
Handelskrieg. Zerreißt das globale Handelsnetz?
Der von den USA angezettelte Handelskrieg mit China ist eine Gefahr für die Weltwirtschaft. Die Strafzölle bedrohen die Warenströme und könnten die globale Versorgung in Schieflage bringen. Welche Folgen es für den Agrarsektor hätte, wenn Europa und Südamerika sich auf eine der beiden Seiten schlügen, erläutert Stefan Vogel.
Eine Führungsrolle in der Welt beibehalten, Einnahmen zur Finanzierung des steigenden Haushaltsdefizits erhöhen sowie Verbündete belohnen und Gegner bestrafen – die USA unter Präsident Donald Trump nutzen Zölle zur Erreichung mehrerer Ziele. Die große globale Unsicherheit, die dabei entsteht, könnte andere Länder dazu zwingen, sich strategisch (neu) auszurichten, um etwas Stabilität zu schaffen. Dieser Beitrag ist ein Gedankenexperiment, und keine Analyse. Er stellt die möglichen Extreme von Handelsbeschränkungen zwischen den USA und China sowie deren Verbündeten dar, und zeigt Folgen für die globale Ernährungs- und Agrarindustrie auf.
Die USA definieren ihre Rolle in der Weltordnung neu
Dabei treffen sie auf Herausforderungen durch China und andere Nationen. Da viele Länder auf den Verteidigungsschirm der USA angewiesen sind, besteht ein zentrales Risiko im geopolitischen Umfeld darin, dass die USA oder China Ultimaten stellen und neue Allianzen bilden. Obwohl Europa und Südamerika nach strategischer Autonomie streben (Szenario 1), könnten sie gezwungen sein, sich für eine Seite zu entscheiden (Szenarien 2 und 3, siehe Kasten unten).
Szenario 1: Neutrales Südamerika und Europa
In unserem ersten Szenario, in dem die US-Allianz nicht mehr in Länder der China-Allianz exportieren kann, ist die Situation für Grundnahrungsmittel wie Getreide, Ölsaaten, tierisches Eiweiß, Milcherzeugnisse (in Milchäquivalent) in jedem verbündeten Block beherrschbar. Allerdings sind kostspielige Umleitungen bestehender Handelsströme möglich (etwa bei Dünge- und Pflanzenschutzmitteln), die einige Märkte aus dem Gleichgewicht bringen können.
Auswirkungen auf die US-Allianz
Ein geringer Überschuss bei Ölsaaten und tierischem Eiweiß ist möglich. Die umfangreiche Neuordnung der heutigen effizienten Handelsströme sowie die Substitution von Rohstoffen würde Kosten verursachen.
Getreide: Ein großer Überschuss an Sorghum, der 75 % der Exporte des US-Blocks (28 % seiner Produktion) ausmacht, müsste alternative Absatzmärkte finden. Dieser Überschuss dürfte zu einem niedrigeren Preis in die heimische Fütterung fließen.
Ölsaaten: Bei Sojabohnen käme es zu Verwerfungen; nordamerikanische Herkünfte gelangten nicht mehr zum weltweit größten Käufer China. Auch die Rapsindustrie in Australien, Kanada und der Ukraine müsste alternative Käufer für 16 % (2,5 Mio. t) ihrer Exporte finden. Das wäre möglich, ginge allerdings zulasten der Margen in der Landwirtschaft.
Tierisches Eiweiß: Exporte aller Fleischarten müssten (zulasten der Margen) umgeleitet werden, insbesondere da bestimmte Qualitäten oder Schnitte außerhalb der China-Allianz nur schwer Käufer finden dürften.
Milchprodukte: Die Exporteure müssten Milch in verschiedene Produktströme und Märkte umleiten. Das träfe vor allem Neuseeland, das mehr als 70 % der Milchpulverimporte Chinas stellt, und die USA.
Auswirkungen auf die China-Allianz
Die Auswirkungen auf die Agrarrohstoffe, einschließlich tierischem Eiweiß und sogar Milchprodukten wären größtenteils beherrschbar, da China und Russland ihre Selbstversorgung in den vergangenen fünf Jahren erheblich gesteigert haben.
Getreide: Insgesamt sind bei Getreide nur begrenzte Probleme absehbar. Eine Ausnahme bilden die 6 Mio. t Sorghum, die aus der US-Allianz in die China-Allianz fließen, und dort 60 % des Verbrauchs ausmachen. Im Futtermittel könnte Mais Sorghum ersetzen, in der Spirituosenindustrie dürfte das Ausbleiben der Einfuhren die Schnapsproduktion beeinträchtigen.
Ölsaaten: Die China-Allianz sähe sich mit sehr knappen Ölsaatenlieferungen konfrontiert und müsste fast alle verfügbaren Sojabohnen außerhalb der USA zu einem erhöhten Preis beschaffen. Darüber hinaus fehlten der Allianz 2,5 Mio. t Rapssaat und damit 10 % ihres Verbrauchs.
Pflanzenöl: Diese Märkte würden einen Weg finden, das Gleichgewicht zu erhalten. Sollte sich Malaysia aber der US-Allianz anschließen, müssten 6,5 Mio. t Palmöl (60 % des aktuellen Verbrauchs und 11 % des gesamten Pflanzenölverbrauchs der China-Allianz) durch andere Öle (und zu höheren Kosten) ersetzt werden.
Futtermittel: Die Futtermittelpreise würden aufgrund höherer Ölschrotpreise steigen, was die Kosten in der Tierhaltung erhöhen und zu höheren Fleischpreisen führen würde.
Die Allianzen
Szenario 1. Die USA verbünden sich mit großen Exporteuren wie Kanada, Australien, der Ukraine und Neuseeland sowie mit wichtigen Importeuren wie Japan, Ägypten, Mexiko und Indien. China hingegen wird von Exporteuren aus der ehemaligen Sowjetunion (ohne Ukraine) unterstützt. In diesem Szenario bleiben viele Länder neutral.
Szenario 2. Die verbleibenden neutralen Länder in Südamerika und Europa geben dem Druck nach, eine Seite zu wählen, und stellen sich auf die Seite der USA.
Szenario 3. Die Ultimaten der USA und Chinas spalten die neutralen Länder, Südamerika verbündet sich mit China, Europa unterstützt die USA.
Tierisches Eiweiß: Der Importbedarf der China-Allianz könnte weiter durch bestehende Handelspartner gedeckt werden. Einige Produkte mit Herkunft US-Allianz müssten aber durch teurere Alternativen ersetzt werden.
Milchprodukte: Die Nachfrage der China-Allianz nach Butterfett, Käse und Milchpulver würde sich in Richtung Europa/Südamerika verlagern. Die Engpässe bei Laktose, Molkenpulver und -protein, die hauptsächlich aus den USA stammen und im Ferkelfutter und der Humanernährung verwendet werden, blieben bestehen.
Grafik 1: Bleiben die EU und Südamerika neutral, kann die China-Allianz die USA und Partner als Lieferant von Grundnahrungsmitteln ersetzen

Szenario 2: Südamerika und Europa als US-Partner
Träten Südamerika und Europa der US-Allianz bei und könnten somit nicht mehr in Länder der China-Allianz exportieren, träfe das die weltweiten Lieferketten schwer.
Auswirkungen auf die US-Allianz
Die USA und ihre Partner sähen sich einem Überschuss von 120 Mio. t Ölsaaten und 40 Mio. t Getreide gegenüber. Im Milchbereich käme es zu Verwerfungen, da die wichtigsten Exporteure keinen Zugang mehr zum größten Importeur China hätten.
Ölsaaten: Die Sojaerzeugung in Nord- und Südamerika würde stark sinken, weil für zwei Drittel des exportierbaren Überschüsse (30 % der Erzeugung) der Markt wegbräche. Darüber hinaus wären Überschüssen beim Raps die Folge: Etwa 5 % (3 Mio. t) der Produktion der Allianz wäre der Weg nach China versperrt. Zudem sorgte der hohe Sojaüberschuss für eine erhebliche Substitution von Raps- und anderen Pflanzenölen durch Sojaöl in der US-Allianz und den neutralen Ländern.
Getreide: Beim Getreide ist ein deutlicher Flächenzuwachs absehbar, da die Landwirte von Ölsaaten auf Getreide umstellen würden. Steigende Überschüsse wären die Folge. Selbst ohne eine Flächenumstellung wäre es für 12 % der Maisexporte der US-Allianz, 30 % der Gerstenexporte und 80 % der Sorghumexporte schwierig, die traditionellen Käufer in der China-Allianz zu erreichen.
Futtermittel: Die Nachfrage in der US-Allianz würde die Auswirkungen sinkender Fleisch- und Milchexporte zu spüren bekommen. Weil Futtermittel wegen des Überangebots günstig sind, sind steigende Margen insbesondere im Geflügel- und Schweinefleischsektor wahrscheinlich.
Fleischerzeugung: Bei Rindfleisch stünde ein Überschuss von etwa 4 Mio. t (30 % der Exporte) zur Diskussion, ein erheblicher Margendruck wäre die Folge. Die US-Allianz hätte zudem Schwierigkeiten, Absatzmärkte für 12 % ihrer Schweinefleischexporte zu finden, was ebenfalls die Erzeugererlöse unter Druck setzte.
Milchprodukte: Die US-Allianz sieht sich mit erheblichen Überschüssen konfrontiert, da der Block über 80 % der weltweiten Milchexporte stellt. Alternative Absatzmärkte sind schwer zu finden. Preis- und Margendruck entlang der gesamten Lieferkette wäre absehbar. Das gilt auch für Europa, das »nur« 15 % seiner Produktion exportiert und über einen großen Heimatmarkt verfügt.
Betriebsmittel: In der US-Allianz würden (auch im Falle großer Flächenkürzungen) Dünge- und Pflanzenschutzmittel knapp. Beim Stickstoff klaffte eine Lücke von 30 bis 40 % des Verbrauchs. China und Russland müssten die Hälfte ihrer Produktionskapazitäten stilllegen.
Auswirkungen auf die China-Allianz
Im Bereich Getreide, Ölsaaten, tierisches Eiweiß und Milchprodukte wären die Folgen unkontrollierbar und erforderten massive Anpassungen des Konsums, die Reduzierung von Lebensmittelabfällen und die Ausweitung der heimischen Produktion.
Ölsaaten: 85 % des Sojabohnenbedarfs in der China-Allianz könnten nicht mehr gedeckt werden. Selbst bei einem starken Ausbau der heimischen Erzeugung wäre eine Rationierung der Nachfrage unausweichlich, die Tierbestände würden abgebaut. Bei Sojaöl könnte wegen des absehbaren Rohstoffdefizits die Versorgungslücke von heute 3 auf 20 Mio. t anwachsen. Ein solches Defizit ließe sich nicht durch andere Pflanzenöle ausgleichen.
Getreide: Futtergetreide dürfte mehr als genug zur Verfügung stehen. Die Importlücke beträgt auf dem Papier zwar
30 Mio. t. Wegen der stark sinkenden Fleischerzeugung, ausgelöst durch den Eiweißfuttermangel, dürfte der Futtergetreideverbrauch aber so stark sinken, dass Importe nicht mehr notwendig sind.
Tierische Eiweißträger: Produktion und Verbrauch tierischer Eiweißträger sinken stark. Schweinefleisch dürfte aufgrund der höheren Abhängigkeit von Sojaschrot in der China-Allianz stärker betroffen sein als andere Fleischarten. Unter dem Strich steht aufgrund begrenzter Importmöglichkeiten ein Defizit von 6 Mio. t tierischem Eiweiß oder 6 % des Verbrauchs. Rindfleisch träfe es am stärksten, da China mehr als 90 % seiner Importe verlöre.
Milchprodukte: Der zuletzt rasche Ausbau der Milcherzeugung Chinas dürfte zum Erliegen kommen. Hintergrund ist der steigende Wettbewerb um Agrarflächen und Wasser. Der Allianz dürften anfangs 400 000 t Vollmilchpulver fehlen, die nur teilweise über eine steigende Erzeugung in verbündeten Ländern wie Russland ausgeglichen werden könnten. Trotz des jüngsten Wachstums der heimischen Milchproduktion fehlt China weiter eine bedeutende Käseproduktion, um die großen Mengen an Molke zu liefern, die als Schweinefutter Verwendung finden.
Einflüsse aus anderen Sektoren
Handelsstörungen. Unser Bericht konzentriert sich auf die direkten Auswirkungen von Handelsstörungen auf Agrarrohstoffe und Betriebsmittel. Produktion, Verarbeitung, Verpackung und Vertrieb dieser Produkte können aber auch durch andere handelsbedingte Faktoren gestört werden:
Wechselkursschwankungen. Handelsstörungen können die Wettbewerbsfähigkeit und die Bezahlbarkeit von Importwaren verändern.
Energie. Eine massive Umleitung von Kohleexporten könnte notwendig werden, insbesondere aus Australien, Indonesien und Russland in die wichtigen Nachfrageregionen Asiens; auch könnten Importe von Gas und Öl in die USA und die EU zunehmen.
Maschinen/Verpackungsmaterial. Engpässe wirken sich eventuell negativ auf den Nahrungs- und Agrarprodukte aus.
Arbeitskräfte. Einwanderungsbeschränkungen können die Verfügbarkeit von Arbeitskräften in landwirtschaftlichen Betrieben und der verarbeitenden Industrie beeinträchtigen.
Schifffahrt. Ungleichgewichte könnten auftreten, da die Zielhäfen nicht zu jeder Zeit angesteuert werden können.
Roh-/Ausgangsstoffe. Beschränkte Verfügbarkeit von Rohstoffen und Rohmaterialien (etwa bestimmte Chemikalien für die Herstellung von Pflanzenschutzmitteln) könnte die Versorgung mit landwirtschaftlichen Betriebsmitteln stärker einschränken als in unserer Analyse dargestellt.
Grafik 2: Schlagen sich Europa und Südamerika auf die Seite der USA,
drohen der China-Alllianz Versorgungsengpässe

Szenario 3: USA/Europa gegen China/Südamerika
In keiner dieser Allianzen käme es zu massiver Über- oder Unterversorgung bei Agrarrohstoffen. Allerdings wären große Umstrukturierungen in der Ölsaaten- und Futtergetreidebranche nötig.
Auswirkungen auf die US-Allianz
In den USA und ihren Partnerländern mangelte es an Verarbeitungskapazitäten.
Ölsaaten: Ein Überschuss von 12 Mio. t Ölsaaten (Sojabohnen und Raps) brächte die Verarbeitungskapazitäten an ihre Grenzen. In Kombination mit einem Importdefizit von 28 Mio. t Sojaschrot (22 % des Verbrauchs) wäre die Viehhaltung in der EU und Teilen Südostasiens bedroht. Die US-Allianz ist in der Lage, genügend Sojabohnen zu produzieren, für deren Verarbeitung bedarf es aber neuer Kapazitäten in den USA oder bei den Abnehmern.
Getreide: In den USA dürfte der Maisanbau zunehmen, um den Bedarf der Allianz vollständig zu decken. Die Importlücke beträgt aber nur 2 % (11 Mio. t) des Gesamtverbrauchs.
Tierisches Eiweiß: Auf dem Papier könnten Schweine- und Rindfleischexporte ihre Käufer finden, das aber nur auf Kosten der Erzeugermargen.
Milchprodukte: In diesem Szenario käme es in der US-Allianz zu einem Überangebot an Milchprodukten, das fast genauso belastend wäre wie das in Szenario 2.
Auswirkungen auf die China-Allianz.
Der Ölsaatensektor würde einige bedeutende Veränderungen erfahren, der Futtergetreidemarkt wäre ausgeglichen und ausreichend versorgt, um den Bedarf in der Veredlungsbranche zu decken.
Ölsaaten: Die Ernten fielen bedarfsdeckend aus, allerdings sänke die Verarbeitung wegen der zusätzlichen Lieferungen aus Argentinien oder Brasilien (nach China) um etwa 10 Mio. t. Das könnte die lokalen Lebensmittel-, Futtermittel- und Biokraftstoffsektoren Südamerikas vor Herausforderungen stellen.
Getreide: Die Futtergetreidebilanz der China-Allianz wäre ausgeglichen. Einem Importbedarf von insgesamt 10 Mio. t Sorghum und Gerste stünde ein Maisüberschuss in beinahe gleicher Höhe gegenüber. Nahrungsgetreide wäre dank Russlands Weizenlieferungen ebenfalls ausgeglichen – das lässt sich auch auf Reis übertragen. Ausbleibende Gersteneinfuhren beeinträchtigten die Brauindustrie, die größtenteils auf chinesische und russische Herkünfte angewiesen wäre.
Tierische Eiweißträger: Für die Produktion innerhalb der Allianz stünde dank der großen Soja- und Maisernten in Südamerika ausreichend Futter zur Verfügung. Im Handel mit tierischem Eiweiß aller Arten (außer Schaffleisch), dürften sich genügend Handelspartner zur Deckung aller Bedarfe finden lassen.
Milchprodukte: In der China-Allianz mangelte es an Laktose und Molke für die menschliche und die tierische Ernährung. Auf kurze Sicht ist eine Ersatzbeschaffung kaum möglich. 2024 exportierte die US-Allianz gut 152 000 t Laktose, 550 000 t Molke und 39 400 t Molkenproteine in die China-Allianz. Dieser Warenstrom ließe sich nicht ersetzen.
Betriebsmittel: Der Beitritt Südamerikas zur China-Allianz brächte die Dünger- und Pflanzenschutzmittelmärkte durcheinander. Im US-Block fehlten 10 bis 25 % der benötigen N- oder Mischdünger, bei Pflanzenschutzmitteln käme es zur Überversorgung. In der Länderallianz um China wäre das genaue Gegenteil der Fall.
Grafik 3: Tritt Europa der US-Allianz bei und Südamerika der China-Allianz, müssten sich Handel und Verarbeitung neu sortieren
