
Wie gut ist Ihr Humus?
Allein den Gehalt an organischem Kohlenstoff im Boden zu steigern, reicht nicht. Mindestens genau so entscheidend für die Humusqualität sind die Stickstoffgehalte. Norman Gentsch und Georg Guggenberger erklären die Zusammenhänge.
Die Ergebnisse aus vielen Jahrzehnten bodenkundlicher Forschung schreiben dem Humus eine zentrale Rolle im System Boden zu. Chemisch erhöht der Humusgehalt die Menge der reaktiven Oberflächen und die Kationenaustauschkapazität des Bodens. Physikalisch vergrößert er das Porenvolum, verringert die Lagerungsdichte und erhöht die Wasserspeicherleistung. Biologisch ist Humus Nahrungsquelle für die meisten Bodenorganismen und Motor mikrobieller Stoffkreisläufe, die z. B. zur Freisetzung von mineralischem Stickstoff und Phosphor aus dem Abbau der organischen Substanz führen. Daher finden sich entlang eines Gradienten unterschiedlicher Humusgehalte eines Bodens meist positive Zusammenhänge zur Pflanzenproduktivität. Standortspezifische Humusgehalte sind also ein wichtiger Indikator für die Bodenqualität, den Bodenzustand und die Bodenfruchtbarkeit.
Der positive Zusammenhang zwischen Humusgehalt und Pflanzenproduktivität erscheint also logisch. So beeinflusst die Verbesserung multipler Bodenfunktionen auch die der wichtigsten Pflanzenparameter zur Nährstoffaufnahme, Wasserverfügbarkeit oder Pflanzengesundheit. In jüngster Zeit wurden jedoch einige Studien veröffentlicht, die den pauschalen empirischen Zusammenhang zwischen Humusgehalt und Ertragsleistung infrage stellen. Obwohl einige Argumente der Studien durchaus kritisch zu hinterfragen sind, lohnt es sich, genauer hinzuschauen, unter welchen Bedingungen höhere Humusgehalte tatsächlich zur Steigerung der Ertragsleistung führen.
Öko vs. konventionell. In einer zusammenfassenden Studie von sieben Langzeitexperimenten in Deutschland und der Schweiz zeigt sich ein klarer positiver Zusammenhang zwischen Corg-Gehalt und Ertrag nur unter rein organischer Bewirtschaftung, nicht jedoch unter konventioneller Bewirtschaftung. Die Ertragsleistung langjährig rein organisch gedüngter Flächen liegt im Durchschnitt etwa 25 % unter konventionell bewirtschafteten Flächen. Anders als bei mineralischen Düngern müssen die Nährstoffe bei organischer Düngung erst durch Bodenorganismen aus dem Humuskörper aufgeschlossen werden. Die effizientere Versorgung mit schnell verfügbaren Nährstoffen bei mineralischer Düngung überlagert also oftmals die ertragsfördernden Effekte höherer Humusgehalte.
Einfluss auf die Ertragsleistung. Eine Zusammenfassung von 90 Studien weltweit zeigt einen positiven Zusammenhang zwischen Mais- und Weizenertrag mit dem Corg-Gehalt bis zu einer Konzentration von etwa 2 % im Oberboden (0 – 15 cm). Dabei steigen die Erträge bei Weizen um etwa 10 %, bei Mais sogar um 23 %. Bei Corg-Konzentration von mehr als ~ 2 % verliert sich der Effekt und kehrt sich in einigen Studien sogar um.
Eine ähnliche Beziehung finden wir z. B. bei zwei konventionell bewirtschafteten Versuchsflächen in Deutschland (Grafik). Bis etwa 2 % Corg im Oberboden ist ein positiver Ertragseffekt beim Winterweizen erkennbar. Das Model (Grafik, links) errechnet für die beiden Standorte bei einem Anstieg der Corg-Konzentration von 1 auf 2 % im Oberboden eine Erhöhung des Kornertrags um 3 %. Ein weiterer Anstieg auf 2,5 % Corg bewirkt jedoch einen leichten Ertragsrückgang. Dieser Effekt steht eng im Zusammenhang mit dem C:N-Verhältnis des Humuskörpers (Grafik , rechts). Auf den Versuchsflächen lag die maximale Ertragsleistung bei C:N-Verhältnissen zwischen 10 und 11. Dies zeigt, dass beim Humusaufbau auch immer der Stickstoffgehalt der organischen Substanz im Blick behalten werden muss.
Was genau ist Humus?
Humus ist definiert als die Gesamtheit der toten organischen Substanz des Bodens. Das umfasst tierische und pflanzliche Streustoffe, deren Umwandlungsprodukte sowie Wurzelausscheidungen und mikrobielle Reste in der Bodenlösung oder in Komplexen mit Bodenmineralen. Humus besteht durchschnittlich zu 57 % aus organischem Kohlenstoff (Corg). Das ist auch der Parameter, der im Labor gemessen wird und als Indikator für Beziehungen zwischen Humus und Bodenfruchtbarkeit dient.
Zu weite C:N-Verhältnisse im Boden oder der zugeführten Ernterückstände resultieren in einer geringeren Effizienz der Bodenorganismen in der Verwertung der organischen Substanz. Die mikrobielle Biomasse im Boden ist 1:1 mit dem Corg- und N-Gehalt des Humuskörpers verknüpft. Mit steigenden Corg-Gehalten steigt also die mikrobielle Biomasse und deren Mineralisationsleistung. Für den Anstieg der mikrobiellen Biomasse wird jedoch proportional Stickstoff für deren Aufbau benötigt. Wenn also bei gleicher Düngemenge und N-Bedarf der Pflanze die Corg-Gehalte steigen, der N-Gehalt im Boden aber gleich bleibt (das C:N-Verhältnis also steigt), kommt es zur Konkurrenz zwischen Pflanzen und Mikroorganismen um schnell verfügbare N-Formen. Die Konsequenz ist ein Rückgang der N-Nutzungseffizienz der Pflanze bei ansteigenden Corg-Gehalten. Dieser Zusammenhang wurde auch in einer zusammenfassenden Studie aus dänischen Langzeitexperimenten gefunden. Mit anderen Worten: Die Stickstoff-Limitierung der mikrobiellen Gemeinschaft führt zu einer N-Sperre bei gleichzeitig höheren mikrobiellen Atmungsverlusten, das heißt der Freisetzung von CO2 aus dem Boden.
Wollen wir also Humus aufbauen – mit den gleichsam wichtigen Zielen Klimaschutz und Ertragssteigerung – muss zugeführte organische Substanz ausreichend Stickstoff enthalten, um das C:N-Verhältnis im Boden auf einem ertragsfördernden Niveau zu halten.
Mikrobielle Prozesse sind der Schüssel zum Aufbau stabiler Humusverbindungen
Etwa 80 % des Humus ist mit der Mineralphase im Boden assoziiert. Sogenannte »mineralorganische Komplexe« entstehen hauptsächlich aus den Umwandlungsprodukten mikrobieller Tätigkeit bzw. mikrobieller Reste (mikrobielle Nekromasse). Diesen Teil des Humuskörpers bezeichnet man weitläufig als »Dauerhumus«. Das bedeutet aber nicht, dass der organische Kohlenstoff in diesen Komplexen dauerhaft im Boden festgesetzt ist. Die stabilisierende Wirkung der Bindung von Humus an die Mineralphase des Bodens hat lediglich eine längere Verweilzeit von Corg im Boden zur Folge. Jedoch bedeutet genau diese Verlängerung der Verweilzeit einen steigenden Corg-Gehalt.
Durch die Zufuhr organischer Substanz lässt sich nicht nur der Humusgehalt im Boden steuern, sondern insbesondere auch die Effizienz mikrobieller Stoffkreisläufe. Besonders Wirtschaftsdünger mit engen C:N-Verhältnissen wie Stallmist, Komposte oder Gärreste wirken sehr positiv auf die Zusammensetzung und Aktivität der Mikroorganismen im Boden.
Zwischenfrüchte wirken über zwei Pfade auf die mikrobielle Aktivität und den Humusaufbau:
- Zum einen üben sie während ihres Wachstums über Wurzelausscheidungen einen direkten Einfluss auf Bodenorganismen aus.
- Zum anderen wirkt nach dem Absterben die Zersetzung von Spross und Wurzelmasse der Zwischenfrucht auf die mikrobielle Zersetzergemeinschaft.
Doch auch hier gilt es, das C:N-Verhältnis der Zwischenfrucht im Blick zu behalten. Zwischenfruchtmischungen, vor allem solche mit Leguminosenanteilen, haben sich als sehr effektiv erwiesen, um ein Gleichgewicht zwischen Pflanzenernährung und mikrobiellen Ansprüchen aufrecht zu erhalten.
Humus aufbauen: Für den Betrieb und für das Klima
Humusaufbau ist positiv – vor allem für die Landwirte selbst, um die Folgen des Klimawandels abzupuffern. Als gesellschaftlicher Beitrag zum Klimaschutz wird er dagegen überschätzt. Axel Don vom Thünen-Institut für Agrarklimaschutz spricht mit Thomas Preuße.
Auch die Fruchtfolge und die Wurzelleistung von Kulturen rückt für ein positives Humusmanagement mehr und mehr in den Vordergrund. Weite Fruchtfolgen mit fünf bis sechs Kulturen wirken sich signifikant positiv auf den Humusaufbau aus im Vergleich zu engen Fruchtfolgen mit nur drei Kulturen. Die Erhöhung der Wurzeleinträge scheint einen stärkeren Effekt auf die Humusvorräte auszuüben als Einträge von Sprossbiomasse. Deutlich wird der Zusammenhang der höheren Wurzelleistung auf Dauergrünland, welches kontinuierlich höhere Humusgehalte aufweist als ein vergleichbarer Ackerstandort.
Generell gilt Folgendes: Feldfrüchte wie Raps mit hoher Wurzelleistung haben ein höheres Humusaufbaupotential als Hackfrüchte. Zwischenfruchtmischungen erhöhen die Wurzelleistung und wirken effektiver auf den Humusaufbau im Vergleich zu Reinsaaten. Auch Leguminosen in der Fruchtfolge sorgen mit ihrem zusätzlichen N-Eintrag in den Wurzelraum für positive Humusbilanzen.
Allgemeine Übereinstimmung findet man in der wissenschaftlichen Literatur zur Beziehung zwischen Humusgehalt, Ertragsstabilität und Klimaresilienz. Eine umfassende US-amerikanische Studie zeigt, dass bei 1 % höheren Humusgehalten die Ertragsleistung von Mais bei starker Dürre im Schnitt 2,2 t/ha höher lag. Dies resultierte in 39 % weniger Kompensationszahlungen durch Ernteversicherungen. Auch in anderen Studien zeigt eine Erhöhung der Humuskonzentrationen von 1 auf 3 % (0,6 % auf 1,8 % Corg) eine Verbesserung der Ertragsstabilität um etwa 10 %.
Auch der Zwischenfruchtanbau führt zu stabileren Erträgen in Trockenjahren. Das geht aus noch unveröffentlichten Studien in Deutschland hervor. Unter den Bedingungen zunehmender Trockenheit spielen offenbar neben der Eigenschaft des Humus als Nährstoffreservoir und -quelle auch andere Faktoren eine wichtige Rolle für dessen positiven Effekt auf den Ertrag. Der Vorteil für die Klimaresilienz liegt vor allem in einer besseren Wasserhaltekapazität und längeren Pflanzenverfügbarkeit der Wasserreserven im Boden. In einem Beispiel aus einem Landnutzungsgradienten auf Lössböden zeigt sich ein signifikanter Zusammenhang selbst in tieferen Bodenschichten (Grafik). Nicht nur Pflanzen, auch mikrobielle Stoffkreisläufe sind abhängig vom verfügbaren Bodenwasser. In trockenen Jahren wie 2018/2019 sind humusreiche Böden resilienter und stellen länger Wasserreserven für den pflanzlichen und mikrobiellen Stoffwechsel zur Verfügung.
Doch bei aller Diskussion um Humusaufbau sollte man nicht vergessen, dass dieser vor allem von Bodeneigenschaften und Standortfaktoren beeinflusst wird. Immer wieder geht aus Studien hervor, dass Bodeneigenschaften, allen voran die Textur, stärkeren Einfluss auf Humusgehalte haben als die Bewirtschaftung. Besonders leichte Böden reagieren deutlich stärker auf ein optimiertes Humusmanagement als schwere. Dies spiegelt sich in positiven Ertragsleistungen durch höhere Humusgehalte wider, welche ebenfalls auf leichten Böden stärker sind als auf schweren. Darüber hinaus beeinflusst der Abstand zum Grundwasser, die Klimaregion und die Reliefposition das Humusaufbaupotential.