netzmittel). Eine nachfolgende Bodenbearbeitung sollte erst durchgeführt werden, wenn die Winden braun bis schwarz sind. Das setzt meist eine Einwirkungszeit von 3 bis 6 Wochen voraus. In Getreide sind gute Leistungen nur mit Starane XL/Pyrat XL und in Mais mit Dicamba-Mitteln (z. B. Arrat) zu erzielen.
Die Gemeine Quecke ist auf der Stoppel nur mit glyphosathaltigen Mitteln sicher zu bekämpfen. Sie benötigt 3 bis 5 vollentwickelte Blätter. Die Wasseraufwandmenge sollte 200 l/ha nicht überschreiten. Um eine sichere Wirkung zu erzielen, sollte man die Aufwandmenge nicht reduzieren. Die Zugabe von 5 kg/ha SSA verbessert zusätzlich die Aufnahme und Wirkung. Je länger die Rhizome sind, desto länger ist die notwendige Einwirkdauer. Hier sind mindestens 14 bis 21 Tage zu kalkulieren.
In Getreide, Leguminosen, Raps und Zuckerrüben lässt sich die Gemeine Quecke nur unterdrücken. Das kann aber bei einem hohen Druck durchaus sinnvoll sein, da bei 100 Queckenähren/m2 schnell 15 % Kornertragsverluste entstehen. Die Quecke hat einen deutlich früheren Wachstumsbeginn als die Kulturpflanzen und kann zudem mit ihren allelopathisch wirkenden Inhaltsstoffen (Hydroxaminsäure) die Nachbarpflanzen im Wachstum hemmen. Eine gute Bekämpfung ist in Mais mit gräserwirksamen Sulfonylharnstoffen zu erzielen (z. B. Maister Power).
Der Ackerschachtelhalm lässt sich nur auf der Stoppel chemisch mit 5,0 l/ha Kyleo zufriedenstellend bekämpfen. Er sollte bei der Applikation 10 bis 20 cm groß sein. Eine Einwirkzeit von mindestens zwei bis drei Wochen sichert eine gute Verlagerung in die Wurzeln. Die Distel lässt sich auf der Stoppel am sichersten mit 5,0 l/ha Kyleo bekämpfen. Reine Glyphosatprodukte fallen in der Wirksamkeit ab. Die Pflanze sollte mindestens sechs Blätter (handtellergroß) gebildet haben. Maximal sollte sie etwa 20 cm hoch sein. Die Einwirkungszeit beträgt drei bis vier Wochen.
In Getreide, Raps, Rüben, Mais und bald wohl auch in Leguminosen ist eine Bekämpfung der Disteln möglich. Zuletzt waren die Erfolge jedoch meist unbefriedigend. Das lag zum einen an der Entwicklung der Distel: Sie war bereits zu groß oder hatte zu wenig Blattmasse, um den Wirkstoff aufzunehmen. Oder es waren die Anwendungsbedingungen: Sulfonylharnstoffe (Pointer SX, Dirigent SX, Biathlon u. a.) benötigen mindestens 60 % Luftfeuchtigkeit, und es sollte kein Wachstumsstress vorliegen. Wuchsstoffe (wie U46M, Lontrel, Mais Banvel) brauchen es leicht bedeckt, eine hohe Luftfeuchtigkeit (Waschküchenwetter) und im Idealfall um die 20 °C. Auch eine sehr stark ausgeprägte Wachsschicht erschwert die Aufnahme.
Häufig werden auch das Samenpotential und die Regenerationsfähigkeit der Wurzel unterschätzt: Besonders im Getreide werden etablierte Distelnester nach der Behandlung braun und gehen im Wuchs zurück. Kommt man nach ein paar Wochen wieder, findet man »plötzlich« wieder Disteln vor. So wurden bei Untersuchungen der Bioforschung Austria in Distelnestern bis zu 92 Triebe/m2 ermittelt bzw. eine Wurzelmasse von bis zu 82 t/ha. Solche Distelnester können 4 bis 6 m pro Jahr wachsen! Das erklärt, warum unter solchen Bedingungen z .B. im Winterweizen eine erste Behandlung ab Mitte bis Ende der Bestockung mit einem Sulfonylharnstoff erfolgen muss und eine zweite in BBCH 37 mit einem Wuchsstoff.
Eine Übersicht, welche Mittel in den Kulturen eingesetzt werden können, finden Sie hier.