Zucht. Mehr Milch aus weniger Futter
Noch ein neuer Zuchtwert, muss das sein? Ja, denn eine höhere Futtereffizienz bringt den Betrieben bares Geld. Sie können dadurch Futterkosten sparen und die CO2-Emissionen senken. Bis zu einer Integration des RZFutterEffizienz in den Gesamtzuchtwert wird es allerdings noch dauern.
Eine Steigerung der Futtereffizienz spart nicht nur Futterkosten, sondern reduziert auch die Güllemenge und senkt die CO2-Emissionen pro kg Milch. Mit der April-Zuchtwertschätzung wird der Zuchtwert Futtereffizienz (RZFutterEffizienz) nun auch in Deutschland ausgewiesen. Wir haben mit Dr. Stefan Rensing von Vereinigte Informationssysteme Tierhaltung (vit) darüber gesprochen, was der Zuchtwert erfasst und welche Vorteile die Betriebe haben, wenn sie ihn bei der Bullenauswahl einbeziehen.
Herr Dr. Rensing, was beinhaltet der neue Zuchtwert auf Futtereffizienz?
Der Zuchtwert RZFutterEffizienz beschreibt, wie viel weniger oder mehr Futter (kg Trockensubstanz) eine Kuh für ihre produktive Leistung im Vergleich zu der Erwartung frisst. Im Englischen wird der so definierte Zuchtwert daher meist als »Feed Saved« bezeichnet. Dabei ist die produktive Leistung nicht nur die Milchleistung als ECM (energiekorrigierte Milch), sondern auch der Körperzuwachs, der am Ende als Schlachtkörper auch Einnahmen generiert. Der RZFutterEffizienz bezieht sich auf den Durchschnitt von drei Laktationen und repräsentiert daher das produktive Leben der Kuh.
Andere Länder haben bereits Futtereffizienzzuchtwerte. Was sind die Gründe, warum Deutschland erst jetzt nachzieht?
Die anfänglichen Futtereffizienz-Zuchtwerte z. B. in den Niederlanden, den USA oder Dänemark beruhten im Wesentlichen nur auf den Unterschieden im Erhaltungsbedarf, also dem Gewicht. Denn es lagen zu dieser Zeit noch keine oder nur sehr wenige Daten zur individuellen Futteraufnahme vor. Und das Gewicht wurde meistens nicht tatsächlich gemessen, sondern über die Korrelationen zu den linearen Körpermerkmalen nur abgeschätzt.
Ist die benötigte Datengrundlage mittlerweile ausreichend vorhanden?
Eine Datengrundlage für aussagekräftige Zuchtwerte zur tatsächlichen individuellen Futtereffizienz von Kühen liegt erst seit letztem Jahr vor. Sie basiert auf einem Austausch und damit einem gemeinsamen Datenpool der USA, Deutschland, Kanada, Dänemark, Schweiz, Spanien und Australien. So kommen die Daten von etwa 15 000 Holsteinkühen (ohne Australien) zusammen. Dafür wurden überwiegend täglich die Futteraufnahme sowie gleichzeitig die Milchmenge, die Inhaltsstoffe und das Gewicht in Herden von Versuchsbetrieben mit Futterwiegetrögen gemessen. Die Daten dieser 15 000 Kühe decken nicht nur die erste Laktation gut ab, sondern auch die höheren. Die Zahl der Tiere mit Daten zur tatsächlichen individuellen Futtereffizienz ist im Vergleich zu anderen Merkmalen nicht sehr hoch, aber die international größte verfügbare Lernstichprobe. Da die beteiligten Merkmale Trockensubstanzaufnahme, ECM und Gewicht alle drei relativ hoch erblich sind, werden mit Hilfe des sogenannten Single-Step-Verfahrens Sicherheiten der genomischen Zuchtwerte für den RZFutterEffizienz von gut 40 % erreicht.
Was ist das Single-Step-Verfahren?
Das Single-Step-Verfahren ist eine innovative Schätzmethodik, um Zuchtwerte gleichzeitig und unter gegenseitiger Berücksichtigung von sowohl klassischen phänotypischen Daten als auch genomischen Daten (SNP) zu ermitteln. Bisher sind genomisch unterstützte Zuchtwerte eine Zusammenrechnung getrennt geschätzter klassischer Zuchtwerte und direkter genomischer Zuchtwerte. Das Single-Step-Verfahren schätzt direkt einen auf allen Informationen beruhenden genomischen Zuchtwert.
Bei der gegebenen Datenverteilung für die Futtereffizienzmessungen mit Werten von nur 15 000 Kühen, aber 1,5 Mio. typisierten Tieren, für die genomische Zuchtwerte geschätzt werden, eignet sich das Single-Step-Verfahren besonders gut. Denn es verwendet die vorhandenen Daten effektiver und erreicht eine höhere Sicherheit der genomischen Zuchtwerte.
Für Futtereffizienz haben praktisch auch alle sicher für Milch töchtergeprüften Bullen nur einen genomischen RZFutterEffizienz. Denn nur wenige Bullen haben nur zufällig einzelne Töchter auf (deutschen) Versuchsstationen stehen.
Mit welchen Zuchtzielmerkmalen hängt der RZFutterEffizienz zusammen?
Das ist vielleicht etwas überraschend: Die Futtereffizienz hat praktisch keine Korrelation zu den bisherigen Zuchtzielmerkmalen und damit auch nicht zum Gesamtzuchtwert RZG und zum Ökonomiezuchtwert RZ€. Die erfolgreiche Zucht auf immer höhere Leistungen hat zwar zu deutlicher Output-Steigerung (mehr Milch, aber auch höheres Gewicht) geführt, aber offensichtlich ist der bisher nicht betrachtete Input, die Futteraufnahme, proportional genauso gestiegen. So ist die Futtereffizienz trotz der höheren absoluten Milchleistung etwa gleich geblieben. Nur zu den Körpermerkmalen gibt es leicht bis moderat negative Korrelationen. Die höhere absolute Leistung wurde teilweise über immer schwerere Kühe erreicht, die im Mittel mehr leisten, aber dafür einen überproportional hohen Energiebedarf für Erhaltung haben.
Welchen Effekt hat ein Selektieren auf Futtereffizienz innerhalb der besten RZG-Bullen?
Effiziente und weniger futtereffiziente Kühe unterscheiden sich praktisch nicht im Milchleistungsniveau und auch nicht im Körperzuwachs (effiziente Tiere sind aber insgesamt etwas leichter). Sie fressen aber für diese gleiche Leistung wesentlich weniger.
Dies gilt auch innerhalb der besten Bullen nach RZG, d. h. die futtereffizienten unterscheiden sich in der Milchleistung und den anderen Merkmalen im RZG/RZ€ nicht von den weniger effizienten Bullen, aber ihre Töchter fressen für die gleiche Leistung deutlich weniger. Innerhalb der besten Bullen nach RZG finden sich einige mit Unterschieden von zwei Standardabweichungen für RZFutterEffizienz (88 bis 112). Ihre Töchter werden sich also um eine Standardabweichung (oder 12 Punkte) für Futtereffizienz unterscheiden. Und dies entspricht etwa 247 kg Trockensubstanzaufnahme je Laktation oder 3,5 % der Gesamt-Futteraufnahme.
Wann wird der Zuchtwert Futtereffizienz im Holsteinzuchtziel berücksichtigt?
Die Zusammensetzung der Gesamtzuchtwerte für Holstein obliegt dem Bundesverband Rind und Schwein (BRS) als Dachverband der Zuchtorganisationen. Dieser hat beschlossen, den RZFutterEffizienz zunächst alleinstehend zu veröffentlichen. Über eine Integration in die RZG bzw. RZ€ wird nach einiger Zeit des Sammelns von Erfahrungen durch die Praxis und in den Organisationen entschieden, also vermutlich erst 2025.
Wann wird er auf andere Rassen ausgeweitet?
Für die kleineren Milch-Zuchtwertschätzungsrassen bei vit (Angler, Rotbunt Doppelnutzung, Deutsches Schwarzbuntes Niederungsrind, Jersey) gibt es aktuell – ähnlich wie für eine genomische Zuchtwertschätzung – leider keine Perspektive, da nicht genügend Daten vorliegen.
Auch für Fleckvieh als größte Zweinutzungsrasse gibt es aktuell keine konkrete Planung für einen Zuchtwert Futtereffizienz. Zwar gibt es für Fleckviehkühe Futteraufnahmedaten aus süddeutschen Versuchsbetrieben (und vermutlich auch einige aus Österreich), diese sind aber vom Umfang her deutlich kleiner als für die aktuell 2 500 Holsteinkühe aus Deutschland und es fehlen weitere potente Partner für einen internationalen Austausch.