Pflanzenschutzzulassung. »Ich bin optimistisch«
Seit Januar 2025 leitet Thomas Schneider die Abteilung Pflanzenschutzmittel im Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Wie will er die Zulassungsverfahren im Pflanzenschutz effizienter gestalten?
Herr Dr. Schneider, welche Erfahrungen bringen Sie für die neue Aufgabe mit?
Ich bin studierter Tierarzt, habe zunächst in der Industrie und später in verschiedenen Funktionen im Bundeslandwirtschaftsministerium gearbeitet – von der Zulassung von Tierimpfstoffen und Tierarzneimitteln über die Tierzucht, Tierhaltung und Technik bis hin zu Precision Farming. Achteinhalb Jahre war ich im BMEL zuständig für Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln. Ich kenne die Prozesse, bin gut vernetzt und sehe durchaus, wo es hakt.
Wo hakt es denn am meisten?
Die Prozesse in der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln sind sehr komplex, teilweise zu lang und sehr aufwendig in der Abstimmung. Das betrifft sowohl das europäische Wirkstoffgenehmigungsverfahren als auch unsere nationale Produktzulassung. Das BVL ist die Risikomanagementbehörde. Die Anforderungen an Daten und Prozesse sind in den letzten Jahren stetig gewachsen, die Bearbeitungskapazitäten aber nicht im selben Maße mit. Zugleich müssen wir auf »aggressive« oder veränderte Schadorganismen wie die Schilf-Glasflügelzikade flexibel reagieren.
Und auf EU-Ebene droht Verschärfung.
So ist es. Eine neue CLP-Verordnung ist bereits in Abstimmung – mit möglichen zusätzlichen Cut-off-Kriterien und potenziellen Wirkstoffverlusten. Auch ein umfassendes PFAS-Verbot steht im Raum, was Verfügbarkeit und Wirkstoffvielfalt beeinträchtigen könnte.
Wie wollen sie die Abläufe optimieren?
Als BVL haben wir im nationalen Verfahren natürlich den größten Handlungsspielraum. Wir wollen Bearbeitungszeiten verkürzen, indem wir Prozesse intern optimieren, Doppelarbeiten vermeiden und vor allem enger mit den Bewertungsbehörden BfR, JKI und UBA zusammenarbeiten.
Was können Sie neben einer besseren Zusammenarbeit noch beeinflussen?
Klar definierte Mindeststandards bei den Anwendungsbestimmungen – z. B. abdriftmindernde Düsen, die vielfach bereits gängige Praxis sind – könnten die Risikobewertung deutlich entlasten und gleichzeitig das Schutzniveau sichern. Wir müssten Anwendungstechnik unterhalb dieses Standards nicht mehr berücksichtigen.
Und auf EU-Ebene?
Dort ist Deutschland aktuell leider nicht mehr bevorzugter Bericht erstattender Mitgliedstaat. Das möchte ich ändern. Wenn wir häufiger als Rapporteur für neue Wirkstoffe auftreten, gewinnen wir Einfluss und können die nationale Zulassung auf dieser Grundlage beschleunigen. Gerade für innovative Technologien wie z. B. RNA-Interferenzprodukte (RNAi) ist das von großer Bedeutung.
Was sind das für Produkte?
RNAi ist eine biologische Methode, die eine ähnliche Grundlage hat wie die Corona-Impfung. Die RNAi können im Pflanzenschutz als neue, hochspezifische Wirkstoffklasse eingesetzt werden. Sie greift gezielt in den Stoffwechsel einzelner Schädlinge ein, ohne klassische chemisch-synthetische Wirkstoffe zu benötigen und ohne großartige Nebenwirkungen. Es gibt erste EU-Anträge, in den USA sind solche Produkte aber bereits zugelassen – die übrigens wesentlich auf deutscher Forschung basieren. Ich sehe hier großes Potential für einen zukünftig noch umweltverträglicheren Pflanzenschutz.
Kritiker sagen, die Prozesse seien zu langsam, gerade bei Innovationen.
Da bin ich ganz bei den Kritikern. Bis wir das erste RNAi-Produkt auf dem Markt haben, wird voraussichtlich noch ein Jahrzehnt vergehen. Genauso fehlt uns die rechtliche Grundlage für den umfangreichereren Einsatz von Applikationsdrohnen.
Wir brauchen neue Denkweisen im System, die innovationsfreundlicher sind und Technologien wie Spot-Spraying und Precision Farming viel stärker berücksichtigen – nicht nur in der Praxis, sondern schon im Zulassungsverfahren. Moderne Anwendungstechniken, mit denen Wirkstoffapplikationen präzise und minimal erfolgen, können gewährleisten, dass Pflanzenschutzeinträge, z. B. ins Grundwasser, unterhalb kritischer Schwellenwerte bleiben und so die Zulassungsfähigkeit trotz strenger Kriterien sichern.
Experten auf EU-Ebene arbeiten bereits an einer Empfehlung zur Integration dieser Technologien in die Risikobewertung. Ich bin stolz, dass Deutschland hier den Vorsitz innehat.
Gegen die Schilfglasflügelzikade haben Sie kürzlich Notfallzulassungen erteilt. Ist das effizient?
In betroffenen Regionen haben wir Notfallzulassungen für bestimmte Insektizide in Zuckerrüben und Kartoffeln erteilt – immer unter Auflagen und nur nach Warnaufruf durch die Pflanzenschutzdienste. Notfallzulassungen sind durchaus effizient, sowohl im Hinblick auf das Notfallzulassungsverfahren als auch für die Bekämpfungspraxis. Aber sie sind keine Dauerlösung.
Was wünschen Sie sich von der neuen Regierung?
Erstens Änderungen im europäischen Pflanzenschutzrecht, um moderne Verfahren besser integrieren zu können. Zweitens nationale Anpassungen im Pflanzenschutzgesetz und der Anwendungsverordnung – z. B. zur Festlegung technischer Mindeststandards.
Ein letztes Wort an die Landwirte?
Ich weiß, dass die Zulassungsverfahren oft zu lange dauern, die Herausforderungen auf dem Acker steigen und sich Investitionen lohnen müssen – das gilt übrigens auch für die Industrie – aber ich bin überzeugt: Mit einer Versachlichung der Debatte und einer lösungsorientierten, engen Zusammenarbeit von Politik, Behörden, Wissenschaft und Agrarbranche können wir einen produktiven und nachhaltigen Pflanzenschutz schaffen.