
Risikomanagement. Senkt Hedging das Risiko?
Können Sie durch Warentermingeschäfte langfristig das unternehmerische Risiko minimieren? Die Ergebnisse einer Studie mit 2 200 Betrieben zeigen, dass das nur selten der Fall ist. Lukas Sigl und Norbert Hirschauer fassen die Ergebnisse zusammen.
In den vergangenen Jahrzehnten wurde Hedging zunehmend als Risikomanagementinstrument für die Landwirtschaft propagiert. Der positive Klang des Begriffs »Preisabsicherung« mag zu dieser Einschätzung beigetragen haben. Dabei wird die Risikowirkung häufig aus dem Blick verloren. Vielmehr schauen Landwirte oft nur auf die kurzfristigen Spekulationsgewinne und -verluste: Sie freuen sich, wenn sie mit dem Warentermingeschäft gewinnen, und ärgern sich, wenn sie verlieren.
Dies greift allerdings zu kurz. Bei der Beurteilung von Risikomanagementmaßnahmen geht es darum, inwiefern sie die Wahrscheinlichkeit und/oder die Höhe negativer Erfolgsausschläge verringern können. Denken Sie an den Abschluss einer Versicherung: Sie kostet zwar jedes Jahr Geld und in vielen Jahren »bringt sie nichts«, aber im Schadenfall (z. B. Brand oder Hagelschlag) reduziert sie den Verlust.
Zeitliche Vorfixierung nicht immer erfolgreich
Dass eine zeitliche Vorfixierung von Preisen nicht zwingenderweise negative Erfolgsausschläge verringert, sondern diese sogar herbeiführen kann, hat das Dürrejahr 2018 gezeigt. Viele Kartoffelproduzenten hatten Anfang 2018 die Preise »abgesichert«, da die Notierungen zu diesem Zeitpunkt ganz ordentlich erschienen. Das heißt, bei normalen Ernteerträgen hätten die vorab fixierten Preise die Produktionskosten deutlich überdeckt. Aufgrund der Dürre kam es dann aber zu extrem niedrigen Erträgen bei gleichzeitig sehr hohen Marktpreisen. Diese hohen Preise konnten die Kartoffelproduzenten, die ihren Verkaufspreis vorab festgelegt hatten, nicht mitnehmen. Sie hatten die Stabilisierung der Erlöse durch den natürlichen Risikoausgleich ausgehebelt, der sich aufgrund der mengenabhängigen Preisbildung am Markt ergibt. Es kam also gerade durch die »Absicherung« des Preises zu geringeren Erlösen und damit geringen Deckungsbeiträgen.
Im Nachhinein ist jeder schlauer
Man muss Entscheidungen zum Risikomanagement treffen, bevor die unsicheren Ereignisse eintreten. Aus der ernüchternden Erfahrung mit Warenterminkontrakten in einem einzelnen Jahr lässt sich – ähnlich wie bei Versicherungen – nicht ableiten, dass sie nicht für das Risikomanagement geeignet sind. Es könnte ja durchaus sein, dass es in anderen Jahren gelingt, schlechte Unternehmensergebnisse durch Gewinne an der Börse zu kompensieren. Diesbezügliche Informationen erhält man nur, wenn man eine auf betrieblichen Daten basierende Analyse der langfristigen Risikowirkung von Hedgingstrategien vornimmt.
Können Weizen-Futures die Schwankungen im Betriebseinkommen abpuffern? Um darauf eine Antwort zu liefern haben wir eine breitangelegte Studie mit knapp 2 200 Betrieben aus Bayern und den östlichen Bundesländern durchgeführt. Als Datengrundlage nutzten wir die Buchhaltungsdaten der einzelnen Betriebe sowie Preisdaten der Euronext Paris (Weizenkontrakt »Milling Wheat No. 2«) der vergangenen 20 Jahre. Untersucht wurden neun Hedgingstrategien, die sich bezüglich des Absicherungszeitpunkts und des Kontraktvolumens unterscheiden.
Die nebenstehende Grafik zeigt für einen Absicherungszeitpunkt, welche Gewinne und Verluste Weizen-Futures im Untersuchungszeitraum von 2000/01 bis 2020/21 verursacht hätten. Es wurde unterstellt, dass der Weizenpreis immer am 15. Oktober eines Jahres (durchschnittlicher Aussaattermin) fixiert und der Kontrakt am 15. Juli des Folgejahres (durchschnittlicher Erntetermin) glattgestellt wurde. Am 15. Oktober wurde also eine Short-Position und am 15. Juli eine Long-Position eingegangen. In den meisten Jahren war von 15. Oktober bis zum 15. Juli des Folgejahres eine Seitwärtsbewegung zu beobachten. Das heißt, die Preise lagen an den Stichtagen relativ nah beieinander und durch das Termingeschäft wären nur geringe Gewinne oder Verluste entstanden. In drei Jahren
wäre es allerdings zu deutlichen Verlusten gekommen (2007: – 45 €/t; 2010: – 39 €/t; 2012: – 86 €/t). Nennenswerte Gewinne wären nur in zwei Jahren entstanden (2013: 37 €/t; 2016: 27 €/t). Und über alle Jahre hinweg hätte das Termingeschäft im Durchschnitt einen Verlust von – 5 €/t verursacht.
Kein isolierter Blick auf Gewinne und Verluste

Der isolierte Blick auf die Gewinne und Verluste des Warentermingeschäfts reicht aber nicht aus, um die Wirkungen auf das unternehmerische Risiko eines Landwirts zu beurteilen. Die zentrale Frage ist, ob es durch das Termingeschäft gelungen wäre, die betrieblichen Negativausschläge in schlechten Jahren abzumildern oder gar aufzufangen. Das haben wir für einen Beispielbetrieb untersucht. Dabei wurde angenommen, dass der Landwirt jeweils am 15. Oktober eine Short-Position für den gesamten erwarteten Weizenertrag eingegangen ist und dass er am 15. Juli des Folgejahres durch eine Long-Position glattgestellt hat.
Der als Beispiel genutzte Ackerbaubetrieb hat hohe Weizenanteile in der Fruchtfolge und ist im Betrachtungszeitraum kontinuierlich gewachsen. Neben den Gewinnen und Verlusten des Warentermingeschäfts wurden Ordergebühren (jeweils 0,60 €/t für die Einnahme einer Short- und Long-Position) und Kapitalkosten (4 % p.a.) für die zu hinterlegende Sicherheitsleistung (10 % des Kontraktvolumens) berücksichtigt.
So wirkt Hedging im Beispielbetrieb
Das in der Übersicht 1 abgebildete Jahr 2002/03 bildet mit einem Unternehmensergebnis von 140 €/ha LF den sogenannten Median. Es gibt also zehn schlechtere Jahre mit einem Unternehmensergebnis unter 140 €/ha LF und zehn bessere Jahre mit einem Ergebnis darüber. Die schlechteren Jahre sind in der Übersicht zu sehen. Im Beispielbetrieb wäre es demnach nicht gelungen, die Negativausschläge in diesen
schlechten zehn Jahren aufzufangen. Vielmehr führte das Warentermingeschäft in sechs Jahren zu einer weiteren Verschlechterung (rot markiert) und nur in vier Jahren zu einer Verbesserung des Ergebnisses.
Hedging an der Warenterminbörse hätte also die Situation in den wirtschaftlich schwierigen Jahren eher weiter verschlechtert als verbessert. Die Wirkung der Termingeschäfte auf das Erfolgsniveau ist zwar moderat. Über alle Jahre hinweg wäre es aber zu einem durchschnittlichen Verlust von – 12 €/ha LF gekommen.
Natürlich sind die Risikowirkungen des Hedging in den knapp 2 200 untersuchten Betrieben unterschiedlich. Kleine Unterschiede ergaben sich auch zwischen den neun untersuchten Strategien, die sich hinsichtlich der Absicherungszeitpunkte und Absicherungsanteile (in % der erwarteten Weizenernte) unterschieden. Über alle Betriebe und Strategien hinweg sind die Risikowirkungen aber ernüchternd. Wir zeigen dies beispielhaft anhand der drei untersuchten Full-Hedge-Strategien, bei denen ein jährliches Kontraktvolumen von 100 % der erwarteten Weizenernte angenommen wurde:
- Bei der Fixed-Time-Strategie wurde (wie im Beispielbetrieb) am 15. Oktober die gesamte erwartete Weizenernte über eine Short-Position abgesichert.
- Bei der Split-Time-Strategie erfolgte dies jeweils zu einem Drittel am 15. Oktober, am 15. Januar und am 15. April.
- Bei der Limit-Strategie wurde unterstellt, dass der Weizenpreis fixiert wurde, sobald in der Zeit zwischen 15. Oktober und 15. Juli ein Futurespreis von über 195 €/t erzielt werden konnte.
Die Glattstellung erfolgte bei allen Strategien am 15. Juli. Übersicht 2 zeigt, wie gut bzw. wie schlecht die verschiedenen Hedgingstrategien die Erfolgsschwankungen (gemessen über die Standardabweichung) verringert hätten. Dargestellt ist, welche prozentualen Anteile der Betriebe welche »Hedgingeffektivität« erzielt hätten. Darunter versteht man die prozentuale Reduzierung der Streuung der individuellen
Betriebseinkommen.

Die analysierten Hedgingstrategien stellen kein geeignetes Risikomanagementinstrument dar. Über alle drei Strategien hinweg ergab sich bei ca. 25 % der Betriebe eine negative Hedgingeffektivität. Ein Viertel der Betriebe hätte also durch die Terminkontrakte die Streuung des Unternehmenserfolgs erhöht und damit genau das Gegenteil dessen verursacht, was man erreichen wollte.
In weiteren 50 % der Betriebe war die Risikowirkung so gering, dass sie zu vernachlässigen ist. Nur ein sehr geringer Anteil von 5 % der Betriebe hätte eine Hedgingeffektivität im oberen einstelligen Bereich oder darüber erzielt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Termingeschäfte in einem Großteil der Betriebe Verluste verursacht hätten. In vielen Betrieben hätte Hedging also Kosten verursacht, aber nur eine unwesentliche Minderung oder sogar eine Erhöhung des Risikos hervorgerufen. Zwischen verschiedenen Betriebstypen ergaben sich keine großen Unterschiede.
Die geringe Risikowirkung liegt an der Komplexität landwirtschaftlicher Betriebe. Das unternehmerische Risiko ergibt sich durch das Zusammenspiel einer Vielzahl unsicherer Einflussgrößen auf den Unternehmenserfolg. Denken Sie nur an die Kosten, Erträge und Preise der verschiedenen Produktionsverfahren, die Sie in Ihrem Betrieb umsetzen. Es gibt nicht nur den Preis als sicherungswürdige Risikogröße.
Deshalb kann die Fixierung des Preises sogar nach hinten losgehen, wenn z. B. der natürliche Risikoausgleich zwischen negativ miteinander korrelierten Erträgen und Preisen ausgehebelt wird. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Landwirte Warentermingeschäfte kaum als Instrument zur Minderung ihres unternehmerischen Risikos ansehen, sondern eher auf kurzfristige
Spekulationsgewinne hoffen. Es ist allerdings fraglich, ob es ihnen über längere Zeiträume gelingt, den Markt so weit zu schlagen, dass die Kosten und Gebühren der Termingeschäfte überdeckt werden.