
NIRS-Sensorik. Wenn der Drescher weiß, was "drin" ist
Immer mehr Technologien ebnen den Weg hin zu einer teilflächenspezifischen Bewirtschaftung. So auch NIRS-Sensoren. Neuerdings können diese im Sekundentakt den Proteingehalt des Getreides während der Ernte erfassen. Wie sich damit die Anbaustrategie optimieren lässt, zeigen Steffi Fock und Yves Reckleben.
Einflussgrößen auf Ertrag und Inhaltsstoffe (er-)kennen und gezielt darauf reagieren, ist seit jeher das Prinzip der Landwirtschaft. Dies lässt sich im Rahmen der teilflächenspezifischen Produktion mehr und mehr in die Tat umsetzen. Die Teilschlagerfassung von Ertrag und Feuchte ermöglicht die Bewertung der Intensität angepasster Bewirtschaftungsmaßnahmen. Das Verfahren kann noch präziser
werden, wenn zusätzlich auch die Qualität im Feld kontinuierlich erfasst wird.
Egal ob Futter-, Brot-, oder Braugetreide – die Inhaltsstoffe (Protein, Stärke) beeinflussen die Verwertungseigenschaften des Getreides. Die Qualität hat großen Einfluss auf die zu erzielenden Erlöse. Kennt der Landwirt teilflächenspezifisch die Zusammenhänge zwischen Boden, Düngung und Proteingehalt, kann er die Produktionstechnik gezielt anpassen.
Stickstoffverwertung
Die Ertragskartierung gibt erste Hinweise darauf, welche Teile der Fläche Stickstoff in Ertrag umsetzen konnten. Auf den ersten Blick entziehen 9 t/ha Weizen dem Boden mehr Stickstoff als 6 t/ha. Pflanzenbaulich gesehen ist die Verwertung des Stickstoffs allerdings
nicht allein dem Ertrag zuzurechnen. Mit 16 % ist Stickstoff ein wesentlicher Bestandteil des Proteins und damit ein essenzieller Abnehmer des Düngers. Eine logische Erkenntnis aus diesen Informationen ist, dass der Stickstoffentzug zunimmt, je höher Ertrag und Proteingehalt des Getreides sind (Übersicht 1). Spannend ist, dass der N-Entzug bei geringem Ertrag und hohem Proteingehalt fast genauso so hoch sein kann wie bei hohem Ertrag und niedrigem Proteingehalt. Neben dem Entzug ist auch die gedüngte Stickstoffmenge relevant, um die N-Bilanz zu berechnen und damit eine Kennzahl für die Effektivität des eingesetzten Düngers zu erhalten (Übersicht 2).
Aus den beiden Übersichten geht hervor, dass bei der mineralischen N-Düngung hohe Ausnutzungsraten erreicht werden können. In Bereichen mit niedrigen Erträgen und zugleich geringem Proteingehalt weist die N-Bilanz deutliche Überschüsse auf, während bei hohen Erträgen und hohem Proteingehalt Stickstoff aus dem Boden mobilisiert wurde. Die offensichtlichen Unterschiede der N-Ausnutzung
können einen Anhaltspunkt für die Anpassung der Düngestrategie liefern.
Der Durchschnitt reicht nicht

Die Mittelwerte des Ertrages und des Proteingehaltes eines Feldes liefern nicht genügend Informationen für die teilflächenspezifische Anpassung der Düngung. Für die Bewertung der Stickstoffausnutzung spielt neben dem Ertrag der ortsgenaue Proteingehalt eine wesentliche Rolle. Protein ist außerdem ein Sättigungsindikator für die Stickstoffdüngung. Hohe Proteingehalte können nur erreicht werden, wenn Stickstoff nicht mehr stark ertragsbegrenzend war. Das bedeutet, dass hohe Proteingehalte auch zeigen, wo die letzten Kilo Stickstoff nicht so gut verwertet wurden. Umgekehrt bedeuten geringe Proteingehalte, dass Stickstoff ertragsbegrenzend war und eine Erhöhung der Düngemenge einen guten Grenzertrag gebracht hätte.
Innerhalb einer Weizengruppe zeigt ein ähnlicher Proteingehalt also eine ähnliche Sättigung an. Bei einem A-Weizen induzieren Proteingehalte deutlich unter 13 % ungenutztes Ertragspotential mit besserer Verwertung von einem Mehr an Dünger gegenüber Zonen mit deutlich über 13 % Protein. Damit lässt sich der Durchschnittsertrag erhöhen, wenn in den Folgejahren Stickstoff aus Zonen mit viel Protein in Zonen mit wenig Protein umgelagert werden kann.
Bekannte Technik, neue Anwendung
Bereits seit einiger Zeit kommen Nahinfrarotsensoren (NIRS) beispielsweise bei der Silomaisernte zur Bestimmung der Inhaltsstoffe oder bei der Ausbringung von Gülle zum Einsatz. Neuerdings ist es mit dieser Technologie auch möglich, die Inhaltsstoffe im Getreide zu messen. So z. B. mit dem HarvestLab 3000 von John Deere. Über GPS-Koordinaten werden die Qualitäten ortsgenau kartiert und im Farmmanagementsystem zusammen mit den Ertragsdaten ersichtlich.
Die unten stehende Abbildung zeigt, dass einzelne Zonen nur einen Ertrag von 5 t/ha erreicht haben, während in anderen über 9 t/ha gedroschen wurden. Auf der Seite der Proteinkarte wird genau das Gegenläufige deutlich: Die Zonen mit geringem Ertrag haben hohe Proteingehalte erreicht, die Zonen mit hohem Ertrag geringe Proteingehalte. Dies stellt ein typisches, bodenabhängiges Muster dar.
Durch die Berechnung des Stickstoffentzugs lässt sich ableiten, dass in den Zonen mit geringem Ertrag viel Stickstoff für wenig
Ertragszuwachs ausgebracht wurde. Der Proteingehalt hat davon profitiert. In den Zonen mit hohen Erträgen hingegen wurde weder beim Ertrag noch beim Proteingehalt das Optimum erreicht. Der ortsspezifische Proteingehalt hilft also nicht nur dabei, den kleinstrukturierten Stickstoffentzug richtig zu berechnen. Er dokumentiert auch die Stickstoffsättigung.

Ökonomische Bewertung
Neben pflanzenbaulichen Entscheidungen können Ertrags- und Proteinkarten auch für ökonomische Bewertungen herangezogen
werden. Sofern nur eine Ertragskarte vorliegt, lässt sich der Erlös einzelner Zonen berechnen. Auf dem Beispielschlag wurde im Schnitt ein Proteingehalt von über 13 % geerntet, sodass von einem Weizenpreis von 200 €/t ausgegangen werden kann. Auf der Erlösseite bedeutet das Ertragshistogramm des Beispielschlages, dass auf 21 % der Fläche die Aufwendungen inklusive Pachtansatz unterhalb von
1 000 €/ha liegen müssen. In anderen Bereichen übertrifft der Erlös 1 800 €/ha, sodass ein erhöhter Betriebsmittelaufwand
gerechtfertigt wäre. Zusätzlich kann die N-kostenfreie Leistung, also der Erlös minus der Kosten für Stickstoff, berechnet werden. In dem Zusammenhang zeigt sich, dass an Stellen mit hohem Proteingehalt eine geringere N-Düngung vorlag und die N-kostenfreie
Leistung bei hohen Stickstoffüberschüssen gering war.
Aus Feldversuchen ist bekannt, dass der Ertrag in Zonen mit hohem Proteingehalt und zeitgleich hohem N-Überschuss wenig sensibel auf eine verringerte Stickstoffdüngung reagiert. Wird diese Information mit den Ertrags- und Proteinkarten verknüpft, lassen sich Zonen für Verlagerung von Stickstoff erstellen. In unserem Beispiel ist auf 40 % der Fläche die N-Bilanz größer als 60 kg N/ha. Nach den pflanzenbaulichen Erkenntnissen hätte eine Verringerung um 30 kg N/ha auf 40 % der Fläche also nahezu keine Ertragsauswirkung gehabt. Andersherum hätten 20 kg N/ha auf dem Rest der Fläche zu einem Ertrags- und Proteinanstieg führen können. Selbst wenn diese 20 kg N/ha dort nur zu 50 % in Ertrag umgesetzt würden, hätte sich ein Mehrerlös von über 50 €/ha im Felddurchschnitt ergeben.
Fehlervermeidung
Im Rahmen unserer Untersuchungen konnten wir zeigen, dass Muster wie in der Abbildung links auf Weizenschlägen häufiger vorkommen. Einzelne Flächen wiesen allerdings Besonderheiten auf, die nicht durch Bodeneinflüsse, sondern durch fehlerhafte Düngerverteilung zu erklären sind. So konnten wir auf einem Schlag in Schleswig-Holstein beispielsweise relativ systematisch verteilte Streifen mit niedrigen Proteingehalten sehen. Das zeigt, dass die verwendete Düngetechnik mit dem genutzten Mineraldünger bei der Streubreite von 36 m an ihre Grenzen stößt. Auf einem anderen Schlag zeigte sich nach einer Wirtschaftsdüngerausbringung (ohne NIRS-Sensorik am Ausbringfass) deutlich, dass das Güllelager gewechselt und damit Ertrag und Qualität verschenkt wurde. Auf insgesamt etwa 10 % der Fläche wurde im Durchschnitt 1 t weniger Ertrag und 1 % weniger Protein gemessen. Diese Beispiele unterstreichen, dass die richtige Maschineneinstellung bei der Bestandesführung einen erheblichen Einfluss auf Ertrag und Qualität hat.
Strategieverbesserung
Während Ertrag das Ergebnis vieler Faktoren (Boden, Witterung, Bewirtschaftung) ist, bildet Protein die Sättigung der Pflanze mit
Stickstoff ab. Aus den genannten Beispielen kann die Frage abgeleitet werden, ob an Stellen mit geringem Ertrag ein Mehr an Dünger die höhere Ertragswirkung gehabt hätte als an Stellen mit bereits hohem Ertrag. Insgesamt ergeben Stickstoffsteigerungsversuche nicht nur Aussagen über die Ertragswirkung, sondern auch über die Proteinwirkung. Für die Strategieverbesserung sind regionale
Pflanzenbauversuche gute Anhaltspunkte, um zu verstehen, wie die Zusatzerträge bei Zusatzdüngung abnehmen. Es gilt, auf den eigenen Flächen herauszufinden, ob eine Zusatzdüngung noch ertragswirksam wäre oder ob bereits eine Stickstoffsättigung vorliegt. Das Ziel sollte ein stabiler Proteingehalt in allen Ertragszonen des Schlages sein. Da die Aufzeichnung von Proteinkarten erst seit wenigen Jahren marktfähig ist, gibt es bisher keine langjährigen Auswertungen zur Konstanz der Ertrags- und Proteinmuster. Die Auswertung mehrerer Felder über zwei bzw. drei Jahre deuten jedoch darauf hin, dass hinreichende Flächenanteile konstante Muster aufweisen.