Biogas. Es braucht einen Plan
Für immer mehr Biogasanlagen nähert sich das Ende der 20-jährigen EEG-Vergütung. Doch was kommt danach? Anschlussvergütung per Ausschreibung, Flexibilisierung, Biomethanaufbereitung oder Direktlieferung: Helmut Loibl zeigt verschiedene Optionen und deren Wirtschaftlichkeit.
Nahezu alle Betreiber bestehender Biogasanlagen treibt die Frage um, wo genau ihre Zukunft liegen soll. Die Verunsicherung ist groß, denn der Gesetzgeber setzt bei der Energiewende offensichtlich vorrangig auf Strom aus Wind und Photovoltaik. Eine Perspektive für Biogas ist zumindest aktuell kaum erkennbar.
Vorgaben des Gesetzgebers
Zwei Gesetzesänderungen lassen darauf schließen, wohin sich die deutsche Biogasbranche entwickeln soll. Die Erschließung von Wärmenetzen und die Aufbereitung von Biogas zu Biomethan sowie dessen Einspeisung ins Erdgasnetz sollen attraktiver werden. Dazu wurde § 246 d Absatz 4 BauGB e ingeführt: Demnach sollen im baurechtlichen Außenbereich (Satelliten-) BHKW privilegiert zulässig sein, wenn sie ein Wärmenetz versorgen. In derselben Vorschrift hat der Gesetzgeber auch Biomethanaufbereitungsanlagen als im Außenbereich privilegiert eingestuft.
... sowie diskutierte Ideen. Eine weitere Novellierung des EEG wurde noch für Herbst 2024 angekündigt. Dem Vernehmen nach sollen Biogasanlagen an Wärmenetzen bei der Ausschreibung künftig gewisse Vorteile erhalten, wobei völlig unklar ist, worin diese bestehen sollen. Etwas klarer ist die andere Idee des Gesetzgebers, hochflexible Anlagen künftig besser zu vergüten. Diskutiert wird insbesondere
die Erhöhung des Flexzuschlags auf etwa 120 €/kW und Kalenderjahr. Allerdings muss die entsprechende Anlage im Gegenzug mit einer deutlich verringerten Höchstbemessungsleistung leben (künftig nur 25 statt der bisherigen 45 % der installierten Leistung). Aus alledem lässt sich schließen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Biogas-BHKW künftig vorwiegend Wärmenetze versorgen oder Biogas zu Biomethan aufbereiten oder hochflexibel Strom produzieren sollen.
Erschließung neuer Wärmenetze
Die Preisentwicklung auf dem Wärmemarkt führt dazu, dass die Erschließung neuer Wärmenetze durchaus wirtschaftlich sein kann. Das Hauptproblem bestehender Biogasanlagen ist folgendes: Selbst wenn sie im Rahmen der Ausschreibung einen weiteren Vergütungszeitraum von zehn Jahren erhalten, reicht dieser keinesfalls aus, um die hohen Investitionen in ein Fernwärmenetz zu refinanzieren. Das führt dazu, dass Wärmenetze nicht von den bestehenden Biogasanlagen erschlossen werden, sondern über neue Satelliten-BHKW. Diese haben den großen Vorteil, im Rahmen der Ausschreibung nahezu dieselbe Vergütungshöhe zu erhalten wie Bestandsanlagen – und das über volle 20 Jahre.
Beispiel. Liegt eine große Wärmesenke vor, bei der Sie im Kalenderjahr durchschnittlich 1,5 Mio. kWh zu 15 Ct/kWh verkaufen können, installieren Sie beispielsweise ein 360-kW-BHKW. Im Winter wird dieses BHKW in Volllast betrieben, um die entsprechende Wärmemenge zur Verfügung zu stellen und den Wärmepreis zu generieren. Im Sommer hingegen verstromt das BHKW an der bestehenden Biogasanlage das vorhandene Biogas. Diese Fahrweise erfordert natürlich weitere Investitionen, da Sie auch im Sommer Energie für Warmwasser zur Verfügung stellen müssen. Hier kommt häufig ein Pufferspeicher zum Einsatz, der mit einem BHKW-Betrieb von wenigen Stunden am Tag gespeist wird.
Überschaubares Risiko
So rechnet sich das: Angenommen, das 360-kW-Aggregat erhält im Rahmen der Ausschreibung einen Zuschlag bei 17,5 Ct/kWh, dann kann es seine zulässige Höchstbemessungsleistung durch den Sommer/Winterbetrieb (162 kW im Jahresdurchschnitt) zu diesem Preis abfahren und erhält hierfür 248 000 € netto. Hinzu kommt ein Flexibilitätszuschlag in Höhe von 23 000 €, weiterhin Wärmeerlöse in
Höhe von 225 000 €. Insgesamt erwirtschaftet dieser Satellit 496 000 € Umsatz im Kalenderjahr bzw. 34,95 Ct/kWh.
In den allermeisten Fällen dürfte ein solches Vorhaben wirtschaftlich sein. Allerdings muss im Einzelfall sehr genau kalkuliert werden: Für das BHKW, den Netzanschluss, die Gasleitung zur Biogasanlage, den Pufferspeicher und das Wärmenetz werden Beträge weit jenseits von
3 Mio. € nötig. Dem stehen allerdings gut kalkulierbare Einnahmen gegenüber. Ein Ausschreibungszuschlag sichert die EEG-Vergütung
für volle zwanzig Jahre und ein Vertrag über die Fernwärmelieferung kann ebenso über derart lange Zeiträume abgeschlossen werden – so bleibt das Risiko überschaubar.
Wo und wie kann das Satelliten-BHKW genehmigt werden? Viele Anlagenbetreiber möchten dieses gerne an den Ortsrand stellen, unmittelbar angrenzend an die Wohnbebauung. Dies war bislang ohne zeit- und kostenintensiven Bebauungsplan nicht möglich. Leider schafft hier der oben zitierte neue §246 d BauGB keine Abhilfe. Der Gesetzeswortlaut stellt ausdrücklich darauf ab, dass ein solches BHKW in räumlich-funktionalem Zusammenhang zur bestehenden Biogasanlage stehen muss. Für die meisten Genehmigungsbehörden scheidet also ein weit abgesetztes Satelliten-BHKW aus. Damit läuft die gesetzliche Neuregelung in den meisten Fällen leider leer, sodass es bei der Notwendigkeit eines Bebauungsplans bleibt.
Biomethanaufbereitung als Perspektive
Ähnlich fatal ist die Rechtslage bei geplanten Aufbereitungsanlagen. Dadurch, dass nun auch an landwirtschaftlich privilegierten Biogasbetrieben solche Aufbereitungsanlagen über § 246 d BauGB problemlos zulässig sein sollen, wird dieses Vorhaben grundsätzlich zwar wesentlich erleichtert. Das Problem: Grundsätzlich sind Biogasanlagen im Außenbereich nur bis maximal 2,3 Mio. Normkubikmeter Rohgasproduktion privilegiert. Biomethanaufbereitungsanlagen benötigen – um wirklich wirtschaftlich zu laufen – deutlich größere Gasmengen, die von der Privilegierung nicht abgedeckt sind. Wer also eine größere Gasmenge aufbereiten will, braucht doch wieder einen Bebauungsplan.
In der Praxis werden derzeit viele »Clusterprojekte« diskutiert. Hier schließen sich mehrere Biogasanlagenbetreiber zusammen, um eine gemeinsame Aufbereitungsanlage zu errichten. Dies ist nicht nur aus Kostengründen sehr sinnvoll, hier hilft auf den ersten Blick auch die neue Privilegierungsvorschrift für die Aufbereitungsanlage. Auf den zweiten Blick allerdings ist größte Vorsicht geboten: Privilegiert ist nur der Landwirt, bei dessen Biogasanlage auch die Aufbereitungsanlage steht. Wenn sich also beispielsweise drei Landwirte zusammenschließen, und der »Standortlandwirt« steigt aus oder gibt seine Landwirtschaft auf, entfällt die Privilegierung und damit die Genehmigung für die Aufbereitungsanlage, was für die anderen Beteiligten fatal wäre. Ein dritter Blick zeigt eine noch dramatischere Vorgabe: Der Privilegierungstatbestand fordert, dass der Standortlandwirt einen »beherrschenden Einfluss« auf den Betrieb der Aufbereitungsanlage haben muss. Das bedeutet nichts anderes, als dass er in einer Gesellschaft, die für die Aufbereitung gegründet wird, stets die Mehrheit der Stimmrechte haben muss. Das ist für die anderen Gesellschafter weder nachvollziehbar noch akzeptabel. Kurzum: Auch für die Biomethanaufbereitung ist im Regelfall ein Bebauungsplan notwendig.
Hochproblematisch ist zudem, dass derzeit die Netzanschlusskosten nicht kalkulierbar sind. Nach der geltenden Gasnetzzugangsverordnung hängt die Kostentragung durch den Anlagenbetreiber entscheidend davon ab, wie weit er vom Gasnetz weg ist: Beträgt die Entfernung unter einem Kilometer, muss er maximal 250 000 € für den Gasnetzanschluss zahlen. Übersteigt die Entfernung hingegen einen Kilometer, muss er ein Viertel der Gesamtkosten tragen. Diese belaufen sich bei den meisten Projekten insgesamt auf etwa 3,5 bis 4 Mio. €, sodass das Viertel für den Anlagenbetreiber fast 1 Mio. € ausmachen würde. Die Gasnetzzugangsverordnung wird aktuell überarbeitet und soll 2025 neu in Kraft treten. Dort ist im aktuellen Entwurf die Deckelung der Kosten des Anlagenbetreibers auf maximal 250 000 € bei einer Entfernung von unter einem Kilometer nicht mehr enthalten. Sollte sich dieser Entwurf durchsetzen, müssen Sie mit deutlich höheren Gasnetzanschlusskosten rechnen als bisher. Das macht nicht jedes Projekt unwirtschaftlich, aber diese höheren Kosten sollten Sie zwingend mit einkalkulieren. Da hilft es auch nicht, jetzt einen Vertrag über den Gasnetzzugang abzuschließen. Entscheidend ist, wann der Gasnetzzugang erfolgt und nicht, wann der Vertrag darüber abgeschlossen wurde. Dieses Risiko sollte Sie gleichwohl nicht davon abhalten, ernsthaft über die Zukunftsvariante Biomethanaufbereitung nachzudenken. Anders als beispielsweise die Teilnahme an der Folgeausschreibung, welche lediglich die nächsten zehn Jahre absichert, kann eine Aufbereitung die Anlage in eine deutlich fernere Zukunft führen. Schließlich wird es auch über einen Zeitraum von zehn Jahren hinaus einen Markt für Biomethan geben.
Hochflexible Anlagen
Sollte der Gesetzgeber die angekündigten Pläne umsetzen und tatsächlich den Flexzuschlag auf 120 €/kW und Jahr erhöhen, im Gegenzug allerdings die Höchstbemessungsleistung auf nur noch 25 % der installierten Leistung absenken, wäre dies ein Fluch und ein Segen zugleich: Für hochflexible Anlagen und für neue Standorte (z. B. neue Satelliten), die jetzt erst geplant werden, würde dadurch die finanzielle Situation deutlich verbessert werden.
Ein Beispiel. Eine Biogasanlage mit 3,2 MW installierter Leistung, einem Ausschreibungszuschlag von 18 Ct/kWh und einer Jahresdurchschnittsleistung von 500 kW würde nach der bisherigen Regelung im Schnitt etwa 22,74 Ct/kWh erzielen (ohne Markterlöse für hochflexible Fahrweise). Nach der künftigen Regelung läge diese Anlage bei derselben Fahrweise bei 27,49 Ct/kWh. Das liegt daran, dass sich der jährliche Flexzuschlag von etwa 208 000 € auf 416 000 € erhöhen würde. Hinzu kämen eventuelle Zusatzeinnahmen für die tatsächlich flexible Fahrweise. Für eine solche Anlage wäre die gesetzliche Neuregelung ein Segen, zumal durch die hohe installierte Leistung eine Herabsenkung der Bemessungsleistung auf nur 25 % völlig unproblematisch wäre und die Anlage wie bisher weiterfahren könnte.
Vorteil "hochflexible Anlage"
Für die meisten Bestandsanlagen wäre eine solche Regelung ein Drama. Nehmen wir als Beispiel eine Biogasanlage mit 720 kW installierter Leistung und einem Wärmeverkauf im Winter mit etwa 1,5 Mio. kWh thermisch. Nach der bisherigen Regelung mit der zulässigen Höchstbemessungsleistung von 324 kW könnte diese Anlage den nötigen Wärmeverkauf im Winter problemlos realisieren. Wenn für diese Anlage jedoch die Höchstbemessungsleistung auf nur 25 % und damit auf 180 kW reduziert wird, wäre dies tatsächlich ein Fluch: Die Anlage müsste für die Wärmebereitstellung ihre gesamte Höchstbemessungsleistung bereits im Winter abfahren. Das heißt, im Sommer dürfte sie überhaupt nicht laufen. Wie aber soll das gehen? Eine solche Vorgabe würde für diese Anlage das Aus bedeuten. Es bleibt zu
hoffen, dass die Variante »hochflexible Anlage« nicht für alle Bestandsanlagen, die in die Ausschreibung wechseln wollen, zwingend ist.
Für neue Standorte könnte die hochflexible Ausgestaltung interessant sein. Bleiben wir beim obigen Beispiel zum Satelliten-BHKW an der Wärmesenke: Wenn dort – falls die gesetzliche neue Regelung kommt – statt der ins Auge gefassten 360 kW nun 1,5 MW installiert werden
würden, könnte diese Anlage ohne Weiteres den nötigen Wärmebedarf im Winter abfahren (mit Wärmeerlösen) und hochflexibel am Strommarkt teilnehmen, wenn die entsprechenden Strombörsenpreise hoch sind. Würde diese Anlage beispielsweise im Jahresschnitt 300 kW einspeisen, hätte sie etwa 460 000 € EEG-Vergütung. Hinzu käme ein Flexzuschlag von 180 000 € und die Wärmeerlöse in Höhe von
225 000 € – unterm Strich ist ein Jahresumsatz von 865 000 € damit denkbar. Mit durchschnittlich 32,9 Ct/kWh liegt der Durchschnittswert zwar rund 2 C t/kWh unter dem oben dargestellten kleinen BHKW, allerdings hat die hochflexible Anlage einen weiteren großen Vorteil: Sie wird – abgesehen von der Wärmeerzeugung – nur dann laufen, wenn hohe Strombörsenpreise bestehen. Sofern ausreichend Gasspeicher vorhanden sind, um die entsprechende Fahrweise zu ermöglichen, sind für eine solche Anlage durchaus Zusatzerlöse zwischen 2 und 4 Ct/kWh über die Direktvermarktung möglich.