
Fungizidwirkstoffe. Noch mehr Resistenzen
Ob sich das Pilzjahr 2024 wiederholt? Sicher ist, dass es weniger Wirkstoffe gibt und die Resistenzen weiter zunehmen. Marc Fricke-Müller und Ruben Gödecke stellen Strategien vor.
Das Jahr 2024 war ein Härtetest der besonderen Art für Fungizide und Sorten – Septoria, Ramularia und auch Roste traten so intensiv auf wie lange nicht mehr. Sowohl die Temperaturen als auch Niederschläge waren überdurchschnittlich hoch, oft gepaart mit einer hohen Sonnenscheindauer ab Ende Mai/Anfang Juni, insgesamt ein idealer Nährboden für die pilzlichen Erreger. Nicht nur die Häufigkeit der Pflanzenkrankheiten, auch ihre Stärke hat uns die Grenzen unseres Anbausystems definitiv vor Augen geführt.
Erneute Bewertung alter Wirkstoffe
Bei der erneuten Bewertung alter Wirkstoffe sind durch schärfere Kriterien zahlreiche Fungizidwirkstoffe weggefallen. Einen aktuellen Überblick über die derzeit am Markt verfügbaren Wirkstoffklassen finden Sie unter hier. 2025 neu zugelassen sind Xenial und Navura. Mit Xenial, einer Kombination aus den Wirkstoffen des Balaya und Flexity, tritt die BASF wieder in die Fußstapfen des gerne verwendeten Capalo und präsentiert im T1-Segment eine Lösung für fast alles mit 1,25 – 1,5 l/ha. Mit Navura wird das ehemalige Osiris-Segment T3 mit Schwerpunkt Ährenfusariosen (1,5 l/ha) angegangen, die sehr gute Formulierung lässt ähnlich hohe Wirkungsgrade erwarten. Im Avastel-Pack der ADAMA wurde das Prothioconazol ausgetauscht und heißt nun Soratel. Es wird weiter mit Pioli (Wirkstoff Fluxapyroxad) in den bekannten Aufwandmengen von 1,5 l Pioli + 0,75 l Soratel verwendet.
Ergebnisse aus der Wintergerste 2024 – Problem Ramularia
Dass Ramularia schwer zu kontrollieren ist, liegt zum einem am Wegfall von Chlorthalonil vor einigen Jahren, aber auch an der Komplexität des Erregers. In Süddeutschland wurden Ramularia-Isolate identifiziert, die von der Wirkstoffgruppe der Carboxamide nicht mehr vollständig erfasst werden. Mittlerweile zeigen Isolate dort eine disruptive (qualitative, vollständige) Resistenz gegenüber
allen Azolen. Damit hat auch das bisher relativ gut wirksame Prothiconazol dort seine Wirksamkeit gegenüber Ramularia komplett eingebüßt. Hessische Pflanzenschutzversuche sind damit vergleichbar: Bereits einmalige Applikationen von Carboxamiden selektieren
hochresistente Ramularia-Isolate aus der Population heraus, im Gegensatz zur unbehandelten Population. Der einzig verfügbare Wirkstoff ohne Resistenzgefahr ist das Kontaktfungizid Folpan 500. Erlaubt ist ein Einsatz von 1,5 l/ha in Winter- und Sommergerste mit zwei Anwendungen von EC 30 – 59. Besonders in Kombination mit einem Produkt wie Balaya mit 1,5 l/ha scheint es sehr vielversprechend, was die Ergebnisse 2024 bestätigen konnten und wir es deshalb in unsere Empfehlungen aufgenommen haben.
Ergebnisse aus dem Winterweizen 2024 – Problem Septoria
Die Schwierigkeit der Bekämpfung von Septoria wurde 2024 wieder deutlich, nachdem das zumindest in der Mitte Deutschlands in den letzten Jahren kaum ein Thema war. Die Wirksamkeit unserer Fungizide reicht in einem solchen Jahr nur aus, wenn Applikationstermine gut getroffen werden und auch die Sorte ihren Beitrag leistet. Aktuell ist nicht davon auszugehen, dass mit neuen Produkten der große Durchbruch in der Krankheitsbekämpfung erzielt werden kann. Zur Überprüfung unserer langjährigen hessischen Empfehlungen wurde 2024 am Standort Marburg/Rauischholzhausen ein Sorten- und Fungizidvergleich angelegt, in dem die anfällige, aber hochertragreiche Sorte KWS Donovan der gesünderen Sorte SU Jonte gegenübergestellt wurde. Parallel dazu wurden extensive und intensive Fungizidvarianten getestet, wobei hier besonderer Wert auf den Vergleich von Fungiziden namhafter Hersteller mit Generikaanbietern gelegt wurde. Es konnte ein deutlicher Sorteneffekt festgestellt werden: KWS Donovan erreicht seinen Maximalertrag nur bei voller Fungizidintensität, für SU Jonte galt dies bereits bei einer Einmalanwendung. Unter massivem Befallsdruck wie 2024 zeigten in diesem Versuch das erste Mal die Qualitätsprodukte ihren Vorteil gegenüber den Generikaprodukten.
Resistenzentwicklung
Schon seit Jahren wird darüber gesprochen, dass die aktuellen Wirkstoffe »geschützt« werden müssen. Die günstige Preiskonstellation bei vielen Solo-Prothiconazolprodukten und das starke Krankheitsauftreten haben zuletzt zu einem fast inflationären Einsatz eben dieser geführt. Prothioconazol ist ein entscheidender Baustein unseres Fungizidmanagements im Winterweizen. Um ihn möglichst nur einmal einzusetzen, muss man sich im Vorfeld überlegen, wann und mit welcher Sorten-Standort-Vorfrucht-Kombination er die meiste Wirkung entfaltet. Beim Maisweizen ist dies die Fusarium-Behandlung, da es hier wenig ähnlich wirkungsvolle Alternativen gibt. Sie sollte mit hochwertigen Präparaten wie Prosaro, Navura oder einer Prothioconazol + Tebuconazol-Mischung durchgeführt werden. Bei geringerem Fusariumrisiko durch andere Vorfrüchte und gesunde Sorten reicht wahrscheinlich auch der Einsatz von Magnello. Die Sorte ist entscheidend für den Gehalt von Mykotoxinen und kann den DON-Gehalt um bis zu 25 % je BSA-Note beeinflussen. Der Grenzwert für den DON-Gehalt ist im vergangenen Jahr herabgesetzt worden, daher ist jetzt noch mehr Vorsicht geboten. Zur späten Bekämpfung von Rosten reicht Folicur oder Soleil meist aus. Bei der Planung der Fahnenblattbehandlung sollten Sie unbedingt eine potentielle Vorlage und/oder eine notwendige Fusariumbehandlung berücksichtigen!
Ist eine Vorlage/Nachlage mit prothioconazolhaltigen Produkten geplant bzw. wurde bereits durchgeführt, sind die Möglichkeiten rar. Spielt Septoria auch 2025 eine Rolle, steht der Praxis mit Revytrex + Comet eine wirkungssichere Kombination zur Verfügung. Im Falle eines eher rostlastigen Jahres können anfällige Sorten auch mit Vastimo (Metconazol+ Fluxapyroxad) geschützt werden.
Wenn wegen einer gesunden Sorte oder geringem Krankheitsvorkommen bis dato keine Vorlage nötig war und auch keine
Fusariumbehandlung mit Prothiconazol geplant ist, können zum T2-Termin (Fahnenblattbehandlung) Produkte mit Prothioconazol
platziert werden. Bei starken Niederschlägen, mit einhergehender Gefahr für Septoria, bietet sich Univoq an (erst ab EC 41) – Schneeschimmel wird zum Teil mit erfasst – oder Ascra Xpro mit mehr Mehltau-Wirkung. Mit etwas schwächerer Septoria-, aber besserer Rost-Wirkung wäre hier auch ein Avastel-Pack möglich. Sofern keine Vorlage mit Revysol-Produkten erfolgte und keine Navura-Nachlage geplant ist, kann zum T2-Termin bei stärkerem Septoriabefall eine Behandlung mit Revytrex + Comet durchgeführt werden.
Die Vorlage von Fungiziden darf keine Standardmaßnahme sein. Eher sollten Sie versuchen, mit allen pflanzenbaulichen Mittel wie Vorfrucht, Sorte etc. das Befallsrisiko zu reduzieren. Erfordert ein hoher Pilzdruck eine frühe Behandlung, bietet sich bei starkem und frühem Septoria-Befall eine Vorbehandlung mit Balaya an, Rost wird mit erfasst. Bei einem großen Risiko für Halmbruch und Roste ist Unix + Tebucur 250 EW empfehlenswert. Bei einer Erreger-Kombination für Halmbruch und Septoria bieten sich Input Triple bzw. Input Classic an. Um Weizen einen längeren Schutz gegen Septoria zu bieten, kann man Folpan 500SC ergänzen. Der Einsatz eines Kontaktwirkstoffes ist ein effektiver Baustein im Resistenzmanagement (Mischbarkeiten müssen beachtet werden).
Vorsicht Halmbruch
Die Zeiten, in denen Triticale als extensiv zu führendes Getreide angebaut wurde, sind leider vorbei. Auch hier haben sich die Schaderreger angepasst und müssen entsprechend behandelt werden. Besonders Gelbrost kann einen Einsatz schon zu Schossbeginn nötig machen. Preisgünstige Tebuconazol-Produkte wie Orius haben nur eine Braunrost-Zulassung (Achtung: Tebucur hat gar keine Rost-Zulassung). Was Halmbruch betrifft, gilt Triticale als sehr anfällig. Halmbruch spielt eine Rolle, wenn nach Getreidevorfrucht und früher Aussaat ein feuchtwarmer Herbst und ein mildes, nasses Frühjahr folgt. Hier kann Cyprodinil (Unix 0,75 kg/ha) eingesetzt werden. Tritt Halmbruch zusammen mit Gelbrost auf, können Unix 0,5 – 0,7 kg/ha und Orius 0,5 – 0,7 l/ha kombiniert werden. Die Mehltauanfälligkeit neuerer Sorten ist nicht mehr so hoch wie die manch älterer Sorten. Ab Mitte Schossen nimmt das Braunrostrisiko bei trocken-warmem Wetter zu und kann bis nach der Blüte bestehen bleiben. Vor allem in einer feuchten Witterungsphase mit Temperaturen über 18 °C steigt, je nach Vorfrucht, die Gefahr von Fusariuminfektionen (die Grafiken zur Fungizidstrategie für Wintertriticale und auch für Winterroggen finden Sie hier).
Schlussfolgerungen
Die Witterung wird entscheiden, welche Schaderreger sich in diesem Jahr durchsetzen. Sie sollten besonders in den kommenden Wochen ihre Pflanzenbestände gut im Auge behalten. Fruchtfolge, Bodenbearbeitung und Strohmanagement, Aussaattermin, Düngung, Sorten und die Wirksamkeit der Fungizide ergeben das betriebseigene Risiko. Die Chemie kann noch einiges auffangen, aber die Grundregeln des Integrierten Pflanzenschutzes müssen mehr denn je beachtet werden. Die Nutzung aller ackerbaulicher Maßnahmen bietet nicht nur Potentiale, Pflanzenschutzmittel oder Geld zu sparen, sondern reduziert zugleich die Gefahr von
Resistenzentwicklungen bei den knapper werdenden fungiziden Wirkstoffen.