
Biokraftstoffe. Die Politik bremst
Rohstoff für Biodiesel – das ist die wichtigste Verwendung von Raps. Sein Preis steht und fällt mit den politischen Rahmenbedingungen. Und die begünstigen derzeit eher HVO, zeigt Wolfgang Kröger.
Biokraftstoffe stellen bis zu 95 % der erneuerbaren Energien im Verkehrssektor und haben zuletzt jährlich etwa 16 Mio. t CO2 eingespart. Aber um Biodiesel, -ethanol und HVO ist im politischen Berlin ein Streit entbrannt, der durchaus auch für den Landwirtschaftssektor
relevant ist. Denn die Landwirte können die über den Gesamtlebenszyklus emissionsarmen Kraftstoffe nicht nur als sogenannte Blendware nutzen, sie sind ja mit Ausnahme von HVO auch wesentlicher Teil im Herstellungsprozess.
Wie steht es sowohl regulativ als auch in der Praxis, sprich bei der Anwendung auf dem Acker, derzeit um diese Kraftstoffe? »Derzeit«, da das Mindesthaltbarkeitsdatum politischer Aussagen augenblicklich äußerst gering sein kann.
Das Bundesumwelt-, das -landwirtschafts- und das -wirtschaftsministerium – alle drei arbeiten an einer nationalen Biomassestrategie (Nabis), die unter anderem eine Absenkung der Obergrenze für Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse und einen nationalen CO2-Preis auf nachhaltige Biokraftstoffe vorsieht. Zusätzlich plant man, Emissionen aus indirekter Landnutzungsänderung (iLUC-Effekte) in die THG-Bilanzierung von Biokraftstoffen mit einzubeziehen.
Auch wenn es sich hierbei zunächst nur um einen Entwurf handelt, heißt es doch: »Wehret den Anfängen«, denn die Maßnahmen im Paket sind nicht gerade dazu geeignet, die Verbreitung von Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse weiter zu fördern. Warum, das lässt sich unter dem Punkt »Maßnahme 31« des Nabis-Entwurfs nachlesen, der ironischerweise die Überschrift »Stärkung des Einsatzes von Biokraftstoffen für bestimmte Anwendungen in der Land- und Forstwirtschaft« trägt. Es heißt darin: »Für den Bereich Land- und
Forstwirtschaft gehen Experten davon aus, dass die Antriebstechnologien von hofnah eingesetzten Maschinen und Fahrzeugen sowie von kleinen und mittleren Fahrzeugen (bis 150 PS) grundsätzlich auf Elektroantrieb umgestellt werden können.« Hier stellt sich die Frage nach der Bezahlbarkeit ebenso wie nach dem effektiven praktischen Nutzwert für die Landwirtschaft.
Pekuniäre Gründe lassen sich auch für die Verzögerung der künftigen rechtskonformen Nutzung von HVO (Hydrotreated Vegetable Oil) und B 10 anführen. Die dafür zuständige Rechtsgrundlage, die 10. Bundesimmissionsschutzverordnung, hatte bereits den Bundestag passiert, als dann im Bundesrat der Streit zwischen Verkehrsausschuss und Umweltausschuss entbrannte. Die Gründe dafür waren eher hausgemacht, denn ohne Not bestanden das Umwelt- und Wirtschaftsministerium darauf, die 10. BImSchV mit dem »Saubere-Fahrzeug-Beschaffungsgesetz « zu verknüpfen. Das für Behörden geltende Gesetz regelt die Beschaffung von Neufahrzeugen, diese sollen jedoch zu etwa 75 % elektrisch betrieben werden.
Da aber ein normaler, mit Diesel betriebener Bus etwa 150 000 € kostet, ein elektrisch angetriebener jedoch bis zu 600 000 €, sollte die Differenz durch Zuschüsse aus dem KTF (Klimatransformationsfond) ausgeglichen werden. Wegen der bestehenden Haushaltslücke stehen jedoch die Förderungen für Städte und Gemeinden nicht mehr zur Verfügung. Die wiederum weigern sich verständlicherweise
angesichts leerer Kassen, bis zu viermal so teure Transportmittel anzuschaffen. Erste Stornierungen der Aufträge sind bei den Nutzfahrzeugherstellern bereits eingegangen. Wann sich dieser Knoten auflöst, ist nicht abzusehen, denn die Fronten sind derzeit verhärtet. Insider schließen eine kurzfristige Lösung ebenso wenig aus wie eine Verzögerung von bis zu eineinhalb Jahren.
Auch ein zweites Problem, beim HVO ebenso wie beim Biodiesel, ist hausgemacht: Durch fragwürdige China-Importe von mutmaßlich
falsch deklariertem Biodiesel haben sich die Erlöse aus der THG-Quote, durch die der Marktpreis des HVO querfinanziert wird, von knapp 500 €/t CO2 auf 120 € reduziert. Das führte zu einer Verteuerung des HVO von bis zu 30 Ct/l Liter gegenüber Diesel der Sorte B 7. Das dafür zuständige Landwirtschaftsministerium lässt die vom Kölner Zertifizierer ISCC ausgezeichnete Ware weiterhin zu. Und das, obwohl ISCC vor Ort nicht prüfen kann, ob es sich um preiswertes Palmöl aus Indonesien handelt, das mutmaßlich in China einfach umdeklariert
wurde. Würde man wegen fehlender Prüfmöglichkeiten in China – ISCC-Mitarbeiter erhalten dort weder Visum noch Arbeitserlaubnis – die Anrechenbarkeit dieser Produkte auf die den Preis reduzierende THG-Quote einfach aussetzen, wäre das Problem vom Tisch.
HVO
Dann könnte auch in der Landwirtschaft HVO eingesetzt werden, da die meisten modernen Motoren den Kraftstoff, der über den Gesamtlebenszyklus bis zu 90 % CO2 reduziert, problemlos einsetzen. Und HVO hat noch weitere signifikante Vorteile für die landwirtschaftliche Nutzung: Da der Kraftstoff kaum merklichen Ruß bei der Verbrennung produziert, eignet er sich insbesondere für sensible Anwendungen wie beispielsweise in Gewächshäusern oder in Ställen beim Vorlegen des Viehfutters. Ein weiterer wesentlicher Vorteil, gerade für saisonal genutzte Landmaschinen mit Dieselantrieb: Aufgrund der hohen Lagerstabilität von bis zu zehn Jahren tritt die gefürchtete Dieselpest, wie sie insbesondere bei Dieselkraftstoffen der Sorte B 7 festgestellt wird, erst gar nicht auf.
Landwirte, die dennoch HVO einsetzen wollen, beispielsweise über eine Hoftankstelle, können dieses je nach der Genehmigungslage in ihrem Bundesland heute schon über die Ausnahmeregelung des § 16, Abs. 2 der 10. BImSchV nutzen. Die rechtlichen Auskünfte liefert der örtliche Mineralölhandel. In jedem Fall sollte allerdings ein Blick in die begleitenden Fahrzeugpapiere erfolgen, ob dort eine Freigabe für HVO nach DIN EN 15940 vermerkt ist. Für Klarheit kann auch ein Anruf beim Motorenhersteller sorgen, denn die meisten HVO-Anbieter sprechen in den Werbetexten immer nur von einer Eignung für »moderne Motoren«. Problematisch könnte hier das verwendete Dichtungsmaterial werden: Alte NBR-Dichtungen neigen bei der Verwendung von HVO zu Undichtigkeiten, Viton-Dichtungen in neueren
Landmaschinen sind problemlos. Als Praxistipp bei Undichtigkeiten empfiehlt es sich, eine Tankfüllung fossilen Diesel zu nutzen, dann verschwindet der Kraftstoffaustritt meist wie von Geisterhand. Aufgrund der hohen Cetanzahl (Messzahl der Zündwilligkeit) von HVO
sollte man von einer Verwendung in Vorkammer-Dieselmotoren eher absehen.
HVO voraussichtlich ab Anfang Mai an Tankstellen
Nach der Befassung der Ausschüsse des Bundesrates mit der 10. BImSchV zur Freigabe von HVO am 6. und 7. März 2024 wird das Plenum des Bundesrates am 22. März erneut die Verordnung beraten. Offenbar soll eine Zustimmung mit weiteren Maßgaben erfolgen, die dann vom BMUV umzusetzen sind. Je nach Enthusiasmus des BMUV hinsichtlich der zeitlichen Umsetzung der HVO-Freigabe wäre Anfang Mai ein realistisches Szenario für den HVO-Verkauf an öffentlichen Tankstellen. All diese Angaben beruhen allerdings auf der Prämisse, dass diesbezüglich endlich Einigkeit bei den politischen Akteuren besteht und auf den letzten Metern nicht noch jemand dazwischen grätscht.

Biodiesel
Die Idee des umweltfreundlichen Biosprits vom Acker – weil die Pflanzen aus der Atmosphäre so viel CO2 aufnehmen, wie später bei der Verbrennung wieder ausgestoßen wird – verfängt häufig nicht. Umweltministerium, Umweltbundesamt, jede Menge Nicht-Regierungsorganisationen und die EU versuchen immer wieder, dagegen anzugehen. Würde man diese Art der Kritik auch gleichermaßen bei der Elektromobilität anwenden, könnte es wirklich irgendwann zu einer technologieoffenen Diskussion kommen, die bis dato aber nicht in Sicht ist. Es überwiegt die ideologiegetriebene »E-Mobility-only«-Diskussion. Trotz alledem: Wie steht es um Biodiesel und welche Aussichten gibt für die Zukunft?
Das Wichtigste vorab: Die beim HVO hinreichend beschriebene 10. BImSchV erlaubt in Zukunft nicht nur HVO, also paraffinische Diesel nach DIN EN 15940, sondern auch B 10, also fossilen Diesel mit bis zu 10 % Biodiesel. Die Betonung im Verordnungstext liegt hier auf »bis zu 10 %«. Der Mineralölindustrie ist es freigestellt, mit Blendraten von 1 bis zu 10 % zu arbeiten. Langfristig bietet diese Lösung allerdings auch Chancen, denn mit der bevorstehenden Pflicht der Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD/Corporate Sustainability Reporting Directive) kommt den Biokraftstoffen als Blendware eine entscheidende Bedeutung zu: Biodiesel, insbesondere in einer Beimischung von 10 %, gilt als preiswerte Erfüllungsoption der CSRD, wenn die CO2-Einsparung über den Handel an den Endverbraucher zertifizierungssicher weitergeleitet wird.
Auch wenn Biodiesel 70 bis 90 % weniger CO2 ausstößt als fossiler Diesel, wird es wohl vorerst bei den Blendvarianten (B 7, B 10) bleiben, denn B 100, also reinen Biodiesel, vertragen nur die wenigsten landwirtschaftlich genutzten Motoren. Die Industrie, besonders John Deere als Wegbereiter, arbeitet aber an Lösungen. B 10 für die Nutzung in PKW haben vor allem wegen des Problems der möglichen Ölverdünnung erst die wenigsten Automobilhersteller freigegeben, entsprechende Tests der Hersteller laufen aber derzeit.
Bioethanol
Nach der etwas chaotisch verlaufenen Einführung von E 10 scheint die Angst vor höheren Ethanolkonzentrationen in Ottokraftstoffen
langsam zu schwinden. Mehr als 25 % der deutschen Autofahrer tanken derzeit umweltfreundliches E 10, der Anteil steigt weiter, da der Kraftstoff derzeit 6 Ct /l günstiger als E 5 verkauft wird. Der Trend geht dahin, analog zu B 10 künftig »echtes« E 10 mit 10 % Ethanol statt »bis zu 10 %« anzubieten, um auch Ottokraftstoffe fit zu machen für die CSRD. Bisher war die Höhe des Ethanolanteils den Mineralölunternehmen wie gesagt freigestellt, Ethanol konnte auch teilweise substituiert werden durch ETBE (Ethyl-tert-butylether) oder MTBE (Methyl-tert-butylether), sodass der nachhaltige Bioanteil nicht rechtssicher feststand.
Vorreiter ist hier die Südzucker-Tochter CropEnergies AG, die in Mannheim kürzlich die erste E 20-Tankstelle eröffnet hat, um Daten für das Normungsverfahren zu liefern. E 20 liegt wegen des erhöhten Sauerstoffgehalts noch außerhalb der Kraftstoffnorm DIN EN 228, befindet sich in Europa aber schon im Vorfeld der Normung. Reglementierend gilt derzeit nicht nur die Norm für Ottokraftstoffe, sondern auch die Fuel Quality Directive auf EU-Ebene. Man zeigt sich jedoch optimistisch, in Brüssel zu einer Lösung zu kommen.
Wie es besser geht, zeigt Indien: Dort entwickelte man innerhalb von nur zwei Jahren eine Kraftstoffnorm für E 20 und brachte die nationalen Freigaben durch. Pragmatischer geht auch Italien das Problem an: Auf dem letzten G20-Gipfel gründete man eine weltweite Initiative für E 20. Auch aus Ungarn sind entsprechende Vorstöße bekannt. Neuere BMW-Fahrzeuge sind bereits jetzt sogar für E 25 freigegeben, wie ein Blick in die Tankklappe offenbart.