
Erneuerbare Energie. Es braucht einen Systemwechsel
Projektbeteiligungen bei Windkraft und Photovoltaik können nicht nur wirtschaftich interessant sein, sie sind auch steuerlich notwendig. Was geht und nötig ist, erklärt Volker Henties.
Dem ländlichen Raum insgesamt und damit dem Agrarsektor kommt bei der Energiewende eine Schlüsselrolle zu. Entwickler und Betreiber suchen händeringend nach Flächen. Die angebotenen Pachten klingen verlockend und machen viele blind für wichtige Fragen.
Herr Henties, Sie beschäftigen sich seit mehr als 15 Jahren mit dem Thema Wind und Photovoltaik aus Sicht von Landeigentümern und vertreten deren Interessen. Wie würden Sie die derzeitige Situation beschreiben?
Ich würde dazu einige Schlagworte bemühen, die wir dann weiter vertiefen können. Diese wären getrieben und heißgelaufen auf Planerseite, wirtschaftlich unrealistisch, von Gier geprägt und fahrlässig auf Landeigentümerseite.
Das klingt vorwurfsvoll. Wieso getrieben und heißgelaufen auf Planerseite?
Das hängt mit dem Erreichen der sogenannten Flächenziele zusammen. Bis zum Ende des Jahres 2032 haben die Bundesländer in der Summe 2 % der Fläche für Windenergie auszuweisen. Davor gibt es ein Zwischenziel, nämlich 1,4 % zum Ende des Jahres 2027. Dies sieht das Windan-Land-Gesetz so vor. Nun tun alle so, als ob danach nichts mehr möglich sei, womit die Landeigentümer zu Unterschriften unter Nutzungsverträge getrieben werden. Richtig ist sicherlich, dass am Ende des J ahres 2032 große Teile der Windpotentialflächen in Deutschland für lange Zeit definiert sein werden und es möglicherweise schwieriger wird, neue Gebiete zu beplanen und Projekte umzusetzen.
Das bedeutet aber nicht, dass dies unmöglich wird. Welche Folgen hat das dann?
Momentan beobachten wir, dass eine ganze Reihe Planer sozusagen Flächensicherung auf Halde betreiben. Das heißt, dass gerade viele große Planungsunternehmen sehr offensiv und mit viel Manpower Fläche einsammeln.
Aber sie gehen damit ja auch Verpflichtungen ein?
Aha, welche meinen Sie denn? Die Landeigentümer verlangen für ihre Unterschriften ja meist gar keine Gegenleistung, schon gar nicht regelmäßig wiederkehrende. Die Verträge sehen auch keine Pflichten der Planer vor, innerhalb bestimmter Zeiträume tätig zu werden oder gar ein Projekt zu realisieren. Sie werden aus meiner Sicht nach der aggressiven Flächensicherung das tun, was alle Unternehmer tun: Sie entscheiden nach wirtschaftlicher Vorzüglichkeit mit welchem Projekt sie anfangen und welches sie erstmal liegen lassen. Das hat etwas
mit den eigenen Ressourcen zu tun, die ja bei niemandem unendlich sind. Diese betreffen das notwendige Risikokapital und die begrenzten personellen Möglichkeiten. Daneben werden dann sicher auch Nutzungsrechte einfach weitergehandelt. All dies bleibt für den Landeigentümer im Dunkeln und er wundert sich, warum nach der Hetze nach seiner Fläche dann erstmal nichts passiert.
Das hört sich ziemlich abenteuerlich an. Was ist aus Ihrer Sicht die Ursache?
Nun, diese liegt in der fehlenden Sorgfalt, mit der Landeigentümer an das Thema gehen. Ihnen ist nicht klar, dass auf Ihrer Fläche ein Kraftwerk gebaut wird. Es werden Geschäfte mit einem Volumen von zig Millionen Euro auf der Fläche gemacht und der Landeigentümer tut so, als ob er die Fläche an einen Berufskollegen für Getreideanbau verpachtet. Zudem gibt es im Betrieb auch immer Dinge, die gerade wichtiger sind, z. B. Düngerstreuen oder so. Um jeden Stallbau wird mehr Aufhebens gemacht, als um ein solches Projekt, das für den Einzelbetrieb häufig das wirtschaftliche Ergebnis verdoppeln kann. Es gibt augenscheinlich nur wenig Bereitschaft, sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen und schon gar keine, eigenes Geld in ein professionelles Vorgehen zu stecken. Damit ist nicht zu erwarten,dass man
gute oder auch nur befriedigende Ergebnisse erzielt. Daneben gibt es noch eine weitere fatale Wirkung. Der Markt stellt sich auf diese
schwache Interessenwahrnehmung der Landeigentümer ein. Dadurch entstehen Klauseln und Marktüblichkeiten, die uns bei der Prüfung von Nutzungsverträgen nicht nur erstaunen, sondern an mancher Stelle auch entsetzen. Denn an den Klauseln hängen zum Teil millionenschwere Risiken, die einfach ignoriert werden.
Ich würde dazu einige Schlagworte bemühen, die wir dann weiter vertiefen können. Diese wären getrieben und heißgelaufen auf Planerseite, wirtschaftlich unrealistisch, von Gier geprägt und fahrlässig auf Landeigentümerseite.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Zu allererst würde ich die Sicherung der Planerrechte in Form beschränkt persönlicher Dienstbarkeiten im Zusammenspiel mit der Möglichkeit der Rechteübertragung aufführen. Dies kann dazu führen, dass ich zwei Partnern das Recht zur Nutzung gewähre und dann gegenüber einem schadensersatzpflichtig werde. Das Thema Dienstbarkeiten könnte ich noch weiter vertiefen, was aber jeden Rahmen
sprengen würde. Ich will nur soviel sagen: Landeigentümer machen sich konsequent nicht klar, dass sie Teil eines millionenschweren
Energieprojekts sind und dabei Schäden entstehen können, deren Volumen ihnen fremd ist. Sie sind geblendet von vermeintlich hohen Pachten und vergessen darüber die Sorgfalt. Es läuft unter dem Motto: »Wird schon gut gehen.«
Es geht aber oft nicht gut?
Das ist leider so. In der Regel finden Sie in den Verträgen die Verpflichtung, diese Dienstbarkeiten erstrangig zu sichern. Dies wird gewährt, ohne ins Grundbuch zu sehen und dann stellt man später fest, dass man nur nachrangig sichern kann, weil z. B. ein bockiger Altenteiler erstrangig steht. Wenn dann aufgrund nachrangiger Sicherung die Darlehensfinanzierung des Planers bei der Projektrealisierung teurer wird, ist das eine potentielle Schadenposition, die der Landeigentümer auszugleichen hat. Wenn so ein Kredit dann bei einem Volumen von 30 Mio. € um ein halbes Prozent teurer wird, kann sich jeder schnell ausrechnen, welcher Schaden hier droht.
Sie haben ja selbst das Bilden von Flächenpools propagiert. Gilt das nicht mehr?
Das Bilden von Flächenpools ist aus meiner Sicht weiterhin Pflicht. Denn nur so können Sie gewährleisten, dass Sie als Landeigentümer Verhandlungspositionen wirklich durchsetzen können. Stichwort »Gemeinschaft macht stark«. Das Ausschreiben der Flächen haben wir immer im Zusammenhang mit Nutzungsverträgen gesehen, die wir selbst aus Sicht des Landeigentümers vorgeben und durchsetzen. Sonst nützen Ihnen die hohen Abschlüsse auch nichts, denn die Planerverträge enthalten oft Anpassungs- und Ausstiegsklauseln, die dann die schöne Zahlen zunichte machen.
Das heißt, dass dieses Vorgehen für Sie nach wie vor Priorität hat?
Zunächst ja. Wir machen aber die Erfahrung, dass natürlich die hohen Pachten oft unrealistisch sind und dann Nachverhandlungen stattfinden, wenn das Projekt vor der Realisierung steht. Denn am Ende muss eine Bank das Ganze finanzieren und die Pachten sind die einzige wirklich variable Größe, die man in Größenordnungen verhandeln kann – nicht der Strompreis, nicht der Anlagenpreis, nicht die Zinsen. Oft ist aufgrund fehlender Informationsansprüche das Anpassungsverlangen für den Landeigentümer nicht greifbar und schon gar nicht überprüfbar. Bevor das Projekt scheitert, gibt man lieber nach. Kurzum: Man hat anfangs einem schlechten Planervertrag nachgegeben, weil man das große Geld sah und hat im Nachhinein doch nur ein mäßiges wirtschaftliches Ergebnis – allerdings mit einem
auch noch schlechten Vertrag. Für uns gewinnen inzwischen aber auch andere Themen deutlich an Gewicht.
Welche sind das?
Das sind in erster Linie steuerliche Themen, insbesondere im Bereich von Schenkungs- und Erbschaftsteuern. Damit wird eindeutig fahrlässig umgegangen. Der Landeigentümer muss sich mit dem Thema Beteiligung an der Betriebsgesellschaft beschäftigen. Dies gilt gleichermaßen für Wind, wie auch Photovoltaik. Ohne Beteiligung sind die Risiken der Projekte eigentlich nicht mehr kalkulierbar. Und was
manchem nicht klar ist: Die Beteiligung kostet im Zweifel Geld und das muss ich zur Verfügung haben. Und die Beteiligung muss die Eigenschaft einer echten Mitunternehmerschaft haben.
Was machen Sie aber, wenn das im Markt nicht angeboten wird?
Der Landeigentümer muss aus seiner Komfortzone kommen und sich wirklich mit dem Thema beschäftigen. Und er muss bereit sein, länger zu suchen und Forderungen zu stellen. Vielleicht muss er auch auf etwas Pacht für eine Beteiligung verzichten. Wir wissen, dass es im Markt diese Möglichkeiten gibt. Die Zeiten, in denen der Landeigentümer einfach nur warten konnte, dass die »gebratenen Tauben« vorbeifliegen, sind vorbei. Sorgfalt ist angesagt und kurzfristige Gier mit einfachen Lösungen wird möglicherweise fatale Folgen haben.
Gibt es jenseits des Geldes weitere Kriterien bei der Auswahl der Planungspartner?
Erst noch einmal zurück zu den Pachten. Die EEG-Ausschreibungen werden bei der Fülle an Projekten vermutlich nicht auf dem derzeitigen Niveau bleiben. Wegen der gestiegenen Zinsen und politischer Risiken erleben wir bereits die zu erwartende Gegenreaktion, nämlich Nachverhandlungen über die Pachthöhen, weil die Projekte nicht finanziert werden. Jenseits der Pachten wird das Thema Stromspeicher und Stromveredelung und die damit verbundenen Wertschöpfungsmöglichkeiten immer wichtiger. Genauso sollte man sich erkundigen, ob der Planer langfristig der Partner bleibt und zudem die Frage stellen, ob der zukünftige Betreiber Expertise im Bereich der Stromvermarktung mitbringt. Schließlich bewegen wir uns im Bereich der regenerativen Energien auf ein Massengeschäft zu – Pionierchancen wird es immer weniger geben. Dementsprechend werden wir auch Verlierer sehen. Das heißt unterm Strich, dass die Auswahl eines professionell aufgestellten Partners, der auch professionell vermarktet und gleichzeitig Kostenführerschaft anstrebt, immer wichtiger wird.