
Hydrologie. Wasser managen auf Ackerflächen
Trockenheit im Frühjahr, zu nasse Flächen im Herbst – wie kann der Spagat zwischen Wasserrückhalt auf bewirtschafteten Flächen und landwirtschaftlicher Nutzbarkeit gelingen? Dietmar Mehl zeigt Vorteile und Grenzen verschiedener Maßnahmen auf.
Der Boden ist das zentrale Produktionsmittel der Landwirtschaft. Es ist aber auch keine Pflanzenproduktion ohne Wasser möglich, das neben anderen Größen wie Relief und Nährstoffversorgung selbstverständlicher Wachstumsfaktor ist.
Hydrologische Betrachtungsweise
Es stellt sich somit die Frage, wie eine optimale Menge an Wasser in der Fläche gehalten werden kann. Der Boden ist von herausragender hydrologischer Bedeutung auf allen Betrachtungsebenen. Hierbei ist relevant, dass er als hydrologisches Teilsystem eingebunden ist in den Wasserkreislauf, der sich aus Niederschlag, Verdunstung, Speicherung und Abfluss zusammensetzt. Jede dieser Größen ist bei hydrologischer Betrachtung eine Komponente des Wasserhaushalts.
Die durch den Anstieg der sogenannten Treibhausgase verursachte Erderwärmung bedingt sich vergleichsweise schnell ändernde klimatologische bzw. meteorologische Verhältnisse. Schon jetzt, aber vor allem in der Zukunft verschärfen sich die Folgen für die hydrologischen Bedingungen. So waren nach Angaben des Umweltbundesamtes unter anderem die Jahre 2018, 2019, 2020 und 2022 zu trocken. Demgegenüber scheinen sich extreme (Stark-)Niederschlagsereignisse zu mehren. Aus alldem entstehen erhebliche Gefahren. Hier ist die Landwirtschaft angesprochen – im eigenen Interesse – und das würde wegen der großen hydrologischen Bedeutung der Landwirtschaftsflächen (50,4 % landwirtschaftliche Nutzflächen an der Gesamtfläche Deutschlands im Jahr 2022 nach Angaben des Umweltbundesamtes) zudem enorme gesamtgesellschaftliche Vorteile erbringen.
Vier Maßnahmen zum Wasserrückhalt
Die Maßnahmen zum Wasserrückhalt lassen sich in vier verschiedene Gruppen einteilen (siehe auch Übersicht): Als erster Punkt seien die Maßnahmen zur Förderung des natürlichen Wasserrückhalts genannt (A). Eine Verbesserung der Versickerungsfähigkeit kann unter anderem erreicht werden durch eine mechanische Auflockerung des Bodens (A.1 und A.2), eine Zuführung organischen Materials sowie eine hohe Durchwurzelung. Aus landwirtschaftlichem Blickwinkel kann durch diese Maßnahmen Staunässe im Oberboden vermieden werden sowie eine Verringerung von Landoberflächenabfluss und Bodenerosion. Eine bessere hydraulische Leitfähigkeit des Bodens hat
eine höhere Wasseraufnahme bei Starkregen und somit längere Wasserverfügbarkeit in Trockenperioden zur Folge. Diese führt aus hydrologischer Sicht zum Beispiel zu dem Vorteil, dass eine geringere Direktabflussbildung stattfindet und eine verbesserte Grundwasserneubildung.
Diese Vorteile aus landwirtschaftlicher und hydrologischer Sicht lassen sich ebenfalls mit der Maßnahme A.3 erreichen: Die Erhaltung und Förderung von Mikrorelief und die Unterbrechung von Abflussbahnen kann unter anderem durch die gezielte Etablierung von Mikrorelief in Form von sehr kleinräumigen (abflusslosen) Mini-Mulden und -Senken im Rahmen der Bodenbearbeitung gefördert werden. Auf großen Flächen erzeugt das summarisch ein enormes Rückhaltepotential. Diskutiert werden sollte im Hinblick auf den natürlichen Wasserrückhalt auch die Wiedervernässung von Mooren (A.4). Die Wasserrückhaltung durch naturbasierte oder technische Maßnahmen kann die Erhaltung des Torfkörpers bzw. Umkehr des durch Wassermangel und Belüftung verursachten Torfabbaus und damit die Sicherstellung langfristiger Nutzbarkeit bedeuten, insbesondere zur Nutzung mit Paludikulturen. Das Halten von Wasser in der Landschaft mit Abflussdämpfung bzw. Dämpfung des Grundwasserabfalls in Trockenzeiten ergibt sich aus A.5 Vorflutoptimierung
durch Fließgewässerrenaturierung und A.6 Renaturierung von Kleingewässern. Die positive Wirkung naturnaher Standgewässer in Form kleiner Wasserkreisläufe (Verdunstung und Kondensation) auf angrenzende Ackerkulturen, und ein besseres Hochwasseraufnahmevermögen sind weitere Vorteile für den Landwirt.
Potentielle Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele sind die Renaturierung natürlicher Fließgewässer durch Etablierung naturnaher gewässerstruktureller Bedingungen. Die Anhebung der Mittel- und Niedrigwasser-Wasserspiegellagen zur Stabilisierung der Vorflut spielt dabei eine wichtige Rolle, denn naturnahe Fließgewässer können zusammen mit naturnahen Auen in der Regel bei Hochwasser mehr Wasser pro Zeiteinheit aufnehmen als ausgebaute. Dazu kann eine Öffnung verrohrter natürlicher Gewässer und Renaturierung
sinnvoll sein.
Aus hydrologischer Sicht ergeben beide Maßnahmen A.5 und A.6 unter anderem folgende Vorteile: eine generelle hydrologische Dämpfung des Abflussprozesses und einen Beitrag zur Niedrigwasseraufhöhung. Außerdem wird die landschaftliche Kühlfunktion erhalten bzw. verbessert durch den latenten Wärmestrom (wegen des höheren Bodenwasservorrats entsteht eine höhere Verdunstung an der Bodenoberfläche und an Pflanzen).
Auch das Pflanzen von Heckenstrukturen oder Anlage von Agroforstsystemen (A.7) kann zu einer Verringerung von Landoberflächenabfluss und der Bodenerosion durch Wind und Wasser führen. Eine Verdunstungsreduktion durch Beschattung und Winddämpfung kann die landwirtschaftlichen Nutzpflanzen stärken.
Die Wiederherstellung von natürlichen Binnenentwässerungsgebieten (A.8) stellt ebenfalls eine Maßnahme zur Förderung des natürlichen Wasserrückhaltes dar. Natürliche Binnenentwässerungsgebiete sind ein Kennzeichen jungglazialer, d. h. durch die Folgen der jüngsten Vereisung entstandener Landschaften. Das gilt insbesondere für die nördlichen Teile der Norddeutschen Tiefebene, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Hier sind unter der nacheiszeitlich rasch einsetzenden Bewaldung Geländestrukturen erhalten geblieben, die grundsätzlich oberflächlich abflusslos sind, heute aber größtenteils an das Gewässernetz künstlich angeschlossen wurden. Hierzu zählen auch viele Sölle mit ihren Eigeneinzugsgebieten. Maßnahmen wären auf das Verschließen der künstlichen Abflusswege (häufig Rohrleitungen) ausgerichtet. Durch das Halten von Wasser in der Landschaft mit Abflussdämpfung bzw. Dämpfung des Grundwasserabfalls in Trockenzeiten können positive Wirkungen naturnaher Standgewässer oder von Mooren/Feuchtgebieten in Form kleiner Wasserkreisläufe (Verdunstung und Kondensation) auf angrenzende Ackerkulturen erreicht werden. Hier könnten dann stabilere Erträge und ein »komplettes« Hochwasseraufnahmevermögen des maßgeblichen hydrologischen Einzugsgebietes möglich sein.
Vorteile des Wasserrückhalts aus hydrologischer Perspektive: Die komplette Rückhaltung des Landoberflächenabflusses führt auch mit dieser Maßnahme zu einer Erhöhung der Grundwasserneubildung (in infiltrationsfähigen Gebieten) und kann sich aus ackerbaulicher Sicht in Trockenzeiten positiv auswirken.
Als zweite Gruppe seien die Maßnahmen zur Förderung des technischen Wasserrückhalts genannt (B). Die Wasserrückhaltung durch technische Maßnahmen bei der moorschonenden Stauhaltung (B.1) , d. h. Verschluss von Abflusswegen zum Wasserrückhalt in der Regel durch Stauanlagen, bietet aus landwirtschaftlicher Sicht beispielsweise die Möglichkeit einer moorschonenden, torferhaltenden (extensiven) Grünlandnutzung auf Niedermooren. Die Vorteile aus hydrologischer Perspektive sind auch bei dieser Maßnahme unter anderem eine geringere Abflussbildung durch hohe Verdunstung und eine generelle hydrologische Dämpfung des Abflussprozesses (auch durch Auswirkung auf die Grundwasservorflut), und somit ein Beitrag zur Niedrigwasseraufhöhung bei einer verzögerten Wasserabgabe an die Vorflut. Dieselben hydrologischen Vorteile ergeben sich durch die Überprüfung und Optimierung von Dränsystemen (B.2).
Dafür sollten bestehende landwirtschaftliche Bodenentwässerungssysteme (vor allem Dränung) auf Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit, aber auch auf Regel- bzw. Steuerbarkeit hin überprüft werden. Optimierungsmöglichkeiten könnten z. B. kontrollierte Systeme bieten, indem mit vorhandenen oder nachträglich installierten Verschlussorganen situationsabhängig auch Wasser zurückgehalten werden könnte. Dafür eignet sich das Sommerhalbjahr, sofern nur einzelne Niederschlags-/ Abflussereignisse angekündigt sind. Hier gilt: Ausprobieren.
Vorteile können auch hier sein: stärkere Infiltration von Niederschlagswasser in den Boden, d. h. verbesserte Wasseraufnahme bei Starkregen im Sommerhalbjahr und damit längere Wasserverfügbarkeit für die Nutzpflanzen in Trockenperioden. Außerdem sind die höhere Bodenfruchtbarkeit sowie eine Reduktion des Nährstoffexports aus Agrarflächen im hydrologischen Kontext zu nennen.
Die Vorflutoptimierung durch Staubewirtschaftung (B.3) kann – in Gräben und wasserwirtschaftlich unbedeutenden Nebengewässern – ebenfalls zur Optimierung von Wasserspiegellagen und Wasserrückhalt für Trockenzeiten (durch höhere Vorflutwasserstände) beitragen. Vorteile des Wasserrückhalts aus landwirtschaftlichem Blickwinkel sind ein abflussdämpfender/- verzögernder Rückstau in das Grundwasser (Gräben sind im Regelfall Grundwasservorflut) und die Funktion der Gräben als Stoffsenke, d. h. insbesondere Reduktion des Nährstoffexports aus Agrarflächen. Aus hydrologischer Perspektive sei zu dieser Maßnahme wieder als Vorteil die geringere Direktabflussbildung und damit eine Erreichung eines resilienteren (belastbareren) Landschaftswasserhaushalts zu nennen.
Dies gilt ebenso für die Anlage von Gräben und Mulden ohne Anschluss an die Vorflut (B.4) bzw. Schaffung von Senken zum Rückhalt an geeigneten Stellen (dies sind Abflusssammelpunkte). Diese Maßnahme kann ebenfalls zur Verringerung von Landoberflächenabfluss und Vermeidung von Bodenerosion sowie einer stärkeren Infiltration von Niederschlagswasser in den Boden beitragen.
Durch eine Wasserentnahme zu abflussreichen Zeiten wie im Winterhalbjahr oder bei sommerlich hohem Abfluss oder Hochwasser (vorzugsweise aus Oberflächengewässern) und eine Zwischenspeicherung (Becken, Zisternen etc.) sowie eine Entnahme zu Nutzzwecken in Bedarfszeiten (z. B. bei Beregnungsbedarf) kann eine Wasserspeicherung in Überschussperioden (B.5) stattfinden. Die Bevorratung, keine oder nur geringe umweltfachliche Konflikte und keine Konkurrenz um Wasser in Trockenzeiten können dabei aus ackerbaulicher Sicht zu einer gesicherten Wasserverfügbarkeit führen. Dies ermöglicht eine umweltfreundliche, technische Lösung zur Vermeidung hydrologisch/ ökologisch kritischer Wasserentnahmen bei Niedrigwasser.
Die dritte Gruppe befasst sich mit technischen Maßnahmen mit indirekten Wirkungen auf den Wasserrückhalt (C). Eine umweltfreundliche technische Lösung zur Vermeidung von hydrologisch/ökologisch kritischen Wasserentnahmen bzw. zur Verbrauchsminimierung muss die Nutzung effizienter, wassersparender Bewässerungstechnologien (C.1) sein. Potentielle Maßnahme wäre der Einsatz einer Technik mit dem Ziel einer punkt-/ zeitgenauen Bewässerung (Menge und Zeitpunkt) mit möglichst geringen Verlusten. Das würde Energie und Wasser einsparen. Eine weitere Maßnahme mit indirekter Wirkung auf den Wasserhaushalt kann die
Etablierung von Agri-Photovoltaik und Moor-Photovoltaik (C.2) sein. Dies kann zu einer Reduktion der Verdunstung führen – vor allem bei horizontaler Abschirmung. Durch die Verminderung der Verdunstungsverluste werden die Bodenwasservorräte geschont. Der Schutz
vor auftretenden Hagelschäden gerade bei dahingehend empfindlichen Kulturen durch die Module ist ein weiterer Vorteil.
Die Maßnahmen zur Optimierung des Anbaus landwirtschaftlicher Kulturen (D) beruhen vor allen Dingen darauf, den Fokus auf verdunstungsärmere Kulturen zu legen (D.1). Dies kann aus landwirtschaftlicher Sicht zur Verminderung der Verdunstungsverluste und damit zur Schonung der Bodenwasservorräte führen, womit mehr Toleranz gegenüber ausgeprägten Dürreperioden vorhanden wäre.
Eine höhere Humussubstanz im Boden infolge von mehr Bodenfeuchte könnte einen weiteren Vorteil darstellen. Ein ausgeglichenerer Bodenwasserhaushalt und die Erreichung eines resilienteren (belastbareren) Landschaftswasserhaushalts wären aus hydrologischer Sicht die positiven Folgen dieser Maßnahme.
Alle können profitieren
Häufig stehen die gesamtgesellschaftlichen Ziele in Konflikt mit den Vorstellungen in der Landwirtschaft. Aber bei genauerer Betrachtung sind einige vorteilhafte Synergien zu erkennen und diese gilt es zu fördern. Das gilt gerade auch für Maßnahmen zur Verbesserung des Wasserrückhalts, weil etliche hier geeignete Maßnahmen gleichsam zu Vorteilen vor allem für den Bodenschutz, den Klimaschutz, den Gewässerschutz, den Trinkwasserschutz und auch für den Naturschutz führen.
Für die Landwirtschaft sollte es deshalb darum gehen, selbst Maßnahmen für den Wasserrückhalt zu ergreifen oder diesbezügliche
Maßnahmen Dritter zu unterstützen oder zu tolerieren. Nicht erwähnt bleiben soll, dass es aus den genannten Gründen für zahlreiche Maßnahmen Fördermittel der Länder oder projektspezifische Gelder Dritter gibt.
Viele der Maßnahmen unterliegen – soweit sie nicht selbstverständlicher Teil der landwirtschaftlichen Praxis sind – einer grundsätzlichen Genehmigungspflicht, insbesondere in den Rechtsgebieten Naturschutz und Landschaftspflege sowie Wasserwirtschaft. Auch hier gilt es daher, sich entsprechend zu informieren.