
Bürokratie. Vier Lösungen für weniger Aufwand
Die Mehrfacherfassung gleicher Daten für Bund, Länder, EU und auch Handelspartner, komplexe Regulierungen und zum Teil sogar widersprüchliche Vorgaben – verzweifeln Sie auch an der Bürokratie? Jan-Henning Feil und Victoria Graskemper zeigen, was Sie dagegen tun können.
Eine übermäßige Zunahme an Regularien und Paragraphen, Dokumentationserfordernissen und administrativen Prozessen wird momentan in nahezu allen Wirtschaftsbereichen beklagt. Die Landwirtschaft, traditionell ohnehin durch ein relativ hohes Maß an politischer Einflussnahme gekennzeichnet, ist hiervon besonders betroffen. So ist der Bürokratiekostenindex in der deutschen Landwirtschaft im Zeitraum von 2012 bis 2023 laut Statistischem Bundesamt von 100 auf 156 Punkte gestiegen.
Unzählige bundesrechtliche Vorgaben
Konkret wurden in den Jahren 2014 bis 2023 insgesamt 208 bundesrechtliche Vorgaben für die Land- und Forstwirtschaft erlassen, von denen ganze 125 reine Informationspflichten betrafen. Im selben Zeitraum wurden nur 22 Vorgaben der Wirtschaft abgeschafft, von denen 19 Informationspflichten betrafen, und 32 vereinfacht, hiervon 26 Informationspflichten (siehe Übersicht).
Bürokratie soll eigentlich wirtschaftlichen Akteuren dienen
Dabei soll Bürokratie wirtschaftlichen Akteuren eigentlich dienen. Schon der deutsche Nationalökonom Max Weber betonte in seinem grundlegenden Werk zu diesem Thema im Jahr 1922, dass Bürokratie Rechts- und Planungssicherheit schaffen, Korruption und Willkür entgegenwirken und den Wettbewerb auf einzelnen Märkten schützen solle. Jedoch würden durch eine überbordende Bürokratie, insbesondere seitens der Verwaltung, diese Vorteile oft durch die Bürger und Unternehmen verkannt und im Extremfall sogar ganz infrage gestellt.
Bürokratie sorgt für sinkende Effizienz
Die direkten Auswirkungen überbordender Bürokratie auf Unternehmen und unternehmerische Entscheidungen sind in der Literatur weitestgehend unstrittig. So hatte beispielsweise der Düsseldorfer Ökonom Justus Haucap in seinem 2023 erschienenen Gutachten »Bürokratie und ihre Folgen für die Wirtschaft« darauf hingewiesen, dass eine Zunahme an Bürokratie mehr finanzielle und personelle Ressourcen in Unternehmen bindet, welche nicht mehr für produktive Zwecke genutzt werden können. Kurzum: Gestiegenen Kosten stehen keine (physischen und finanziellen) Mehrerträge gegenüber. In der Folge sinkt die Effizienz der Unternehmen und damit auch deren Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Unternehmen, welche diesen bürokratischen Mehraufwand nicht haben, beispielsweise in anderen Ländern. Hierbei ist zu betonen, dass Bürokratiekosten auch und gerade in der Landwirtschaft einen ausgesprochenen Fixkostencharakter aufweisen: Die Kosten, welche ein Antrag, eine Dokumentation oder eine Prüfung verursacht, sind häufig zu einem großen Teil unabhängig von der jeweiligen Betriebsgröße. Folglich trifft jede zusätzliche Regelung kleinere Betriebe umso stärker, weil diese die betreffenden Kosten auf kleinere Produktionsmengen umlegen müssen.

Eine weitere Konsequenz für Unternehmer und deren Entscheidungen ist die mit steigender Bürokratie einhergehende »Politik- und Bürokratieunsicherheit«. Insbesondere in der Landwirtschaft konnte dies in jüngerer Vergangenheit beobachtet werden. Denken Sie nur an die Diskussionen über die Agrardieselrückvergütung am Jahresbeginn oder sich potentiell ändernde Tierwohlstandards für bestehende oder neue Ställe.
Es ist außerdem vielfach belegt, dass sich bei zunehmender Unsicherheit gerade landwirtschaftliche Betriebsleiter mit langfristigen, strukturellen Entscheidungen, die oft mit Investitionen einhergehen, zurückhalten. Getreu dem Motto: »In der gegenwärtigen, unsicheren Lage warte ich mit der Entscheidung für oder gegen die Investition lieber noch ein bisschen ab. Vielleicht habe ich ja in einem Jahr mehr und sicherere Informationen, welche diese Entscheidung, egal wie ich sie treffe, profitabler machen.« Kurzum: Die Investitionsneigung im Sektor sinkt. Dies belegt auch das aktuelle Agrarbarometer der Rentenbank. Darin wird die zukünftige Entwicklung weiterhin pessimistisch gesehen.
Knapp die Hälfte der befragten Landwirte sieht die Agrarpolitik der Bundesregierung als Grund für ihre schlechte wirtschaftliche Lage. Daher planen sie in den nächsten zwölf Monaten mit rund 25 % weniger Investitionsvolumen als sie im vergangenen Jahr tatsächlich investiert haben. Infolgedessen sinkt die einzelbetriebliche Effizienz und damit die Wettbewerbsfähigkeit.
Wie sollten Betriebsleiter nun auf Bürokratie reagieren? Übergeordnetes Ziel sollte es sein, die eigenen individuellen Bürokratiekosten konsequent und strukturell, also dauerhaft, zu senken. Hierdurch werden nicht nur die gegenwärtigen bürokratischen Belastungen reduziert. Man senkt so auch die eigene Betroffenheit für unvorhergesehen auftretende bürokratische Hürden in der Zukunft und schafft sich dringend benötigte unternehmerische Freiheiten. Zum Erreichen dieses Ziels sind vier Strategien zu unterscheiden:
1. Automatisierung und Digitalisierung
Durch den Übergang von analogen zu digitalen Prozessen wird das Management der Betriebsabläufe transparenter und effizienter. Ein digitales Büro ermöglicht es Ihnen beispielsweise, mit schnellem Erfolg nach Dokumenten und Vorgängen am
Handy oder PC zu suchen, anstatt lange Akten zu wälzen oder Papierstapel zu durchforsten. Hierbei ist es jedoch wichtig, die Digitalisierung lediglich einzelner Prozesse bzw. Prozessschritte in Isolation zu vermeiden, sondern schrittweise den gesamten innerbetrieblichen Workflow von Anfang bis Ende zu digitalisieren. Als Beispiel sei hier die E-Rechnung angeführt: Mit deren Einführung sollte auch eine Digitalisierung der hiermit in Verbindung stehenden Prozesse bis hin zur betrieblichen Buchführung erwogen werden, um so Vorteile auch in anderen Bereichen, wie dem betrieblichen Controlling, zu realisieren.
2. Standardisierung
Vor allem bei wiederkehrenden Dokumentationen, Anträgen, Überprüfungen und damit einhergehenden Fristen ist es ratsam, eine genaue Prozessdokumentation aufzusetzen. Sie schafft Überblick und leitet an, was, wann und mit welchem Vorlauf wie erledigt werden muss. Durch striktes Einhalten dieser Prozessdokumentation, beispielsweise auch unterstützt durch automatische Erinnerungsfunktionen im Handy, müssen Sie als Unternehmer nicht ständig erneut über den Prozessablauf nachdenken und verschaffen sich hierdurch gedankliche Freiheit. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil hierbei: Eine konsequente Standardisierung schafft zugleich Unabhängigkeit von bestimmten Personen, die als einzige im Betrieb Kenntnis über gewisse Vorgänge haben. Denn durch Standardisierung und Dokumentation von Arbeitsschritten wird jede und jeder im Team in die Lage versetzt, Aufgaben zu bewältigen.
3. Kooperation
Insbesondere vor dem Hintergrund des bereits angesprochenen Fixkostencharakters empfiehlt sich die Strategie der überbetrieblichen Kooperation zur Bewältigung bürokratiebedingter Aufgaben vor allem für kleinere und mittlere Betriebe. In gemeinsamen Büros und/oder durch gemeinsame Angestellte können administrative Tätigkeiten effizient bewältigt und die hierdurch verursachten Fixkosten auf größere Produktionsmengen umgelegt werden. Stellen Sie aber sicher, dass die zwischenmenschliche Komponente stimmt und man sich auf Augenhöhe begegnet. Und klären Sie die genauen Bedingungen der Zusammenarbeit ab und dokumentieren Sie diese, um später Stress und Streit zu vermeiden.
4. Outsourcing
Schließlich sollte, wenn möglich, ein Auslagern von bürokratiebedingten Tätigkeiten an Berater und sonstige Dienstleister in Erwägung gezogen werden. Damit können Sie die eigene Arbeitsbelastung konsequent reduzieren und dringend benötigte
unternehmerische Freiheiten zurückgewinnen. Als Entscheidungsgrundlage für oder gegen ein potentielles Outsourcing sollten
Sie jedoch darauf achten, dass die Entlohnung der eigenen Arbeit als Vergleichsmaßstab für den Kostensatz eines Dienstleisters
nicht zu niedrig angesetzt wird. Ziel ist es ja gerade, sich wieder Freiräume für unternehmerische Weichenstellungen zu schaffen, welche langfristig einen Wert für den eigenen Betrieb schaffen.