Die Folgen eines Verzichtes
Glyphosat ist ein fester Bestandteil bei Mulch- und Direktsaatverfahren. Welche Auswirkungen auf Bodenfruchtbarkeit, Humushaushalt, Unkrautregulierung und Bewirtschaftungskosten ein Verbot des Herbizids hätte, zeigt Joachim Brunotte.
Die Bodenfruchtbarkeit kann man nicht losgelöst von den Standortbedingungen wie Bodenart, Niederschlägen, Hangcharakteristik etc. betrachten. Sie bestimmen die Nutzungsart und die Leistungsfähigkeit von Filter- und Pufferfunktionen, biologischer Aktivität und
schließlich das Ertragspotential. Bei der Bewirtschaftung kommt es darauf an, Faktoren zu stärken, die die Bodenfruchtbarkeit fördern und unerwünschte Effekte wie Erosion und Verdichtungen vermeiden. Erosion gefährdet die Bodenfunktionen und somit die natürliche Bodenfruchtbarkeit massiv. Die Bodenabträge in Deutschland werden auf 4,3 t/ha pro Jahr geschätzt – bei Einzelereignissen liegen sie sogar über 30 t/ha/Jahr. Dem gegenüber beträgt die Bodenneubildungsrate nur 0,3 bis 1,4 t/ha pro Jahr. Demzufolge sind Bewirtschaftungsstrategien erforderlich, die Bodenerosion
effektiv mindern.
Vermeidungsstrategien zur Bodenerosion – Entwicklung seit 1980. Wassererosion auf Ackerflächen wird durch eine möglichst dauerhafte Bedeckung sowie eine stabile Bodenstruktur vermindert. Die Fruchtfolgegestaltung hilft, die Zeiträume ohne Bodenbedeckung zu reduzieren. Phytosanitäre Aspekte und der Einsatz des Pfluges führen zu unbedeckter Ackeroberfläche, die der Witterung ungeschützt ausgesetzt ist. Die hohe Energie der Regentropfen zerstört die Oberflächenaggregate. Es kommt zur Verschlämmung mit Oberflächenabfluss, Bodenerosion ist die Folge. Besonders gefährdet sind weitreihige Sommerfrüchte wie Rüben, Mais und Kartoffeln. Effektiv gestoppt werden kann dieser Prozess in der vegetationslosen Zeit nur durch organische Reststoffe und Grünbewuchs an der Oberfläche. Dabei treten zwei Effekte auf:
- Die aggregatzerstörende Energie der Regentropfen wird an die Reststoffe abgegeben, sodass die Krümel an der Oberfläche geschont werden.
- Zerkleinertes organisches Material fördert die Aktivität tief grabender Regenwürmer, sodass der Boden durch die Röhren hohe Niederschlagsmengen schnell aufnimmt.
Zwischenfazit: Der Bodenbedeckungsgrad durch organische Reststoffe aus Zwischenfrüchten und/ oder Strohresten ist der Schlüsselindikator für die Gefährdung durch Verschlämmung, Oberflächenabfluss und Bodenerosion. Mulch mit 30 bis 50 % Bedeckung gewährt meist einen ausreichenden Bodenschutz gegen Erosion (Grafik). Landwirte können mit Hilfe eines Bilder-Fächers den jeweiligen Bodenbedeckungsgrad ermitteln. Dieser ist bei der Gesellschaft für konservierende Bodenbearbeitung (GKB) erhältlich.
Diese Erkenntnisse haben sich viele Praktiker seit 1980 in ihrer Landbewirtschaftung zunutze gemacht. Mit Entwicklung der Mechanisierung kam es zu einer Ausdehnung der arbeitsintensiven Früchte Zuckerrübe und Kartoffeln. Da der Pflug das Hauptgerät war, ist es in Hanglagen immer wieder zu erheblichen Bodenabträgen gekommen, die die Landwirte nicht mehr hinnehmen wollten. 1980 kamen drei Dinge zusammen:
- Die Landmaschinenindustrie baute Sätechnik für Reihenfrüchte, Getreide und Raps mit Scheiben- bzw. Meißelscharen, um in Reststoffe säen zu können.
- Die chemische Industrie entwickelte nichtselektive Herbizide, um Unkräuter und Ausfallgetreide im Frühjahr zu beseitigen, ohne den Bedeckungsgrad durch Bodenbearbeitung zu reduzieren.
- Ressortforschungseinrichtungen des Bundes und universitäre Forschergruppen (u. a. Gießen und Göttingen) untersuchten den Einfluss von Mulch- und Direktsaatverfahren auf die Bodenfruchtbarkeit.
Der Erfolg war eindeutig: Es kam zu einer effektiven Minderung von Bodenerosionen und Verdichtungen und zu einer Verbesserung von Bodenfruchtbarkeit, Humus- und Wasserhaushalt sowie Bodenleben.
Was, wenn Glyphosat verboten wird? Ein Wegfall nichtselektiver Herbizide wird eine massive Veränderung von Bearbeitungsintensität
und -häufigkeit nach sich ziehen und das Resistenzmanagement gegen schwer bekämpfbare Gräser im Getreidebau verschärfen. Die Vielfalt von Standorten, Fruchtfolgen und Bearbeitungsketten ist so groß, dass an dieser Stelle nur zwei Beispiele für eine Getreide-Zuckerrüben-Fruchtfolge skizziert werden können:
- Erstens: Strohmulchverfahren zur Sommerung. Betriebe, die im Herbst keine organischen Dünger unterbringen müssen, nutzen das Stroh der Vorfrucht (in der Regel Weizen) als Oberflächenschutz. Dabei sind alle Anstrengungen zu unternehmen, die für einen verzögerten Strohabbau sorgen, damit die 80 bis 100 dt/ha Stroh im Frühjahr nach der Bestellung noch einen ausreichenden Oberflächenbedeckungsgrad liefern. Auf Lössstandorten (Ut 3 Lö) erfolgt nach der Ernte ein Arbeitsgang mit dem Strohstriegel und im September/ Oktober ein flacher Bearbeitungsgang z. B. mit der Kurzscheibenegge, sodass ein Bedeckungsgrad von ca. 50 bis 60 % vorliegt. Flachgrubber mit Gänsefußscharen eignen sich weniger gut, da sie bei ganz flacher Einstellung Strohhaufen erzeugen und bei vollem Bodeneinzug schon zu viel Stroh einmischen. Tonige Standorte (lT 3 V) erhalten nach flacher Stoppelbearbeitung im September/ Anfang Oktober bei gutem Bröckelzustand noch eine Lockerung mit einem Meißelschargrubber auf ca. 20 bis 25 cm Tiefe, insbesondere wenn sie zu Staunässe neigen.
Der Aufwuchs an Unkräutern und Ausfallgetreide wurde bisher mit Glyphosat beseitigt. Steht dieses nicht mehr zur Verfügung, muss nach jeder Unkrautwelle erneut mechanisch mit Scheibenegge bzw. Grubber gearbeitet werden. Diese zwei zusätzlichen Arbeitsgänge verursachen Kosten in Höhe von 75 – 90 €/ha und reduzieren den Bedeckungsgrad im Herbst auf 15 – 20 %. Nach der flachen Saatbettbereitung im Frühjahr verbleiben lediglich Bedeckungsgrade von < 10 %, die keinen ausreichenden Bodenschutz mehr liefern.
- Stroh + Zwischenfrucht zur Sommerung. Viele Landwirte bauen zur Erhöhung des Bedeckungsgrades Zwischenfrüchte an. Unmittelbar hinter dem Mähdrescher mit Direktsaatmaschinen bzw. nach Gärrestausbringung mit anschließend halbtiefer Bearbeitung wird die Zwischenfrucht mit dem Grubber bzw. mit einer Säkombination bestellt. Besonders trockene bzw. feuchte Bodenzustände im August erschweren die Etablierung der Zwischenfrucht, insbesondere auf tonigen Standorten. Ausfallweizen und Unkräuter entwickeln sich zum Teil stark.
Bisher konnte spät im Herbst bzw. rechtzeitig im Frühjahr der nicht erwünschte Aufwuchs mit einem Totalherbizid beseitigt werden, ohne den Bedeckungsgrad zu reduzieren. Ohne Glyphosat wird im späten Herbst ein Zerkleinern mit einem Mulcher und ein Bearbeitungsgang mit dem Grubbererforderlich sein, um den grünen Aufwuchs zu bekämpfen. Bei einem milden Winter kann der Acker erneut grün werden. Sand- und Lössböden lassen eine tiefere Einmischarbeit zur mechanischen Beseitigung des grünen Aufwuchses im Frühjahr zu, auf tonigen Böden ist dies nicht möglich. In jedem Fall reduziert sich der Bedeckungsgrad vom Herbst (60 – 75 %) auf ca. < 15 – 20 % im Frühjahr. Zusätzliches Mulchen und Grubbern verursacht Kosten in Höhe von 80 – 90 €/ha.
Ein möglicher Kompromiss
Zu einer Lösung des aufgezeigten Zielkonfliktes könnte eine Teilanwendung eines nichtselektiven Herbizids auf besonders erosionsgefährdeten Flächen beitragen. Diese sind in jedem Agrarantrag hinterlegt: CC-Wasser 1 = gering bis mittel erosionsgefährdet, CC-Wasser 2 = mittel bis stark gefährdet und CC-Wind = durch Wind erosionsgefährdet. Eine reduzierte Glyphosatmenge von 1 – 2 l/h könnte die größte Erosionsgefährdung auf solchen Flächen mindern, damit die Bodenfruchtbarkeit erhalten bleibt und gleichzeitig im Sinne des Pflanzenschutzreduktionprogrammes Herbizide eingespart werden.
Welche Effekte hat das Mehr an Bearbeitung in Tiefe und Häufigkeit? Der Schlüsselindikator Bodenbedeckungsgrad wird mit jeder Bearbeitung reduziert. Dadurch steigt die Gefährdung durch Oberflächenverschlämmung, was die Aggregatstabilität und Tragfähigkeit des Bodens sowie den Humusgehalt reduziert.
Der zusätzlich erforderliche Dieselverbrauch liegt bei 30 bis 50 l/ha und ist mit entsprechenden CO2-Emissionen verbunden. Trotz Einsparung der Glyphosatanwendung senken die zusätzlichen Arbeitsgänge die Rentabilität um ca. 50 €/ha. Gleichzeitig steigen Mineralisation und Nitratverlagerung im Herbst, die Wasserverdunstung nimmt zu und die Wasserspeicherfähigkeit ab. Nicht zuletzt wird das Bodenleben, insbesondere die Regenwurmaktivität gestört.
Die Diskussion um das voraussichtliche Glyphosatverbot ab 2024 erfordert Alternativen. Nach einer Umfrage der GKB unter Landwirten werden 35 % von der konservierenden Bearbeitung zum Pflug zurückkehren. 65 % bleiben dem System treu, werden aber die Bearbeitungsintensität erhöhen und nehmen geringere Bedeckungsgrade in Kauf. Völlig andere Verfahrensalternativen wie die elektrophysikalische Abtötung des Unkrautes oder »biologische Systeme« mit einer erweiterten Fruchtfolge, Untersaaten, Zwischenfrüchten und Begleitpflanzen zeigten in Versuchen bisher kaum zufriedenstellende Wirkerfolge (weitere Informationen dazu:
gkb-ev.de/unkraut/).