
Milchviehhaltung. Robotereinsatz im großen Stil
Die Altgebäude weiter nutzen und trotzdem ein neues, modernes Melksystem haben? Dieses Ziel verfolgte die Agrarprodukte Altreetz, als sie sich für gruppenweises Robotermelken mit Vorwartehof entschied. Das System hat sich bewährt.
Über 560 Kühe auf Stroh – ungewöhnlich und arbeitsintensiv, oder? Die Agrarprodukte Altreetz hat sich für diese Haltung entschieden, um die Gebäude der ehemaligen LPG-Anlage weiter nutzen zu können und den Kühen das nötige Tierwohl zu bieten. Liegeboxen und Laufgänge wurden so überflüssig. Stroh ist verhältnismäßig günstig im Oderbruch zu bekommen und um den Mist auszubringen, bleiben dem Betrieb zehn Monate Zeit. Zudem sorgt der Mist für eine gute Humusversorgung der Böden. Jährlich werden 12 000 Quaderballen verbraucht. »Sicher ist diese Haltung relativ arbeitsintensiv, aber ein Traum für das Wohlbefinden der Kühe«, sagt Herdenmanagerin Rebecca Harnack.
Alle Gebäude haben Ausläufe, die an die außen liegenden Futtertische angrenzen. Die Kühe können jederzeit nach draußen gehen. Alle zwei Tage werden die Liegeflächen komplett gemistet und täglich frisch eingestreut. Zu festen Melkzeiten werden die Kühe zweimal täglich zum neu errichteten Melkgebäude getrieben und müssen dafür teilweise auch weitere Strecken zurücklegen. Dort befinden sich zwölf Melkroboter, die in einem Rondell angeordnet sind. Über einen Vorwartehof mit Nachtreibeeinrichtung, der 150 Tieren gleichzeitig Platz bietet, verteilen sich die Kühe auf die Roboter. Bei diesem System, dem sogenannten »Batch Milking« (Kasten), bleibt es trotz Melkrobotern bei zwei festen Melkzeiten. Vor rund zwei Jahren entschied sich der Betrieb dafür, als die Investition in die Melktechnik nötig wurde. »Wir haben zuerst überlegt, was für ein Melkkarussell wir nehmen oder ob wir besser Roboter in die Ställe integrieren. Doch beides passte nicht zu den betrieblichen Gegebenheiten«, sagt der Vorstandsvorsitzende der Agrarprodukte Altreetz, Wolfgang Brand. Deshalb entschieden sich die Gesellschafter am Ende für Batch Milking.
Was ist Batch Milking?
Automatisches Melken, aber zu festen Zeiten – das ist charakteristisch für das Batch Milking-System, das von verschiedenen Melktechnikherstellern angeboten wird. Es eignet sich besonders für Ställe, in denen kein automatisches Melksystem mit freiem Kuhverkehr oder größere Melkstände möglich sind. Die Melkroboter sind in einem Rondell angeordnet und die Kühe gelangen über einen Vorwartebereich hinein. Durch die automatische Nachselektion können auch zwei Gruppen gleichzeitig gemolken werden. Weitere Vorteile sind eine höhere Arbeitseffizienz, ein einfaches Selektieren, Erweiterbarkeit, Unabhängigkeit von technischen Störungen, kurze Wege und ein ruhiger Melkablauf.
Dieses Melksystem ermöglicht weiterhin das Halten der Kühe im Altgebäude und trotzdem die Nutzung von Melkrobotern. Außerdem sind weniger Mitarbeiter nötig: »Vorher brauchten wir drei Personen pro Melkzeit, jetzt nur noch eine, die für das Melken zuständig ist. Ein weiterer Mitarbeiter streut in der Zwischenzeit die Liegeflächen ein oder mistet«, sagt Brand. Bereut hat er die Entscheidung nicht, denn die Kühe geben mit 32,5 kg Milch pro Tag 2 kg mehr als mit der alten Melktechnik. Auch Herdenmanagerin Rebecca Harnack ist zufrieden: »Ich bin begeistert von der Ruhe vor und während des Melkens. Die Kühe haben das neue System sehr schnell angenommen. Sie waren ja feste Melkzeiten gewöhnt und das hat sich nicht geändert«, sagt sie und ergänzt: »Die meisten Kühe haben einen bevorzugten Roboter, in den sie gehen. Je nachdem, ob sie lieber von der linken oder rechten Seite angesetzt werden«. Als Lockfutter werden 1,8 kg pro Kuh und Tag gefüttert. Der Melkdurchsatz pro Stunde liegt zwischen 70 und 80 Kühen.
Nach dem Melken können gegebenenfalls die Kühe separiert werden. Selektiert werden beispielsweise Tiere, deren »Melkanrecht« weiterhin besteht. Sie werden vom Roboter erkannt, wenn z. B. die Milchleistung geringer als gewöhnlich ist. Dann wird die Kuh separiert und für eine zweite Melkrunde zurück in den Vorwartebereich geleitet. In der zweiten Selektionsgruppe befinden sich Kühe, die auf tierärztliche Behandlungen, Klauenpflege oder Besamung warten.
Künftig ist das Ziel, zwischen 620 und 650 Kühe zu halten. Der Platz für zwei weitere Melkroboter ist bereits eingeplant.
Die Kühe sind nach Hochleistenden und Altmelkern aufgeteilt, außerdem gibt es eine Krankengruppe. Derzeit melkt der Betrieb durchschnittlich 9 800 kg Milch pro Kuh und Jahr bei 4 % Fett und 3,5 % Eiweiß. »Wir hatten vor der Umstellung auf das neue Melksystem mit hohen Zellzahlen zu kämpfen. Aber schon vierzehn Tage nach dem Einzug waren sie von 300 000 auf unter 200 000 gesunken«, erzählt Harnack.
Ihr Arbeitstag beginnt mit einem Blick auf die Roboterlisten. »Ich hatte noch nie so viele Daten zu jeder einzelnen Kuh«, sagt Harnack. Dazu tragen auch die Pedometer bei, die jede Kuh an der Fessel hat. Außerdem ist in jedem Roboter ein Milchanalysesystem integriert, das frühzeitig Ketosen und Azidosen erkennt. »Wichtige Voraussetzung, um die Informationen optimal zu nutzen, ist eine genaue und sofortige Dateneingabe und -pflege«, sagt Harnack.
Der Betrieb bewirtschaftet insgesamt 1 950 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, etwa ein Drittel davon ist Eigentum. Schwierigkeiten bereitet gerade in diesem Jahr der ziemlich hohe Grundwasserspiegel. Die Oder drückt immer wieder Wasser auf die Flächen. Im Umkehrschluss sorgt der Grundwasserspiegel in »normalen« Jahren aber dafür, dass die Grundfutterversorgung des Betriebes gut gesichert ist. Angebaut werden 500 ha Mais, 780 ha Winterweizen und 250 ha Raps.
Die Milchviehhaltung ist auf drei Dörfer verteilt. Lediglich die melkenden Kühe werden in Altreetz aufgestallt. Die Trockenstehenden und die besamten Färsen sind auf dem zweiten Standort in Neureetz untergebracht. Dort kalben sie auch ab und werden angemolken. Am dritten Standort, in Paulshof, werden die Kälber ab einem Alter von sechs Monaten bis zum Besamungsalter aufgezogen.