
Dem Bodenvorrat auf der Spur
Wer seine Düngestrategie optimieren will, muss zunächst wissen, welche Nährstoffmengen im Boden stecken. Die klassischen Untersuchungsmethoden geraten zunehmend in die Kritik. Friedhelm Fritsch sagt, was sie leisten können und wie Alternativen zu bewerten sind.
Unter den aktuellen Rahmenbedingungen wird es immer schwieriger, die Pflanzen bedarfsgerecht zu versorgen. Für eine gute Nährstoffverfügbarkeit bzw. -effizienz spielt der Nährstoffgehalt im Boden und die Verfügbarkeit eine Schlüsselrolle. Dafür muss der Landwirt aber erst mal wissen, was tatsächlich in seinem Boden drin ist. Seit einigen Jahren gibt es kontroverse Diskussionen zu den verschiedenen Bodenuntersuchungsmethoden. Wo liegen die Stärken und Schwächen der etablierten Methoden, und wie verlässlich sind alternative Ansätze?
Aktuell ist die Versorgung mit Phosphor oder Kalium auf vielen Standorten gefährdet
Ein latenter Mangel lässt sich nur mit Bodenuntersuchungen feststellen. Dennoch herrscht Skepsis gegenüber den bisher üblichen Methoden. Häufig berichtet wurde von Bodenproben, die in unterschiedlichen Laboren zu unterschiedlichen Gehaltsklassen und Düngeempfehlungen führten. Möglicherweise liegt das jedoch nur an wenigen Milligramm Unterschied beim Analysenwert und an unterschiedlichen Empfehlungskriterien zwischen Ländern und Laboren. Oder es wird propagiert, man solle lieber den Boden als die Pflanzen düngen. Doch ist das nicht ohnehin die Regel, indem die Nährstoffe über den Boden wirken? Auch wird eine fehlende »ganzheitliche« Betrachtung bei den Standardmethoden kritisiert. An der Einteilung in fünf oder drei Gehaltsklassen kann man immer mäkeln, und 1 mg mehr oder weniger kann zu unterschiedlichen Einstufungen führen. Eine stufenlose Ableitung von Düngeempfehlungen täuscht eine höhere Genauigkeit nur vor. Und wenn es für jedes Nährelement einen anzustrebenden Bereich bzw. eine Gehaltsklasse gibt, so resultiert dies in bestimmten Nährstoffverhältnissen, und die Ganzheitlichkeit ist nicht mehr fern. Neben der Bodenansprache (chemisch, physikalisch und biologisch) können auch eine Pflanzenanalyse und die Betrachtung der Düngungshistorie (verwendete Düngerformen) zur Ganzheitlichkeit beitragen.

Phosphor und Kalium
Vor etlichen Jahrzehnten wurden die sogenannten Lactatmethoden eingeführt, bei denen Bodenproben mit einer salz- oder essigsauren Lösung und Lactatanionen extrahiert wurden. Bei der seit 1969 bekannten CAL-Methode wird eine Bodenprobe mit dem 20-fachen einer Extraktionslösung aus Essigsäure, Calciumacetat und Calciumlactat bei pH 4,1 über 90 Minuten ausgeschüttelt, und im Filtrat wird gelöstes Phosphat und Kalium analysiert. Die Zusammensetzung der Extraktionslösung ist wohlbedacht, denn sie erfasst durch den nicht zu niedrigen pH-Wert relativ gut lösliche Calciumphosphate und durch den Austausch gegen die Acetat-und Lactationen nicht allzu fest sorbierte Phosphate. Die so erfassten Nährstoffe beinhalten auch die Nachlieferung der nächsten Jahre.
Schwer lösliche Rohphosphate oder fest sorbierte Phosphate bleiben überwiegend ungelöst. Auch beim Kalium gehen nur relativ leicht lösliche Ionen in Lösung, die von der Calciumkonzentration des CAL-Extraktionsmittels ausgetauscht werden.
CAL gilt als besser gegen hohe pH-Werte in Böden gepuffert als die ältere DL-Methode, die zudem die Verfügbarkeit von Rohphosphaten überschätzt. Dennoch wurde die CAL-Methode vor einigen Jahren an kalkhaltige Böden angepasst, durch Messung des pH-Wertes im Extrakt und anschließende Messwertkorrektur. Da die CAL- wie auch die DL-Methode in Deutschland in den letzten Jahrzehnten an zahlreichen Düngungsversuchen kalibriert wurden, kann man mit ihnen den Düngebedarf einigermaßen genau ableiten. Mehr kann man nicht verlangen.
Die Aussagekraft lässt sich aber verbessern, wenn man eine zweite Methode anwendet, z.B. die wiederholte Wasserextraktion. Sie dient der Feststellung der P-Nachlieferungsgeschwindigkeit und ist ebenfalls anhand von Düngungsversuchen erprobt. Etwas Ähnliches macht die EUF-Methode. Sie kann mit ihrer wässrigen, von einer elektrischen Spannung und der Temperatur unterstützten Extraktion, wie CAL gut zwischen den P-Bindungsformen differenzieren. Alle drei, DL, CAL und EUF, sind in der Düngeverordnung aufgeführt und gelten als wissenschaftlich anerkannt für Grundnährstoffe.
Alternative Verfahren.
Seit einiger Zeit wird eine Methode zur Düngebedarfsermittlung angeboten, die hierzulande nicht anhand zahlreicher Düngungsversuche kalibriert wurde. Fragwürdig ist es, anhand der Kationenaustauschkapazität (KAK) und der Basensättigung auf den Düngebedarf zu schließen. Das geht schon deshalb nicht, weil sowohl die KAK als auch die Basensättigung in den verschiedenen Bodentypen vom Podsol über Braunerde bis zur Pararendzina völlig unterschiedlich ausfallen. Daher kann es keine optimale Basensättigung geben. Und Phosphat, welches ein Anion ist? Es wäre zwar durchaus möglich, auch eine Anionenaustauschkapazität zu bestimmen. Sie wäre aber nicht zur Düngebedarfsermittlung geeignet. Nitrat wird nicht, Sulfat kaum und Phosphat stark sorbiert. Letzteres vor allem an Oxide und Hydroxide des Eisens. Phosphat kommt insbesondere aber auch als Calciumphosphat und organisch gebunden vor. Diese unterschiedlichen Bindungsformen erschweren die Bestimmung des P-Düngebedarfs. Die amerikanische Methode nach Olsen ist für unsere Böden nicht kalibriert. Sie reagiert wegen des hohen pH-Wertes überwiegend auf sorbierte Phosphate. Das ist grundsätzlich nicht falsch. Wo aber mit Rohphosphaten (also schwer löslichen Calciumverbindungen) gedüngt wird, lässt sich über die Treffsicherheit spekulieren.
Entnimmt man im richtigen Entwicklungsstadium die richtigen Pflanzenteile, ergänzen Pflanzenanalysen die Aussagekraft von Bodenuntersuchungen. Dennoch werden sie selten veranlasst. Ihr Wert mag darin gesehen werden, beim Feststellen eines sichtbaren Nährstoffmangels noch zeitnah mit einer Düngung reagieren zu können. Da die Ergebnisse aber häufig zu spät vorliegen, sind sie eher für die zukünftige Düngestrategie interessant. Meist stehen Mikronährstoffe wie Bor, Kupfer, Mangan und Zink im Vordergrund. In der norddeutschen Tiefebene ist ein Mangel an diesen Nährstoffen häufiger zu beobachten als in süddeutschen Mittelgebirgslagen oder Lößbörden. Weitere Erfahrungen gibt es großräumig oder auf regionaler Ebene. Bei Grundfutteruntersuchungen, die Futterbauer ohnehin durchführen lassen, könnte man aus den genannten Gründen das Analysenspektrum erweitern – z.B. um Verhältnisse wie N zu S, Cu zu N oder Zink zu Phosphat. Zwar werden mit Grundfutter nicht unbedingt konkrete Schläge beprobt. Aber liegen erst einmal Hinweise vor, können Untersuchungen beim nächsten Aufwuchs auf Einzelschläge ausgedehnt werden. Ein Problem der Pflanzenanalysen ist aber weiterhin die Ableitung kritischer Nährstoffgehalte. Spannen sind nicht immer hilfreich. Möglich sind Auswertungen, bei denen die einzelnen Analysewerte oder Nährstoffverhältnisse im Vergleich zu anderen Proben der gleichen Pflanzenart und des gleichen Entwicklungsstadiums aufgezeigt werden.
Interessanterweise empfehlen bestimmte Bodenanalyseanbieter hohe Schwefelgaben. Wenngleich oftmals ein Schwefelbedarf besteht, sind überhöhte Gaben sehr kritisch zu sehen. Denn Schwefel wird als Sulfat kaum im Boden gebunden, ist also auswaschbar. 50 kg S-Überschuss pro ha entsprechen 150 kg Sulfat. Und die könnten 50 mm Sickerwasser auf 300 mg Sulfat/l bringen. Schon ist der Grenzwert von 240 mg Sulfat/l für Trink- oder Grundwasser überschritten. Neben dem Nitrat- auch noch ein Sulfatproblem zu provozieren, das sollten wir tunlichst vermeiden.
Worauf es letztlich ankommt
Wichtig ist, immer wieder die gleiche Methode und auch das gleiche Labor zu nutzen, um über die Jahre mit allen natürlichen und fehlerbedingten Schwankungen einen Überblick zu bekommen, ob die bisherige Düngungshöhe ausreichend, zu hoch oder zu knapp bemessen war. Voraussetzung ist eine repräsentative Beprobung, die (wenn dokumentiert) eine erneute Beprobung nach gleichem Muster ermöglicht. Ein Methodenwechsel ist wenig sinnvoll. Teure und vielgestaltige Analysen nützen wenig, wenn sie nicht anhand von Düngungsversuchen kalibriert oder anderweitig nachweisbar interpretiert werden können. Besser sind ergänzende Analysen wie zur P-Nachlieferung im Boden und ab und an ein paar Pflanzenanalysen. Aber nicht erst dann, wenn Mangel vermutet wird, sondern vorbeugend.
Stickstoff
Beim Stickstoff verhält sich alles anders als bei P oder K. Die Nmin-Methode bestimmt den im Boden nach der winterlichen Auswaschungsperiode noch vorhandenen, gelösten Stickstoff in Form von Nitrat und Ammonium. Eine Nachlieferung wird nicht erfasst. Ist der Boden gut durchwurzelbar (das sollte man bei der Beprobung feststellen) und bleibt die Probe bis zum Laboreingang gekühlt unter etwa 4°C, sollte die Methode den Düngebedarf exakt vorhersagen. Trotzdem misstrauen ihr viele und wünschen sich niedrige Werte – obwohl sie dann mehr düngen sollten. Dieses Misstrauen resultiert aus Proben, die erwärmt ins Labor gelangten und auf dem Weg dorthin bereits Stickstoff mobilisierten, der im Feld eigentlich erst im Frühjahr freigesetzt werden sollte.
Der nächste Kritikpunkt ist eine unsachgemäße Probenahme. Jeder kennt die Story vom Probenehmer, der ins Vorgewende geht, ein- oder zweimal einsticht und wieder verschwindet. Aber das ist alles vermeidbar, kontrollierbar oder GPS-gestützt dokumentierbar. Ein gutes Labor misst die Eingangstemperatur der Proben und setzt auf eine zuverlässige Kühlkette. Wenn das alles sichergestellt ist, muss man aber auch noch eine geeignete Kulturart beproben. Denn beispielsweise ein Raps ist nicht ideal für Nmin, da er einen Großteil des Stickstoffs bereits im Herbst aufnehmen kann – lange vor der Frühjahrsbeprobung. Besser zur Nmin-Beprobung passen Kulturen mit kurzer Vegetationszeit und einer N-Aufnahmephase bald nach der Probenahme, also z.B. Sommerbraugerste oder Gemüsearten und vom Wintergetreide am besten der Weizen.
Die Düngeverordnung nennt die Nmin-Methode nur im Tabellenanhang bei den Bedarfswerten.
Einige Bundesländer akzeptieren darüber hinaus die EUF-Methode bei Stickstoff. Diese wurde ursprünglich für Zuckerrüben entwickelt, wobei die Beprobung im Vorsommer erfolgt und auf die Krume beschränkt bleibt. Die Idee dahinter ist, dass der gelöste und leicht nachlieferbare Stickstoff im Vorsommer der Gleiche ist, der in der Folgevegetation verfügbar ist. Trockene Winter und Kulturen wie Rüben, die den Boden tiefwurzelnd entleeren können, ermöglichen das. Vergleichend lässt sich zu Nmin und EUF festhalten, dass man bei jeder Kultur die geeignete Methode nutzen sollte, sofern man die Witterung vorhersagen könnte. Beide sind nämlich witterungsabhängig.
Ungewöhnliche Winterhalbjahre können die Aussagekraft von EUF vermasseln, und nicht eindeutig definierbare Probenentnahmezeitpunkte bzw. ein unklarer Beginn der Vegetationsperiode ist ungünstig für Nmin. Ein renommierter Berater formulierte einst: »Wir haben Nmin schätzen gelernt«. Ja, das geht. Denn die Witterung entscheidet mit über die Höhe der Werte, ebenso wie die organische Düngung und die Ausnutzung der Vorfrucht.
Was ist mit Schnellmethoden?
Wenn die Probenahme korrekt erfolgt, könnte man theoretisch auch mit Nitratteststreifen und demineralisiertem Wasser oder gleich mit der richtigen Extraktionslösung Nmin nachvollziehen. Aber wer macht das mit der korrekten Extraktion wirklich? In jüngster Zeit kam eine Bodenlanze auf den Markt, mit der man mehrere Male in den Boden einsticht und Werte für die Hauptnährstoffe erhält. Wer die Nachlieferung aus den verschiedenen Bindungsformen von Phosphat und Bindungsstärken von Kalium im Boden kennt, wird vermuten, dass dies bei den beiden Grundnährstoffen prinzipiell nicht funktionieren kann. Ob es mit Nitrat bzw. Nmin funktioniert, scheint ebenfalls sehr fraglich. Die Lanze führt weder die CAL- noch die Nmin-Methode durch, sondern versucht, entsprechende Werte »nachzuempfinden«. Das genügt nicht der Düngeverordnung, zumindest nicht bei Phosphat.