Wirkstoffverluste. Die Folgen für die Praxis
Kartoffeln in Brandenburg, Weizen in Schleswig-Holstein: Die Kalkulationen zweier Betriebsbeispiele zeigen, wie sich der Verlust zentraler Pflanzenschutzwirkstoffe betriebswirtschaftlich auswirkt.
Wie empfindlich landwirtschaftliche Betriebe auf regulatorische Eingriffe im Pflanzenschutz reagieren, zeigen zwei Beispiele aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands.
Der Betrieb Plass
In der Havelniederung in Brandenburg bewirtschaftet der Betrieb rund 250 ha Kartoffeln – überwiegend für die Stärkeverarbeitung sowie Pommes- und Chipsproduktion. »Die Kartoffel ist für uns eine bedeutende Kultur – sie hat unseren Betrieb zu dem gemacht, was er heute ist«, so Christoph Plass. Historisch war die Kartoffel immer ein wichtiges Standbein. Heute ist der Betrieb mit einer Lagerkapazität von 11 000 t vollständig auf die Knolle eingestellt. »Die gesamte Prozesskette – von Pflanzung bis Ernte, inklusive Pflanzenschutz und Lagerhaltung – ist betriebsintern organisiert«, sagt Plass.
In den vergangenen Jahren lagen die Erträge zwischen 440 dt/ha (2022) und 520 dt/ha (2024). Für die Bewertung wurde ein Durchschnitt von 470 dt/ha angesetzt.
Referenzsituation
Die standardisierte Leistung-Kosten-Rechnung zeigt eine Marktleistung von 6 449 €/ha (Grafik 1). Um diese zu erzielen, fallen Direktkosten von 2 208 €/ha an, davon 498 € für Pflanzenschutz. Die direktkostenfreie Leistung beträgt 4 241 €/ha, der Deckungsbeitrag 2 242 €/ha. Nach fixen Kosten verbleibt ein Gewinnbeitrag von 1 160 €/ha.
Plass setzt auf Digitalisierung
»Wir sind mit Sicherheit einer der digitalsten Betriebe in Brandenburg. Von digitalen Bodenkarten, Nutzung von Satellitendaten, wöchentlichen Nährstoffanalysen in den Kartoffeln, RTK – sprich eine durchgängige Dokumentation aller Arbeitsschritte bis hin zur Ertragserfassung sind bei uns Standard«, erzählt Plass. Der Anbau erfolgt im Roten Gebiet unter Vollberegnung – eine Herausforderung für Nährstoff- und Phytophthora-Management. »Auf unseren leichten Böden ist Metribuzin ein Schlüsselwirkstoff. Sein Wegfall würde massive Probleme bei Unkrautkontrolle und Dammstabilität verursachen.« Mechanische Verfahren nutzt Plass nur punktuell: »Auf leichten Standorten verletzen sie die Wurzeln – und der Arbeitsaufwand ist hoch, gerade wenn die Beregnung startet.«
Deutlicher Einbruch der Wirtschaftlichkeit. Sämtliche betriebswirtschaftlichen Kennzahlen – von der Leistung bis zum Gewinnbeitrag – sinken im Szenario des Wirkstoffverlusts deutlich. Während die Leistung um etwa 8 % zurückgeht, zeigen die nachgelagerten Stufen überproportionale Einbußen. Grund ist, dass sich steigende Kosten und sinkende Erträge gegenseitig verstärken. Für den Kartoffelanbau, der ohnehin durch hohe variable Kosten und Witterungsrisiken geprägt ist, bedeutet das einen spürbaren Verlust an Wettbewerbsfähigkeit. Insbesondere bei industriellen Abnehmern, die stabile Mengen und Qualitäten verlangen, kann ein solcher Rückgang die Vermarktungschancen erheblich beeinträchtigen.
Fazit
Der Betrieb Plass zeigt exemplarisch, wie empfindlich die Wirtschaftlichkeit einzelner Kulturen auf regulatorische Eingriffe im Pflanzenschutz reagiert. Bereits der Wegfall weniger Wirkstoffe kann Deckungsbeiträge und Gewinne halbieren. Für spezialisierte Betriebe mit hohem Kartoffelanteil stellt dies ein beträchtliches Risiko dar – zumal Alternativen kurzfristig weder agronomisch noch ökonomisch gleichwertig verfügbar sind. Ohne Zugang zu wirksamen Pflanzenschutzmitteln würde der Anbau unter den gegebenen Marktbedingungen nicht mehr kostendeckend erfolgen können. Damit stünde nicht nur die Wirtschaftlichkeit einzelner Betriebe, sondern auch die regionale Versorgung mit heimischen Industriekartoffeln infrage.
Der Betrieb Christiansen
Der landwirtschaftliche Betrieb von Lars Christiansen liegt in Großsolt/Kollerup, mitten in Angeln, einem traditionellen Veredelungsgebiet mit starker Schweinehaltung. Auf rund 400 ha Ackerland betreibt Christiansen einen vielseitigen Ackerbau mit den Kulturen Weizen, Raps, Gerste und Mais, ergänzt durch Blühflächen.
Wer Weizen ist heute die tragende Kultur im Betrieb – nicht zuletzt, weil der Gerstenanbau zunehmend an Bedeutung verliert. »Die Gerste funktioniert bei uns praktisch nicht mehr – dabei bräuchten wir sie eigentlich als Futtergetreide für die Schweinehaltung«, beschreibt Christiansen die Lage. Hauptursache ist der Ackerfuchsschwanzdruck. Diese Entwicklung betrifft bekanntlich nicht nur Angeln, sondern weite Teile Nordfrieslands und anderer norddeutscher Regionen.
Neben dem Ackerbau hat Christiansen weitere Betriebszweige aufgebaut: Unter dem Markennamen »CO2ks« produziert er Pflanzenkohle aus regionalen Hackschnitzeln, und auch die Vermarktung von Strohschweinen gehört zum Konzept. Eine Besonderheit ist die Veredelung des eigenen Weizens zu Korn, der unter dem Markennamen »Kolleruper Dachs« regional vermarktet wird. Mit einem durchschnittlichen Weizenertrag von 9,5 t/ha arbeitet Christiansen in einer für Norddeutschland typischen, intensiven Anbauregion.
Referenzsituation
Die standardisierte Leistung-Kosten-Rechnung des Betriebs zeigt für die Referenzsituation eine Marktleistung von 2 584 €/ha (siehe Grafik 2). Für Saatgut, Düngung und Pflanzenschutz werden Direktkosten von 1 016 €/ha angesetzt – davon 292 €/ha für Pflanzenschutzmittel. Die direktkostenfreie Leistung beträgt somit 1 568 €/ha. Nach Abzug der variablen Kosten (Maschinen und Arbeit) von 282 €/ha verbleibt ein Deckungsbeitrag von 1 287 €/ha. Unter Einrechnung der fixen Kosten resultiert daraus ein Gewinnbeitrag von 733 €/ha.
Der Weizenanbau ist damit für den Betrieb Christiansen eine stabile Ertragsstütze – insbesondere in Verbindung mit betriebseigener Veredelung und regionaler Vermarktung.
Die Kulturführung im Weizen ist für Christiansen inzwischen eine Gratwanderung zwischen Ertragssicherung und Resistenzmanagement. »Je weniger Wirkstoffe verfügbar sind, desto stärker nutzen wir die verbleibenden – und genau das beschleunigt die Resistenzentwicklung«, sagt er. Aktuell werden die Wirkstoffe Tebuconazol, Prothioconazol und andere Azole im Krankheitsmanagement (Septoria, Mehltau) noch eingesetzt, doch der Wegfall dieser Mittel würde die Kulturführung erheblich erschweren.
Beim Ackerfuchsschwanz sieht Christiansen die Lage besonders kritisch: »Wenn wir das Unkraut nicht schon vor der Saat im Griff haben, ist die Sache gelaufen.« Deshalb arbeitet der Betrieb mit einer Reihe anbautechnischer Maßnahmen wie Schein-Saatbettbereitung und anschließende mechanische Bekämpfung vor der eigentlichen Aussaat oder späteren Saatterminen, um den Fuchsschwanzdruck zu reduzieren. »Das Ganze macht die Kulturführung deutlich komplexer und teurer«, so Christiansen.
Wirkstoffverluste schwächen Erträge und Margen. Im untersuchten Szenario eines »potentiellen Wegfalls von Pflanzenschutzwirkstoffen« würden für den Betrieb Christiansen sechs Wirkstoffe entfallen – ein Insektizid, vier Herbizide und ein Fungizid. Modellrechnungen zufolge führt dies zu einer Ertragsdepression von 8,7 %, bei gleichzeitig steigenden Pflanzenschutzkosten, weil Ersatzmittel teurer und weniger effizient sind. Die Folge: Der Gewinnbeitrag fällt auf 468 €/ha – eine Reduktion um 36 % im Vergleich zur Ausgangssituation.