England. Regulierung: Neue Freiheiten bergen auch Risiken
Erleichterte Zulassung genomveränderter Pflanzen, eigene Bewertungszyklen, kürzere Wirkstofflaufzeiten und ein nationaler Belastungsindikator bei Pflanzenschutzmitteln: Das schafft neue Forschungsspielräume auf der Insel, erhöht jedoch die Marktrisiken für Exporte in die EU.
Seit dem formellen Austritt aus der EU kann Großbritannien seine Vorgaben für neue Züchtungstechnologien und den Pflanzenschutz selbstständig treffen. Die Regeln des Binnenmarktes gelten nur noch in Nordirland, sodass zwischen beiden Rechtsräumen zunehmend »Regulierungsfugen« entstehen, die Handel und Forschung gleichermaßen berühren.
Neue Züchtungstechnologien
Mit dem Genetic Technology Act 2023 hat die Regierung Genome-Editing-Organismen, die keine artfremden DNA-Fragmente enthalten, weitgehend aus dem strengen GVO-Recht herausgelöst. Das Gesetz gilt allerdings nur im englischen Landesteil, nicht in Schottland, Wales und Nordirland. Für solche Organismen genügt künftig eine Registrierung, und nur komplexere Eingriffe erfordern noch ein Risikodossier.
Obwohl die Labour-Regierung Einwände des Oberhauses prüft und die Auswirkungen auf ein mögliches Agrarabkommen mit der EU abwägt, rechnen Behörden und Züchter mit ersten Anträgen noch 2025. Demgegenüber gilt in der EU weiterhin die GVO-Richtlinie. Erst im März haben dort Rat und Parlament ein Verhandlungsmandat für die geplante Verordnung über »Neue Genomische Techniken« beschlossen. Ein Inkrafttreten vor 2027 gilt als unrealistisch. Auch Deutschland bleibt bis zum Abschluss des EU-Prozesses an das bisherige GVO-Regime gebunden. Ein im April 2025 vorgelegtes Gutachten des BMEL warnt vor vorschneller Deregulierung ohne begleitende Kennzeichnungspflichten. Die Folge: Forschungs- und Feldversuche mit Genome-Editing-Pflanzen (z. B. CRISPR-Weizen und Camelina-Feldversuche) verlagern sich zunehmend nach England, während der EU-Marktzugang für dort entwickelte Sorten vorerst unsicher ist.
Pflanzenschutzmittel
Die EU-Verordnung 1107/2009 wurde zum Austrittszeitpunkt in nationales Recht überführt, aber neue EU-Entscheidungen gelten nicht mehr automatisch. Seit 2021 führt die britische Zulassungsbehörde ein eigenes Register für Wirkstoffe und Rückstandshöchstmengen. Außerdem hat Großbritannien mit dem Nationalen Aktionsplan für Pflanzenschutzmittel einen Belastungsindikator (PLI) eingeführt und ein Reduktionsziel von 10 % bis 2030 gesetzt – das ist deutlich ehrgeiziger als in der EU.
Thomas Künzel