
Samenpotential. Abschneiden statt spritzen?
Alles, was an Unkrautsamen gar nicht erst in den Bodenvorrat gelangt, kann dort auch nicht keimen. Ist es sinnvoll, in den Getreidebestand zu fahren und überstehende Ungräser vor dem Aussamen abzuschneiden? Lena Ulber zeigt Versuchsergebnisse.
Es bleibt bei politischen und gesellschaftlichen Forderungen nach reduziertem chemischen Pflanzenschutz, gleichzeitig verlieren relevante herbizide Wirkstoffe zunehmend ihre Zulassung. Auch die fortschreitende Resistenzentwicklung bei wichtigen Unkräutern stellt viele Betriebe bei der Unkrautbekämpfung vor große Herausforderungen. Eine erfolgreiche Kontrolle von konkurrenzstarken Ungräsern mit Herbiziden ist daher auf vielen Flächen nicht mehr gegeben, sodass künftig vermehrt innovative Verfahren für eine nicht chemische
Unkrautkontrolle an Bedeutung gewinnen können.
Im zurückliegenden Jahr zeigten sich im Frühsommer deutschlandweit, trotz durchgeführter Herbizidmaßnahmen, hohe Dichten von Ackerfuchsschwanz im Getreide. In einigen Regionen Deutschlands nimmt zudem die Bedeutung von Weidelgras als Ungras in Sommer- und Winterkulturen zu. Beide Ungräser sind unter anderem geprägt durch eine hohe Samenproduktion. So wird die gebildete Samenmenge der Weidelgräser unter Konkurrenzbedingungen im Getreide mit 200 bis 1 500 Samen je Pflanze angegeben. Ackerfuchsschwanz kann sogar bis zu 2 000 Samen pro Pflanze ausbilden. Können die Ungräser bei mangelnder Kontrolle in der Kultur aussamen, führt dies zu einer hohen Dichte in der Bodensamenbank und erhöhten Unkrautdichten in den nachfolgenden Kulturen. Neben ackerbaulichen Maßnahmen wie Fruchtfolge, Saattermin und Bodenbearbeitung können daher auch Verfahren zur Minimierung des Sameneintrages in den Boden dazu beitragen, den Unkrautdruck in der folgenden Kultur zu senken. Ziel ist dabei, eine langfristige Verringerung der Unkrautdichte auf der Fläche zu erreichen. Um diesem Ziel näher zu kommen, ist auch der Einsatz von Geräten zum mechanischen Abschneiden der Unkrautsamenstände über dem Getreidebestand möglich.
Bei diesen Verfahren werden alle Unkrautsamenstände, die über dem Kulturbestand stehen, mit horizontalen Messern abgeschnitten. Abhängig von dem verwendeten Gerät verbleiben die Samen anschließend auf der Fläche oder werden gleichzeitig von dort abtransportiert. Ein System, das das Schneiden der Samen mit einem Entfernen von der Fläche kombiniert, ist das Gerät »Top Cut collect« der Firma Zürn. Das Verfahren wurde gemeinsam mit einem französischen Landwirt und Techniker entwickelt und in den vergangenen Jahren erstmals auch in Deutschland eingesetzt.
Das Top Cut collect-Gerät besteht aus zwei Auslegern mit einem Doppelmesserschneidsystem mit angeschlossenem Quertransportförderband. Nach dem Schneiden werden die Unkrautsamenstände mit einer helixförmigen Spezialhaspel auf das Transportband überführt und mit einem weiteren Förderband in den dahinterstehenden Sammelbunker (7 000 l Volumen) transportiert.
Die Arbeitsbreite des Top Cut collect reicht aktuell von 9 bis 18 m. Andere Geräte wie »Biocut DHM Engineering« der Firma DHM, der »Combcut« von Lyckegard und die Geräte der »LOP«-Serie der Firma Meneguzzo ermöglichen ebenfalls ein Schneiden der Unkrautsamen über dem Kulturbestand. Allerdings verbleiben die abgeschnittenen Pflanzenteile bei diesen Geräten auf der Fläche.

Die Schneideverfahren erreichen über das Entfernen der Samenstände eine Reduzierung auch schwer kontrollierbarer und resistenter Unkräuter, und sie können zudem im Ökolandbau eingesetzt werden. Neben der Kontrolle von Ungräsern in Getreide lässt sich das System auch in Hackfrüchten nach Reihenschluss einsetzen. Zudem ist die Kontrolle von Wild- bzw. Schosserrüben eine Option. Berücksichtigt werden müssen prinzipiell Durchfahrtsverluste, da die maximale Arbeitsbreite der Geräte in der Regel nicht zu den meistens breiteren Fahrgassen passt.
Entscheidend für den Erfolg ist die Höhe der Unkrautsamenstände über dem Kulturbestand: Je mehr der gebildeten Unkrautsamenstände
überstehen, desto effektiver können diese abgeschnitten werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Anwendung des Verfahrens ist zudem, dass die Samen zum Schnittzeitpunkt noch nicht ausgefallen sind. Ziel der Schneideverfahren sind daher vor allem Unkräuter mit einer entsprechenden Wuchshöhe und einem möglichst späten Samenausfall. Wegen ihrer Höhe sind die beiden Ungrasarten Ackerfuchsschwanz und Weidelgras potentiell mögliche Kandidaten für die beschriebenen Schneideverfahren.
In Versuchen des Julius Kühn-Institutes wurde in den vergangenen Jahren der Einsatz von Schneideverfahren zum Entfernen von Ackerfuchsschwanz- und Weidelgrasähren untersucht. Alle Versuche fanden in Winterweizen mit hohen Ungrasdichten statt. Dabei wurden die Ungrasähren mit der Hand in verschiedenen Höhen über dem Winterweizenbestand abgeschnitten. Ein hoher Schnitt erfolgte dabei direkt über der höchsten Weizenähre, während ein vergleichsweise tiefer Schnitt so angesetzt wurde, dass auch einzelne Weizenähren mit an- oder abgeschnitten wurden. Der Schnitt der Ungrasähren erfolgte dabei in kleinen Parzellen (0,25 m2) zu Beginn des Ährenschiebens des Winterweizens. Nach dem Schnitt konnte durch Feststellen des Samengewichtes der Anteil der Ungrassamen bestimmt werden, die sich durch den Schnitt in verschiedenen Höhen entfernen ließen. Zudem wurde der Anteil an Samen bestimmt, der nicht durch den Schnitt zu entfernen war und sich daher noch an den Ungraspflanzen im Weizenbestand befand.
Als relevant für die Effizienz des Verfahrens erwies sich dabei erwartungsgemäß die Schnitthöhe. So wurden bei einem hohen Schnitt (etwa 95 cm über der höchsten Weizenähre) von den Weidelgrasähren 68 % der insgesamt gebildeten Samen entfernt, während es bei einem tieferen Schnitt (etwa 68 cm), bei dem auch einzelne Weizenähren mit abgeschnitten wurden, im Mittel 84 % der gebildeten Weidelgrassamen waren (Grafik).
Bei Ackerfuchsschwanz fiel die Effektivität des Schneideverfahrens geringer aus. So konnten durch einen hohen Schnitt 25 % der Samen entfernt werden, während es bei dem tiefen Schnitt 35 % der insgesamt zu diesem Zeitpunkt gebildeten Samen waren. Schneideverfahren für eine langfristige Kontrolle des Sameneintrages in den Boden scheinen sich daher bei Weidelgräsern teilweise besser zu eignen als bei Ackerfuchsschwanz. Es wird aber auch deutlich, dass die Schneideverfahren – gerade auf Flächen mit Resistenz- und Bekämpfungsproblemen – vor allem eine ergänzende Möglichkeit darstellen, die Ungrasdichten zu senken.
Zu beachten ist auch, dass bei einem tieferen Schnitt das Risiko steigt, dass ihm auch einzelne Weizenähren zum Opfer fallen. Besonders bei Weizenbeständen mit stark variierenden Pflanzenhöhen kann dies der Fall sein. Hier gilt es, zwischen einer effektiveren Ungraskontrolle und potentiellen (geringen) Ertragsverlusten abzuwägen. Wichtig ist dabei auch der Einsatztermin des Gerätes. Generell ist ein Schnitt ab dem Fahnenblattstadium oder zum Beginn des Ährenschiebens des Weizens am sinnvollsten. Denn zu diesem Zeitpunkt sind die meisten Ungrasähren bereits ausgebildet und stechen dann auch entsprechend aus dem Weizenbestand heraus. Allerdings wurde in den Versuchen bei Ackerfuchsschwanz nach dem Schnitt eine ausgeprägte Neubildung von Ähren beobachtet. Vermutlich angeregt durch das Schneiden, haben die Fuchsschwanzpflanzen neue Ähren geschoben, die vier bis fünf Wochen nach dem Schnitt wieder über dem Bestand als grüne Ähren sichtbar wurden.