
Staffelanbau. Ein natürlicher »Zaun« gegen SBR
Nicht nur hierzulande bedrohen SBR und Stolbur zunehmend den Zuckerrübenanbau. Auch die Schweizer haben seit einigen Jahren damit zu kämpfen. Um die Gefährdung einzudämmen, ist Kreativität gefordert. Ackerbauer Reto Minder hat erste Erfahrungen mit dem Staffelanbau von Mais und Rüben gesammelt, berichtet Christian Mühlhausen.
Rübenanbauer haben meist Grund zur Freude – das gilt zumindest für Regionen, in denen keine oder zumindest nur die typischen und beherrschbaren Krankheiten auftreten. Anbauer vor allem in Südhessen, Baden-Württemberg, Franken und Rheinhessen haben hingegen zunehmend mit SBR und Stolbur zu kämpfen, die zu geringeren Zuckergehalten und Erträgen führt und was den Anbau existenziell gefährdet.
Auch in der Schweiz angekommen
Auch in der Schweiz ist die von Westen hereinschwappende Krankheit vor sieben Jahren angekommen. 2021 waren bereits 5 000 ha betroffen. Heute sind es ca. 8 500 ha – also etwa die Hälfte der landesweiten Zuckerrübenanbaufläche. Und die Krankheit wandert jährlich rund 20 bis 30 km Richtung Osten, berichtet die Schweizerische Fachstelle für Zuckerrübenbau. Letztere hat eigens eine SBR-Sortenprüfung mit 48 Sorten aufgebaut, um schnell tolerante Sorten zu identifizieren. Parallel arbeiten Wissenschaftseinrichtungen an dem Thema. So fand die Fachhochschule Bern heraus, dass der Anbau einer Sommerung nach der Zuckerrübe die Entwicklung der Schilf-Glasflügelzikade stark einschränkt. Denn die Larven ernähren sich im Boden von der oft folgenden Winterung (Weizen). Entfällt die Winterkultur und wird zudem bis zur Saat der nächsten Sommerkultur auf der alten Rübenfläche mechanisch geackert, stört dies den Entwicklungszyklus der Zikade empfindlich.
Mit Mischkulturen Nährstoffeffizienz verbessern
Einen ackerbaulichen Ansatz verfolgt auch Reto Minder. Er bewirtschaftet einen Ackerbaubetrieb in Jeuss (Kanton Freiburg). Minder ist seit 27 Jahren Verfechter des pfluglosen Ackerbaus und Präsident von »Swiss No-till« mit 330 Landwirten und 15 000 ha Fläche. Der Landwirt baut auf 40 ha Weizen, Mais, Soja, Tabak und 10 ha Rosenkohl im Direktsaatverfahren an. Er erprobt den sogenannten Staffelanbau, bei dem zwei unterschiedliche Kulturen auf einem Schlag stehen. Seine Versuche – etwa Weizen mit Soja – sind seit diesem Jahr eingebunden in ein kantonübergreifendes Projekt, welches zum Ziel hat, mit Mischkulturen die Nährstoffeffizienz zu verbessern und den Pflanzenschutzmitteleinsatz zu reduzieren. Mit dem Staffelanbauversuch von Mais und Rüben begann er bereits vor vier Jahren – also lange, bevor das Projekt startete. Die positiven Auswirkungen auf die SBR-Infektionen in der Zuckerrübe sind dabei ein positiver Nebeneffekt, der nun auch wissenschaftlich begleitet werden soll.
Weiterentwicklung der konservierenden Landwirtschaft
Der Staffelanbau, auch Relay Cropping oder Relay Intercropping (RI) genannt, ist eine Weiterentwicklung der konservierenden Landwirtschaft. Im Gegensatz zu herkömmlichen Mischkulturen unterscheiden sich die angebauten Kulturpflanzen jedoch sowohl in den Saatterminen als auch im Erntezeitpunkt. Sprich: Auf derselben Fläche wird zweimal gesät und zweimal geerntet. Im Rahmen eines auf sechs Jahre angelegten, vom Bund geförderten Projekts hat Minder dieses Jahr Mais zusammen mit Zuckerrüben als RI angebaut. Ein großer Vorteil von RI sei die bessere Photosyntheseleistung der Pflanzen, sagt er. Ein positiver Effekt könnte möglicherweise ein geringerer Zikadenbefall sein. Retro Minder sagt bewusst »möglicherweise«. Denn langjährige Versuchsreihen mit verifizierbaren Ergebnissen kann er noch nicht vorweisen. Nachdem aber im Anbaujahr 2023 auf einer ersten, 3 000 m2 großen Fläche die positiven Effekte (mehr Rübenertrag sowie 1 % mehr Zucker) auf die Rüben sichtbar waren und Minder auch beim Mais 10 bis 15 % mehr geerntet hat (wegen der höheren Photosyntheseleistung im Freistand), setzte er das System in diesem Jahr bereits auf 4 ha um. Vergilbungen gebe es keine nennenswerten. Eine plausible Erklärung ist, dass die von Nachbarflächen einwandernde Zikade an der Barriere aus Maisstreifen schlichtweg hängen bleibt oder sich zumindest große Teile der Rüben ohne Zikadenbefall entwickeln können.
Technik anpassen
Der Körnermais ist dabei mehr als nur ein »geduldeter Partner«, um die Zikade abzuhalten. »Beide Kulturen werden geerntet«, stellt der Landwirt klar. Bei der Entwicklung des Systems müsse man dieses daher »vom Mähdrescher her zurück denken«: Der Drescher fährt in den identischen Spuren (3 m) wie bei der Maissaat (2,75). Bei der Aussaat wird aber lediglich im linken und rechten Bereich der Aussaatbreite je eine Doppelreihe (etwas enger als die sonst üblichen 75 cm) Mais gelegt. Der Zwischenraum ist bereits belegt. Dort wurden vor dem Mais bereits Mitte März vier Reihen Zuckerrüben im Abstand von 50 cm (in der Schweiz die Regel) gesät. Bei der späteren Körnermaisernte »überfährt« der Drescher dabei quasi mittig die Rüben. Das Körnermaisstroh stört die Rüben dabei nicht und fällt schnell zwischen die Reihen.
Das System ist möglich, weil Minder ausschließlich ConvisoSmart-Rüben einsetzt und der Mais das Herbizid verträgt. So kann er die komplette Fläche behandeln. Auch die Düngung erfolgt einheitlich vor der Saatbettbereitung. Der Mais erhält zusätzlich Phospor und 60 kg N zur Saat als Unterfußdünger. Minder hat festgestellt, dass die beiden Kulturen kaum um Nährstoffe konkurrieren, stattdessen aber besonders die Rübe sehr vom Mais profitiert: »An heißen Sommertagen, wie sie auch bei uns zunehmen, finden wir oft schlafende Rüben auf der Freifläche, während sie im Schatten der Maisreihe weiter stehen und Photosynthese betreiben.«
Bleibt die Frage, ob sich der gegenüber der Reinkultur aufwendigere Anbau lohnt? »Das wollen wir rausfinden. Aber allein schon, dass wir in Zeiten von SBR überhaupt noch Zuckerrüben anbauen können, sollte es uns wert sein«, sagt der Ackerbauer. Weder bei der Düngung noch beim Pflanzenschutz gebe es zudem einen nennenswerten Mehraufwand. Die Aussaat erfordere allerdings präzise Planung und Genauigkeit. Aber auch bezogen auf die Ernte sieht er die Zusatzkosten gelassen: »Den Mais ernten wir sonst 6-reihig, jetzt mit den beiden Doppelreihen nur 4-reihig. Das lässt sich verkraften. « Ebenso gebe es bei der Rübenernte keine Nachteile: Er arbeite aus Gründen der Bodenschonung und wetterangepasster Erntetermine ausschließlich mit schleppergezogenen zweireihigen Rodern, weshalb sich keine Mehrkosten ergäben. Dies zeigt allerdings, dass das System nicht auf deutsche Verhältnisse übertragbar ist.
Appell an ganze Branche
Wo die Grenzen dieses natürlichen Schutzzauns gegen die Zikade sind, kann Minder nicht sagen: »Nur einen Streifen Mais um die Rüben herum anzubauen, wird vermutlich nicht helfen, da die Zikade diesen überwindet.« Zudem würde dann der Schatten fehlen, der die Rüben
besser wachsen lässt. Zumindest berichten mehrere seiner Kollegen, dass im Schatten von zum Beispiel Bäumen am Ackerrand keine Gelbverfärbungen an den Rüben auftraten und die Zikade daher vermutlich auch generell den Schatten meidet. Einen typischen Streifenanbau – also ein Anbau in üblichen Arbeitsbreiten bei Mais und Rübe – sieht Minder hingegen skeptisch: »Dann gibt es weniger Randeffekte. Doch gerade die sind ja gewünscht.« Er will daher zunächst am Staffelanbau festhalten, würde sich aber wünschen, dass sich auch Unternehmen und Organisationen der Zuckerbranche sowie die Wissenschaft neben den Sortenfragen im Rahmen von Feldversuchen mit dem Thema beschäftigen, damit der Zuckerrübenanbau in SBR-Gebieten weiterhin eine Zukunft hat.