Winterweizen. Mit AHL in die Ähre Qualitäten absichern
Nicht nur die erzielten Erträge, sondern vor allem die Proteingehalte im Weizen befinden sich seit einigen Jahren im Sinkflug. Um hier gegenzusteuern, sind kluge Strategien gefragt. Einen vielversprechenden Ansatz stellt Caroline Benecke vor.
Die in dem vorangegangenen Beitrag vorgestellten Ergebnisse zeigen klar, dass die Auswirkungen eines gesetzlich vorgegebenen geringeren Düngebedarfs durch den Einsatz von Biostimulanzien oder Biologicals nicht sicher abgepuffert werden können. Doch gibt es andere Maßnahmen, die in diesem Zusammenhang das sichere Erreichen notwendiger Vermarktungsqualitäten im Winterweizen absichern können? Zur Klärung dieser Frage können aktuelle Versuche der Landwirtschaftskammer Niedersachsen beitragen.
Weizen besonders empfindlich auf reduzierte Düngung
Winterweizen ist eine Kultur, die besonders intensiv auf eine reduzierte Düngung reagiert. Dass die erreichten Qualitäten im Weizenanbau bereits seit Jahren zurückgehen, belegen unter anderem die Daten der Besonderen Ernteermittlung des Max-Rubner-
Instituts: Während im bundesdeutschen Schnitt 2017 noch 13,0 % Protein erreicht wurden, ist dieser Wert jedes Jahr auf nur noch 11,4 % im Jahr 2024 gesunken. Von diesem Rückgang merkt der Verbraucher bis dato allerdings nichts: Denn der für die hiesige Produktion benötigte Qualitätsweizen wird alternativ importiert. Bei der Diskussion um einen geringen CO2-Fußabdruck, Regionalität und Nachhaltigkeit ist diese Entwicklung aber fragwürdig. Denn klar ist, dass wir in Mitteleuropa durchaus in der Lage sind, hohe Qualitäten zu produzieren. Das belegen viele Versuchsergebnisse.
Lang durchgeführte Stickstoff-Steigerungsversuche
Auch die langjährig durchgeführten Stickstoff-Steigerungsversuche der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in vielen Anbauregionen zeigen deutlich, dass eine um 20 % reduzierte N-Düngung sowohl zu signifikanten Ertrags- als auch Qualitätsveränderungen führt:
- Der Ertrag sinkt im Schnitt signifikant um 1,92 dt/ha.
- Der Proteingehalt sinkt im Schnitt noch extremer und ebenfalls signifikant um 1,19 %-Punkte. Konkret bedeutet dies einen Abfall von beispielsweise 12,5 % Protein auf nur noch 11,3 % Protein – mit den entsprechenden Folgen in der Abrechnung. Das Absinken der Proteingehalte ist hier also noch relevanter als der Ertragsrückgang, der skaliert über die Gesamtanbaufläche des Weizens natürlich auch bereits zu relevant geringeren Erntemengen führt. Maximalerträge werden in der Regel mit den aktuell zur Verfügung stehenden Düngermengen nicht mehr erreicht.
Ein geringes Stickstoffangebot ist allerdings nicht der einzige Grund für sinkende Proteingehalte. Auch eine immer extremere Witterung hinterlässt mit Blick auf die Ertrags- und Qualitätsstabilität ihre Spuren. Während nach dem Winter 2023/2024 ein gering ausgeprägtes Wurzelwerk durch die lang andauernde Nässe auf ein geringeres Nährstoffangebot als Folge von zumindest anteiliger Verlagerung der Nährstoffe traf, ist in anderen Jahren Trockenheit zu kritischen Entwicklungsstadien präsent. Besonders kritisch wird es, wenn ausgebrachte Dünger – gerade zur Qualitätsgabe – nicht zur Wirkung kommen, weil die notwendige Feuchtigkeit fehlt.
Problemlöser: Stickstoffdünger auf die Ähre?
In unseren Versuchen haben wir den anteiligen Ersatz der klassischen Qualitätsgabe durch eine späte Gabe geringer Nährstoffmengen über das Blatt getestet. Konkret wurde von der vierten Gabe der Vergleichsvariante die für die flüssige späte Qualitätsgabe eingeplante Menge abgezogen und zwischen BBCH 59 und 65 über AHL auf die Ähre gegeben. 25 l/ha AHL (9 kg N/ha) wurden dann in 250 l Wasser je ha ausgebracht. Der Vergleich der Proteinveränderung erfolgte mit der Standard-Vier-Gaben-Strategie. Die Grafik zeigt die erreichte Proteinveränderung bei von der Qualitätsgabe abgezogenen und zu einem späteren Zeitpunkt (BBCH 59 – 65) flüssig gegebenen Mengen. Im Mittel über alle 23 Varianten wurde eine positive Proteinveränderung von 0,45 %-Punkten erzielt. Insgesamt schwankt die Stärke des Effektes zwar von Jahr zu Jahr. Doch nur in fünf Fällen zeigten sich leicht negative Effekte von 0,1 bis 0,2 %-Punkten. In allen anderen Fällen hat die Ausbringung nicht geschadet. Oft gab es sogar relevante Proteinsteigerungen: 9 kg N/ha über 25 l AHL/ha erreichten eine Veränderung von durchschnittlich 0,3 %-Punkten. Die 18 kg N/ha rechts in der Grafik wurden teilweise in zwei Gaben gedüngt und erreichten eine noch größere Proteinsteigerung (im Mittel über 0,8 %-Punkte). Die Proteinwerte wurden mit NIRS-Technik erhoben und teils zum Vergleich nasschemisch überprüft.
Der beschriebene Proteinrückgang um 1,19 %-Punkte bei einer um 20 % reduzierten Düngung lässt sich so zwar nicht vollständig abpuffern. Vor dem Hintergrund der generell sinkenden Anbausicherheit bezogen auf das Erreichen angestrebter Qualitäten sollten Sie diese alternative Strategie jedoch nicht nur bei vorgegebener begrenzter Düngung in Erwägung ziehen, sondern auch, wenn Sie in den vergangenen Jahren mit Ihren erreichten Proteingehalten unzufrieden waren.
Anwendung
Für eine sichere Wirkung ohne die durch das AHL durchaus möglichen Ätzschäden sind in der Anwendung einige Grundsätze zu beachten:
- 25 l AHL + 225 l Wasser: je größer die Verdünnung, desto geringer ist die Gefahr von Ätzschäden. In den dargestellten Versuchen wurden keine verursacht. Höhere AHL-Gaben sollten nach den bisherigen Ergebnissen geteilt werden, auch wenn dies weitere Überfahrten erfordert.
- Bei geplanter Kombination mit Fungiziden zur Fusarium-Behandlung ist die Freigabe zu prüfen.
- Die Ähre muss komplett trocken sein. Auch Morgentau darf sich nicht mehr auf der Ähre befinden.
- Nutzen Sie normale Doppel-Flachstrahldüsen o.Ä., da eine Benetzung notwendig ist. Grobtropfige AHL-Düsen oder Schläuche, die die Spritzbrühe abperlen lassen, erreichen nicht den gewünschten Effekt. Es handelt sich hier ausdrücklich nicht um eine Boden-, sondern um eine Blattdüngung.
- Eine gewisse Antrocknungszeit ist notwendig. Dazu müssen Sie nachfolgende Niederschläge im Blick behalten.
- Aufgelöster Harnstoff scheint ähnliche Wirkungen zu erreichen – bei geringerer Gefahr von Ätzschäden. Eine abschließende Bewertung dazu lässt unser Versuchsumfang bisher jedoch noch nicht zu.
- Nullparzelle: Eine Handprobe aus beiden Bereichen (beim Landhandel untersucht) gibt Ihnen ein Gefühl für die Effekte unter Ihren Anbaubedingungen.