
Bodenanalyse. Braucht es mehr als den Standard?
Immer mehr Landwirte interessieren sich für alternative Bodenuntersuchungsmethoden. Dabei fallen recht schnell Begriffe wie Kationenaustauschkapazität und Basensättigung. Was dahinter steckt und wie sinnvoll eine Analyse dieser Parameter ist, zeigen Michael Dreyer und Max Schmidt.
In letzter Zeit wird vor dem Hintergrund gestiegener Düngemittelpreise und verschärfter gesetzlicher Vorgaben vermehrt über sogenannte alternative Bodenuntersuchungsmethoden gesprochen. Eine tragende Säule ist dabei die Berücksichtigung der Nährstoffverhältnisse im
Boden bzw. genauer gesagt der Kationenverhältnisse am Austauscher (Sorptionskomplex). Was hat es damit auf sich? Und welchen Nutzen kann die Ermittlung damit verbundener Parameter bringen?
Die Grundlage für den Aufbau einer guten Bodenstruktur sind stabile Bodenkrümel. Diese kommen dadurch zustande, dass nebeneinanderliegende negativ geladene Tonteilchen oder Ton- und Humusteilchen durch die zweiwertigen Calcium-(Ca2+)- und Magnesium-(Mg2+)-Kationen wie bei einem »Brückenschlag« miteinander verbunden werden (Kolloidflockung). Das Calcium-Ion hat dabei eine deutlich höhere Bindungskraft als das Magnesium-Ion. Fehlt es im Boden also an Calcium, kommt es nicht zur Kolloidflockung,
welche die Basis der Krümelbildung durch Mikroorganismen und Regenwürmer darstellt (= Lebendverbauung des Bodens).
Die Kationenaustauschkapazität (KAK) kann man als die negative elektrische Ladung (z. B. in mmolc/ kg) des Bodens bezeichnen, welche auf die kolloidgroßen Bodenbestandteile (Ton und Huminsäuren) zurückgeht. Je reicher ein Boden an Ton und/ oder Humus ist, desto höhere Werte nimmt die Kationenaustauschkapazität an. Sie beschreibt die Fähigkeit des Bodens, kationische – also positiv geladene – Nährstoffe zu binden. Die vom Ton ausgehende KAK ist weitgehend pH-Wert-unabhängig. Man spricht daher auch von der permanenten Ladung. Hingegen steigt die vom Humus ausgehende KAK mit steigendem pH-Wert, z. B. nach einer Kalkung, an. Denn dann werden die Wasserstoff-Ionen an den funktionellen Gruppen der Huminsäuren neutralisiert und durch Ca2+-Ionen ersetzt. Die maximale KAK ist erreicht, wenn am Austauscher keine Bindungsstellen mehr durch H+ belegt sind. Dies ist meist erst im neutralen bis alkalischen pH-Bereich der Fall. Diese maximale KAK wird auch als potentielle Kationenaustauschkapazität bezeichnet (KAKpot). Dieser Wert gibt also die maximale Nährstoffspeicherleistung und zugleich die maximale Strukturwirkung eines Bodens an. Im Zuge der Bodenversauerung nimmt
hingegen besonders die vom Humus ausgehende KAK wegen der H+-Belegung der Huminsäuren ab, sodass die gesamte KAK eines Bodens sinkt. Was an Ladungsplätzen übrig bleibt, nennt man die effektive Kationenaustauschkapazität (KAKeff).
Der Boden im Fokus
Die Berücksichtigung der Kationenaustauschkapazität und der Basensättigung kann helfen, das Blickfeld für die Vorgänge im Boden
zu erweitern. Es geht dabei nicht in erster Linie darum, vom Anteil einzelner oder mehrerer Nährstoffe am Austauscher auf deren Verfügbarkeit zu schließen. Vielmehr soll durch die Optimierung der Nährstoffverhältnisse die Bodenstruktur verbessert werden. Primäres Ziel ist die Optimierung des Porenvolumens und der Strukturstabilität, was sekundär ein intensives Wurzelwachstum, eine hohe räumliche und chemische Nährstoffverfügbarkeit, sowie eine hohe Wasserspeicherleistung (nFK) nach sich zieht. Dieses Vorgehen sollte nicht in Konkurrenz zu den gängigen Bodenuntersuchungsmethoden verstanden werden, sondern als eine zielführende Ergänzung.
Im Boden muss immer Ladungsneutralität vorherrschen. Das ist eine wichtige Gesetzmäßigkeit. Die negativen Ladungen der Tonminerale und Huminsäuren müssen durch äquivalente Mengen an positiv geladenen Kationen neutralisiert werden. Diese umfassen im Wesentlichen die Pflanzennährstoffe Calcium (Ca2+), Magnesium (Mg2+) und Kalium (K+), aber auch Natrium (Na+). Diese Nährstoffe werden oft auch unter dem Begriff Basenbildner (basische Kationen) zusammengefasst (Grafik 1). Die Summe bzw. den Gesamtanteil dieser vier Ionen an der KAKpot nennt man die Basensättigung. Bei der Bodenversauerung verdrängen die Wasserstoff-Ionen der Säure (Kohlensäure, saure Dünger und saurer Regen) hauptsächlich das Calcium, welches durch Auswaschung dem Boden verloren geht. Dadurch sinken Basensättigung und effektive Kationenaustauschkapazität.
Wo ein Körper ist, kann kein zweiter sein. Jede negativ geladene Bindungsstelle im Boden kann zu einem bestimmten Zeitpunkt immer nur von einem Kation belegt bzw. gesättigt sein. Wenn also im Zuge einer Bodenversauerung die KAKeff und die Basensättigung immer weiter abnehmen, dann sinkt nicht nur die Nährstoffspeicherleistung des Bodens, sondern auch bedeutsam dessen Strukturstabilität. Die Bodenteilchen fallen auseinander. Wichtig dabei: Eine auf H+-Sättigung der Huminsäuren zurückzuführende Abnahme der KAK bzw. der Strukturwirkung bleibt im Rahmen der pH-Messung oft lange unbemerkt, weil die H+-Ionen sehr fest an die Huminsäuren gebunden sind.

Welche Bedeutung haben die Nährstoffverhältnisse am Austauscher? Die Basensättigung ist nicht allein ausschlaggebend, sondern auch die Anteile der einzelnen Basen. Denn nur Ca2+- und Mg2+-Ionen sind zur Krümelbildung fähig. Als grobe Orientierung gilt, dass Calcium
immer die Mehrheit am Austauscher haben muss, wobei auch die Bodenart eine Rolle spielt. Grob gelten als anzustrebende Faustzahlen für schwerere Böden Zielwerte von 70 bis 80 % Ca2+ sowie 10 bis 15 % Mg2+ am Austauscher. Auf leichteren Böden sind 60 bis 70 % Ca2+ und 15 bis 20 % Mg2+ als günstig zu bewerten.
Praxisbeispiel. Auf Grundlage der analysierten Basensättigung und aus dem Anteil der einzelnen Basen kann man gezielt Bodenmelioration betreiben. Dazu ein Praxisbeispiel: Die Übersicht auf Seite 30 zeigt einen Auszug aus dem Analyseergebnis eines mittelschweren Bodens. Letzterer wies zum Zeitpunkt der Analyse eine sehr instabile Bodenstruktur auf und neigte ausgesprochen stark zu Verschlämmung. In dem Beispiel weicht die effektive Kationenaustauschkapazität deutlich von der potentiellen ab: Knapp die Hälfte der
KAKpot wird durch Basen, die andere Hälfte durch Säure gesättigt. Daraus folgt, dass am Austauscher Calcium, Magnesium und auch Kalium unterrepräsentiert sind. Das hat entsprechende Konsequenzen für die Verfügbarkeit dieser Nährstoffe und insbesondere auch für die Bodenstruktur. Vor dem Hintergrund dieses Befundes verwundert die instabile Struktur des Bodens nicht.
Was ist nun zu tun? In der rechten Spalte der Übersicht sind Handlungsempfehlungen aufgeführt. Entscheidend sind hier die Reihenfolge und auch die Auswahl der Kalke bzw. Düngemittel. Zuerst sollten die derzeit von Säure blockierten Bindungsstellen frei gemacht werden, was man durch eine neutralisierend wirkende Kalkung erreicht. Die OH–-Ionen des Kalkdüngers neutralisieren dabei die H+-Ionen zu Wasser, und Ca2+ oder Mg2+ nehmen die frei werdenden Plätze ein. Da aktuell noch Mg2+ am Austauscher fehlt, empfiehlt sich auf den ersten Blick der Einsatz eines Mg-haltigen, also dolomitischen Kalkes. Allerdings ist in unserem Beispiel der Mg2+-Bedarf geringer als der Säureneutralisationsbedarf. Die deutlich über den Mg-Bedarf hinausgehende Kalkung zur Neutralisierung der Restsäure sollte daher mit einem Mg-ärmeren und dafür Ca-reicheren Produkt erfolgen. Ist der Ziel-pH-Wert des Bodens erreicht, während immer noch Ca2+ fehlt, so kann man dieses etwa durch pH-neutralen Gips zuführen. Die gleichfalls noch sinnvoll erscheinende K-Düngung ergänzt dann die
Bodenmelioration.
Häufig sind zur vollständigen Umsetzung von Bodenverbesserungsmaßnahmen recht große Düngemittelmengen erforderlich. Daher müssen diese gegebenenfalls auf mehrere Jahre aufgeteilt werden. Applikationsmengen und -zeitpunkte sowie die Wahl der Düngerform sind immer Einzelfallentscheidungen, die sich nach dem gesamten Produktionssystem richten müssen. Pauschale Empfehlungen lassen sich hier nicht geben. Die bodenverbessernden Effekte stellen sich meist ein bis drei Jahre nach dem Beginn der Meliorationsdüngung ein. Das hängt unter anderem von der Reaktivität der eingesetzten Kalkdünger ab. Auf jeden Fall ist zu empfehlen, die Fortschritte während der Umsetzung durch begleitende Folgeanalysen zu überprüfen. Außerdem ist die Berücksichtigung der KAK und der Basensättigung immer primär auf die oberen 20 – 30 cm des Bodens zu beziehen. Denn dies ist der Bereich, der durch aktive Düngungsmaßnahmen kurz- bis mittelfristig beeinflussbar ist. Gleichzeitig ist das auch der Bereich, den die Pflanzen am intensivsten durchwurzeln. Insofern sollte sich die Bodenprobennahme auf diesen Bereich beschränken, wenn es um eine gezielte Meliorationsdüngung geht. Im Einzelfall sind standortspezifische Besonderheiten wie die Horizontfolge oder ein möglicher Substratwechsel mit zunehmender Bodentiefe in die Überlegungen einzubeziehen.
In unserem Beispiel wurde eine Bodenversauerung bzw. eine deutlich zu niedrige Basensättigung festgestellt. Natürlich kann es aber auch vorkommen, dass die Basensättigung beispielsweise bei 100 % liegt und KAKeff und KAKpot den gleichen Wert haben. Das ist in der Regel bei pHWerten im neutralen bis alkalischen Bereich (pH > 7) der Fall. Oft geht dies einher mit einseitigen Nährstoffüberschüssen wie beispielsweise einem (geogen bedingt) zu hohen Mg-Anteil am Austauscher, der sich negativ auf die Bodenstruktur auswirkt. Auch eine Überdüngung mit Kali wirkt sich negativ auf die Bodenstruktur aus (Grafik 2). Nährstoffkationen kurzfristig vom Austauscher zu verdrängen und durch andere zu ersetzen ist nicht ohne Weiteres möglich. Im Prinzip bleibt hier – um bei Magnesium und Kalium zu bleiben – primär die Möglichkeit, dieses über die Ernte- und Koppelprodukte Jahr für Jahr vom Feld zu exportieren und zugleich auf eine
Zufuhr in Form einer Düngung zu verzichten. In niederschlagsreichen Regionen mit entsprechend hoher Sickerwasserbildung kann auch die Auswaschung über die Jahre hinweg eine Veränderung bewirken. Fehlt es an austauschbarer Säure im Boden (sehr hohe Basensättigung), werden Mikronährstoffe schlechter verfügbar. Ein gesunder Boden mit einem durch Wurzelexudate und organisches Material gut ernährten Bodenleben kann dies durch seine Kohlensäureproduktion ausgleichen. Außerdem kann die Pflanze bei
ammoniumbetonter Ernährung den Wurzelbereich ansäuern und so leichter Phosphat und Spurenelemente aufnehmen.
Was kostet die Analyse?
Es gibt zahlreiche Labore, die diese zusätzlichen Analysen standardmäßig anbieten. Zumeist sind diese Untersuchungen in umfassenderen »Gesamtpaketen« enthalten, die weitere Parameter wie Bodenart, Nährstofffraktionen und Bodenwasser etc. beinhalten. Je nach Anbieter und der Zahl zusätzlicher Parameter variieren die Kosten ca. zwischen 100 und 400 € je Probe. Der zu erwartende Nutzen rechtfertigt auf Problemböden die zusätzlichen Kosten jedoch bereits in kurzer Zeit.