
Agroforstwirtschaft. Einfach noch nicht attraktiv genug
Die Bundesregierung hat sich für die Anlage von Agroforstsystemen hohe Flächenziele gesetzt. Sie fristen aber nach wie vor ein Nischendasein. Gründe dafür gibt es einige. Der entscheidendste ist wie so oft die mangelnde Wirtschaftlichkeit, sagt Christian Böhm.
Agroforstwirtschaft ist für viele heute kein unbekannter Begriff mehr. Das war vor wenigen Jahren noch anders. Zwar ist der kombinierte Anbau von Gehölzen und landwirtschaftlichen Kulturen auf einer Fläche keine neue Erfindung. Allerdings geriet diese Form der Landbewirtschaftung in den letzten 100 Jahren vor allem durch die strikte Trennung von forstund landwirtschaftlicher Fläche zunehmend in Vergessenheit. Das Rückbesinnen auf die Integration von Gehölzen auf landwirtschaftlichen Flächen ist lohnenswert,
und zwar sowohl für die Landwirtschaft als auch für den Naturschutz und nicht zuletzt für die Gesellschaft insgesamt. Allerdings
zeigt die aktuelle Situation, dass sich die Umsetzung von Agroforstsystemen in der Praxis häufig nicht so einfach gestaltet. Die Gründe hierfür sind vielfältig.
Bedarf an mehr Agroforstflächen
Dass mehr Agroforstflächen dringend nötig sind, zeigt das Beispiel Klimaschutz. So sollen gemäß Klimaschutzgesetz im Sektor Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) bis 2030 jährlich 25 Mio. t CO2-Äquivalente gebunden werden, um die unvermeidbaren oder aufwendig zu reduzierenden Emissionen zu kompensieren.
Für Agroforstsysteme lässt sich mit Bezug auf die ober- und unterirdische Holzbiomasse eine durchschnittliche jährliche C-Bindungsleistung von rund 10 t CO2-Äq je Hektar Gehölzfläche veranschlagen. Würdenin Deutschland 50 % der Betriebe im Mittel auf 5 % ihrer Fläche (unterstellt wird eine mittlere Betriebsgröße von 63 ha) Agroforstgehölze pflanzen, so ergäbe sich insgesamt eine Agroforstgehölzfläche von gut 400 000 ha. Das entspräche 2,5 % der Landwirtschaftsfläche Deutschlands. Dabei liegt das nachhaltig mögliche Flächenpotential für Agroforstgehölze sogar deutlich darüber. Multipliziert mit dem genannten C-Bindungswert könnten bei
2,5 % LF jährlich rund 4 Mio. t CO2-Äq gebunden werden. Das entspricht immerhin 16 % des für den LULUCF-Sektor bis 2030 festgesetzten Zielwertes.
Agroforstwirtschaft mit hohem Klimaschutzpotential
Somit besitzt die Agroforstwirtschaft ein sehr hohes Klimaschutzpotential, was nach einer Studie des Öko-Institutes (2024) zur Bewertung möglicher Maßnahmen im LULUCF-Sektor lediglich durch die Wiedervernässung von Moorflächen überboten wird. Die Umsetzung Letzteres dürfte sich großflächig allerdings noch schwieriger erweisen als die Etablierung von Agroforstsystemen. Diese haben neben dem Klimaschutzwert zudem zahlreiche weitere Vorteile. So könnten aufgrund der multifunktionalen Wirkung von Agroforstsystemen u.a. landwirtschaftlich genutzte Flächen besser an Klimaänderungen angepasst, Bodenabtrag deutlich reduziert und die Biologische Vielfalt in Agrarräumen gefördert werden. Eine hierdurch bedingte Einschränkung der Nahrungsmittelproduktion ist dabei nicht zu befürchten.

Warum trotz dieser Vorteile immer noch sehr wenige Flächen umgesetzt werden, hat vielfältige Gründe. Für die meisten Landwirte kommen Agroforstsysteme bisher vor allem auf Eigentumsflächen infrage. Auf Pachtflächen bleibt aufgrund der langen Nutzungszeiten ein Restrisiko, dass Pachtverhältnisse vor Nutzung der Bäume beendet und die Investition somit nicht genutzt werden kann. Auch ist für die Etablierung und Pflege in den ersten Jahren Geld in die Hand zu nehmen, ohne dass Erlöse zurückfließen. Eine wesentliche Hürde sind aber die nach wie vor bestehenden rechtlichen Hemmnisse, verbunden mit einer viel zu niedrigen Honorierung gesellschaftlicher Leistungen.
Was hat sich in den vergangenen vier Jahren politisch getan? Anfang 2021 fasste der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit den Beschluss, Agroforstsysteme zu fördern und in das deutsche Landwirtschaftsförderrecht aufzunehmen. Seit 2023 können Agroforstflächen nun rechtssicher angelegt werden. Ein besonderer Fortschritt hierbei ist, dass Agroforstwirtschaft als Teil der landwirtschaftlichen Nutzung anerkannt und somit auch die Gehölzfläche eines Agroforstsystems Teil der förderfähigen Fläche ist. Zudem wurde im GAP-Strategieplan festgelegt, dass die Beibehaltung der agroforstlichen Nutzung als sogenannte Öko-Regelung 3 über
den Bund gefördert wird und gleichzeitig die Bundesländer für die Unterstützung der Anlage von Agroforstsystemen verantwortlich sind. Leider wurden Maßnahmen zur Investitionsförderung bislang kaum umgesetzt, noch griff die Förderung über die Öko-Regelung 3. Aktuell bieten lediglich Bayern und Mecklenburg-Vorpommern Investitionsförderungen an, wo 65 % der investiven Kosten rückerstattet werden können. Allerdings sind gerade bei letzterem Bundesland die Auflagen und Voraussetzungen zur Inanspruchnahme so hoch, dass derzeit kaum ein Betrieb die Förderung in Anspruch nimmt. Auch in Niedersachsen und Sachsen wird die Anlage von Agroforstflächen gefördert, aktuell jedoch nur auf Ackerland und lediglich bis zu 40 % der investiven Kosten.
Die geringe Förderung für ein derart komplexes, multifunktional wirkendes Anbausystem, verbunden mit vergleichsweise immer noch hohen Hürden ist ein wesentlicher Grund für die verhaltene Umsetzung von Agroforstflächen. Zwar kommen im ganzen Bundesgebiet stetig neue Flächen hinzu, dennoch ist deren Anteil an der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche noch immer verschwindend gering. Die Agroforst-Landkarte des Deutschen Fachverbandes für Agroforstwirtschaft (DeFAF) e.V. wies Ende 2023 eine aktiv bewirtschaftete Gehölzfläche von nur knapp 300 ha aus (ohne Streuobstbestände). Da die Eintragung in die Karte auf freiwilliger Basis geschieht, ist anzunehmen, dass die tatsächliche Gehölzfläche um ca. 50 % höher liegt. Dennoch sind diese Zahlen weit entfernt von den Zielen der Bundesregierung, die 2023 im erwähnten GAP-Strategieplan davon ausging, dass die agroforstlich genutzte Gehölzfläche bis 2026 um 200 000 ha ansteigt. 2024 wurde dieses Ziel auf 11 500 ha reduziert.
Die Umweltleistungen von Agroforstflächen müssen künftig noch gezielter und besser gefördert werden.
Schrittweiser Abbau bürokratischer Hürden
Zumindest auf Bundesebene werden schrittweise bürokratische Hürden abgebaut und der Fördersatz angehoben. So erhalten Betriebe, die Agroforstflächen bewirtschaften, ab 2024 je Hektar Gehölzfläche jährlich 200 € statt 60 €. Ab 2025 soll zudem das Nutzungskonzept sowie weitere Hürden bei der Öko-Regelung 3, wie z. B. der Mindestabstand zum Flächenrand von 20 m, wegfallen. Das ist eine gute Entwicklung, reicht jedoch bei Weitem nicht aus, um die auch gesellschaftlich notwendige Umsetzung der Agroforstwirtschaft in Deutschland deutlich voranzubringen. Ziel muss es sein, dass die bürokratischen Hürden für die Anlage einer Agroforstfläche nicht höher sind als bei der Einsaat einjähriger Reinkulturen.
Es bleibt zu hoffen, dass in der nächsten GAP ab 2027 die Agroforstwirtschaft stärker in den Fokus rückt, bestehende rechtliche Hemmnisse abgebaut werden, gerade mit Blick auf das Naturschutzrecht Planungssicherheit geschaffen wird und die Umweltleistungen der Agroforstflächen angemessen und gezielt honoriert werden. Auch die Einführung des CO2-Zertifikatehandels im Landwirtschaftssektor würde die wirtschaftliche Attraktivität von Agroforstsystemen gerade in der Anfangsphase deutlich erhöhen. Ungeachtet dessen ist die Agroforstwirtschaft auch sehr gut geeignet, um regionale Wertschöpfung zu fördern. Schon jetzt zeigen
Beispiele älterer Agroforstflächen, dass diese nicht nur die Ertragsstabiltät verbessern, sondern auch betriebswirtschaftlich Vorteile bringen – sei es durch die Eigennutzung des Holzes zur energetischen Verwertung oder durch die Direktvermarktung von Produkten aus Agroforstsystemen wie Eier. Für viele Produkte sind allerdings Mindestmengen notwendig, um lohnenswerte Vermarktungswege zu etablieren.
Ausblick
Sowohl immer mehr konventionelle als auch ökologisch wirtschaftende Betriebe setzen sich mit dem Thema Agroforst auseinander. Was jetzt noch fehlt, ist ein wirkungsvoller Impuls. Ein solcher könnte beispielsweise von einer attraktiven Investitionsförderung ausgehen. Wie eine unbürokratische Förderung aussehen kann, zeigt die SilvoCultura GmbH aus der Schweiz, die in Zusammenarbeit mit der Stiftung MyClimate in begrenztem Maße auch in Deutschland die Anlage von Agroforstflächen finanziell unterstützt. Neben der finanziellen Unterstützung müssen aber auch Lernorte geschaffen werden, an denen Praktiker Erfahrungen austauschen können. So ist es begrüßenswert, dass das BMEL seit Kurzem den Aufbau eines deutschlandweiten Modell- und Demonstrationsnetzwerks für Agroforstwirtschaft fördert, in das unter anderem 30 landwirtschaftliche Betriebe involviert sind.
Näheres dazu erfahren Sie im Internet unter agroforst-info.de/modema/.
Gut geplant ist halb umgesetzt
Welches Agroforstsystem kommt für mich infrage? Welche Baumarten sind geeignet? Was ändert sich bei der Bewirtschaftung? Bei der Anlage von Agroforstsystemen ist vorab vieles zu klären. Einen besonderen Fokus sollten Sie auf die Standorteigenschaften legen, sagen Thorsten Ruf und Tamina Schürmann.
Für die Anlage eines Agroforstsystems gibt es keine Blaupause. Welche Gehölze kann ich mit welchen landwirtschaftlichen Kulturen kombinieren? Wie groß müssen die Abstände zwischen den Gehölzstreifen sein? In welcher Ausrichtung müssen die Baumreihen gepflanzt werden? Wie entscheidend ist die Hauptwindrichtung? Muss ich in neue Technik investieren? Vor der Etablierung eines
Agroforstsystems sind viele betriebsspezifische Fragen zu klären. Eine höhere Resilienz, Ertragsstabilität und agrarökologische Vorteile lassen sich nur erreichen, wenn die Konkurrenz zwischen Ackerkulturen und Gehölzen durch die Schaffung von Synergien minimiert werden kann.
Standortwahl. Neben den bereits aufgeführten Fragen spielt der Standort eine Schlüsselrolle. Hier sind die Ansprüche der Gehölze im Hinblick auf Bodeneigenschaften und weitere Standortbedingungen zu beachten. Durch die geplante lange Standdauer von Agroforstsystemen gilt es zudem, Klimawandelszenarien und deren Auswirkungen bei der Planung zu berücksichtigen. Systeme, die heute an einem Standort sehr gut funktionieren, können das in Zukunft möglicherweise nicht mehr. Maßgeblich sind hier vor allem
mögliche Veränderungen bei den Wasserverhältnissen.
Vielerorts findet sich in der Landschaft ein recht kleinräumiges Mosaik an Ausgangsgesteinen und daraus resultierend sehr variablen Bodeneigenschaften, welche in Mittelgebirgslagen überdies durch die Geländeform geprägt werden. Für die Planung von Agroforstsystemen ist daher die Nutzung hochaufgelöster bodenkundlicher Daten nötig. Daten der Bodenschätzung und daraus abgeleiteter Größen können für einen ersten Eindruck hilfreich sein. Für detailliertere Informationen erscheinen aber eine kleinmaßstäbliche bodenkundliche Kartierung und Beprobung der zu überplanenden Fläche unumgänglich. Diese sollten sich an der Geländeform orientieren und die in der Übersicht aufgeführten Aspekte berücksichtigen.
Da der Standortanpassung bei Agroforstsystemen eine so große Bedeutung zukommt, sollten Sie die in der Übersicht genannten Daten vor Ort erheben. Sinnvoll sind zudem einige begleitende Laboranalysen. Insbesondere in Gebieten mit bekanntermaßen kleinräumig wechselnden Bodenverhältnissen sollten diese teilschlagspezifisch durchgeführt werden. Die Ableitung der bodenhydrologischen Verhältnisse unter Berücksichtigung des Klimawandels sind Schlüsselelemente für langfristig erfolgreiche Agroforstsysteme, in denen sich Gehölze und Ackerkulturen synergistisch ergänzen können. Die Planung von Agroforstsystemen sollte somit als interdisziplinärer Ansatz von Landwirten, Bodenkundlern und Gehölzkundigen angesehen werden.
Dr. Thorsten Ruf und Tamina Schürmann, Institut für biologische Landwirtschaft an der Agrarökologie Luxemburg
