
Anreize. So wird Biodiversität zum Geschäftsmodell
Flächenprämien weiter senken und stattdessen Beiträge der Landwirtschaft zum Klimaschutz oder zur Biodiversität gezielter fördern – dafür gibt es verschiedene Modelle. Unsere Autoren diskutieren unterschiedliche Wege, von Gemeinwohlprämie bis zur Einbindung der Privatwirtschaft.
In den vergangenen Jahrzehnten ist der Instrumentenkoffer der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sukzessive erweitert worden. Das eigentliche Ziel der Einkommensstützung wurde durch Cross-Compliance, Greening und aktuell Ökoregeln sukzessive in Richtung Klima und Umwelt verlagert. Und mit Blick auf die begrenzten Finanzmittel und die Weiterentwicklung der GAP ist die Verknüpfung von
ökologischen Zielen und wirtschaftlichen Interessen eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Im Folgenden werden wir verschiedene Instrumente als mögliche Zukunftsentwürfe vorstellen, die diese Verbindung weiter stärken und neue Perspektiven für eine nachhaltige Landwirtschaft eröffnen.
Gemeinwohlprämie
Es ist gesellschaftliches und politisches Ziel, die Agrarförderung zukünftig verstärkt an öffentlichen Leistungen der landwirtschaftlichen Produktion auszurichten. Die aktuelle GAP-Verordnung sieht bereits eine entsprechende Erweiterung der Definition »landwirtschaftliche Tätigkeit« um die »Bereitstellung öffentlicher Güter« vor. Es stellt sich die Frage, wie die Bereitstellung
dieser nicht marktfähigen Güter nachvollziehbar und angemessen honoriert werden kann.
Das Punktesystem des DVL
Der Deutsche Verband für Landschaftspflege e.V. (DVL) hat vor diesem Hintergrund mit dem Konzept der »Gemeinwohlprämie« ein Bewertungs- und Honorierungsverfahren aus der Praxis heraus gemeinsam mit der Verwaltung und der Wissenschaft erarbeitet, um die aktuelle Situation von Biodiversität sowie Klima- und Wasserschutz in der Agrarlandschaft lohnend zu verbessern. Im Mittelpunkt des Vorschlags stehen dabei Landwirte, ihre Sichtweisen und speziell deren unternehmerisches Handeln. Inhaltlicher Kern des bereits seit 2016 entwickelten DVL-Ansatzes ist es, die wichtigsten flächengebundenen Gemeinwohlgüter gleichrangig neben der klassischen
Produktion aufzustellen und ebenso einkommenswirksam zu gestalten. Diese Umweltdienstleistungen werden vom Landwirt selbst mit einem Punktwertverfahren ermittelt, nach ihren erwartbaren Effekten bewertet und entsprechend dem erzielten Gesamtpunktwert aus flächengebundenen Mitteln der 1. Säule finanziell vergütet. Für diesen Auszahlungsbetrag wurde in begrifflicher Analogie zu den etablierten »Agrarprämien« der Begriff der »Gemeinwohlprämie« eingeführt. Die Herleitung der Bewertungen basiert jeweils auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft sowie einer Analyse bewährter Bewertungsmodelle für Umweltleistungen bzw. -effekte landwirtschaftlicher Betriebe.
Darauf kommt es an
Egal, ob Weiterentwicklung bestehender Fördermechanismen der GAP oder neue privatwirtschaftliche Geschäftsmodelle – die Konzepte müssen Vorteile erbringen, welche sich wie folgt auswirken:
- Anreiz für umweltfreundliche Praktiken schaffen: Durch die direkte Verknüpfung von Zahlungen mit konkreten Umweltleistungen könnten Landwirte motiviert werden, umweltfreundliche Maßnahmen umzusetzen (d. h. ergebnisorientierte Maßnahmen).
- Vereinfachung: Im Vergleich zu den bisherigen komplexen Förderprogrammen können Verfahren wie das der kooperativen, überbetrieblichen Maßnahmen, die Verwaltung und den hiermit verbundenen Bürokratieaufwand vereinfachen.
- Mehr Transparenz: Die Leistungen der Landwirte werden messbar und können transparent kommuniziert und in Wert gesetzt werden.
- Privatwirtschaftliche Mechanismen: Steuerliche Anreize können Unternehmen dazu motivieren, in nachhaltige Projekte zu investieren und die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren kann Synergien schaffen und die Wirksamkeit von Maßnahmen erhöhen.
So funktioniert die Bewertung

Die Betriebe (konventionell wie öko) können sich die für sie passenden Maßnahmen aus diesem Angebotsmenü von aktuell 19 Maßnahmen (je sieben für Acker- und Grünland, drei für Sonderkulturen und die beiden Hoftorbilanzen) selbst zusammenstellen und dafür die entsprechenden Punkte generieren. Bewertet werden nur solche Leistungen, die oberhalb der guten fachlichen Praxis sowie der aktuellen gesetzlichen Mindeststandards bzw. der geltenden Konditionalitäten in der GAP liegen. Leistungen, die der Betrieb ohnehin vorhält und die erwünschte Wirkungen erzielen (z. B. vorhandenes Dauergrünland) werden ebenso bewertet und vergütet. Die Punkte selbst werden mit einem konkreten Punktwert versehen (€/Punkt), der im Rahmen eines Modellprojektes mit 50 €/Punkt empfohlen wurde, am Ende aber so austariert werden müsste, dass möglichst viele Betriebe und Betriebsformen daran teilnehmen. Einen zusätzlichen unternehmerischen Anreiz bietet der »Bonus für Maßnahmenvielfalt«, den der Betrieb bei einer Auswahl von vier und mehr unterschiedlichen Maßnahmen auslösen kann. Auf diesem Wege kann die Produktion von Gemeinwohlleistungen gegenüber alternativen Produktionsmethoden auch betriebswirtschaftlich opportun werden.
Zwischenfazit
Perspektivisch ließe das dargestellte Verfahren für eine neue Gemeinwohlprämie eine Reihe positiver Effekte erwarten. Grundsätzlich erhielten Umweltleistungen erstmals einen messbaren Wert, was sie fassbarer machen und deutlicher in das Bewusstsein treten lassen würde. Faktisch ist davon auszugehen, dass mehr, gezieltere und wirkungsvollere Maßnahmen zum Biodiversitäts-, Wasser- und Klimaschutz in der Landwirtschaft stattfinden würden.
Umlageansatz
Wesentliche Grundlage für die Entwicklung eines Umlageansatzes ist die unbefriedigende Flächenentwicklung für Biodiversitätsmaßnahmen. Die Zielgrößen aus der nationalen Biodiversitätsstrategie sind nicht erreicht. Ein Hauptgrund dafür sind die nicht kostendeckenden Anreiz- und Honorierungsinstrumente. Zur Veranschaulichung soll ein mehrjähriger Blühstreifen (5-jährig) auf einem intensiven Ackerstandort in Niedersachsen dienen. Trotz Förderung von 875 €/ha erfolgte eine negative Einkommensentwicklung von 627 €/ha. Um das attraktiver zu gestalten, wurde im Rahmen der »Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA)« die Idee eines Anreizsystems auf Basis eines Umlageansatzes entwickelt. Vorbild für das »Ökosystemleistungen-Gesetz (ÖLG)« ist die EEG-Umlage für die Energiewende.
Die Umsetzung des ÖLG erfordert eine Soll-Ist-Analyse, in der der notwendige Maßnahmenbedarf (Soll) den aktuell umgesetzten
Maßnahmen und deren Flächenumfang (Ist) gegenübergestellt werden. Für die Maßnahmen werden auf Basis der Kosten für die Umsetzung und der Einkommensverluste/Opportunitätskosten zuzüglich Transaktionskosten regionalisierte Fördersätze berechnet. Auf dieser Basis kann der zusätzliche Finanzbedarf ermittelt werden. Für zwei Modellregionen (Ackerland in Niedersachsen und Grünland im Allgäu) wurde der Flächenund Finanzierungsbedarf errechnet und in einer vereinfachten Hochrechnung auf ganz Deutschland projiziert. So beträgt der zusätzliche Bedarf etwa 3,8 Mio. Hektar, um die Zielgrößen von mind. 20 % Biodiversitätsfläche bzw. 40 % in den Hot-Spot-Gebieten zu erreichen. Dafür bedarf es eines Maßnahmenbudgets von rund 4 Mrd. € (inklusive Verwaltungskosten) pro Jahr. Heruntergebrochen auf die hierzulande pro Jahr erfassten 900 Mio. Getreideeinheiten (GE) würde dies einen Aufschlag von 4,4 Ct./GE bedeuten. Wird der Aufschlag unverändert durchgereicht, ergibt sich für den Endverbraucher am Beispiel 1 kg Mischbrot (0,0095 GE) ein Aufschlag von 4,2 Ct. – weniger als die aktuelle Inflationsrate.

Fonds für die Finanzierung. Die für die Förderung von Biodiversitätsmaßnahmen notwendigen Einnahmen werden in der Wertschöpfungskette durch einen Aufschlag bei der Weitergabe der landwirtschaftlichen Rohware bei der »Aufnehmenden Hand (Landhandel, Mühlen, Molkereien, Schlachtereien)« generiert. Die Mittel fließen in einen Fonds, aus dem sie eine Verwaltungsorganisation an Zusammenschlüsse von Landwirten (kooperativer Ansatz, ähnlich dem sog. »Niederländischen Modell«) ausschüttet, die damit ihre Kosten zur Umsetzung der regionalisierten Biodiversitätsmaßnahmen decken. Die Kooperationen haben die Aufgabe, die nationalen Biodiversitätsziele auf regionaler Ebene herunterzubrechen und die Landwirte zu beraten – eine wesentliche Voraussetzung für sinnvolle Agrarumweltmaßnahmen. Andererseits stellt jede Kooperative nur einen Antrag an den Fonds, was den bürokratischen Aufwand und die Verwaltungskosten deutlich reduziert.
Erfolgsorientierte Prämie
Die aktuelle GAP bedient sich zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen dreier konzeptionell sehr ähnlicher Politikinstrumente: Konditionalität, Ökoregelungen und Agrarumwelt- bzw. Klimaschutzmaßnahmen. Dieses komplexe Geflecht entfällt bei dem Konzept der »Erfolgsorientierten Agrarprämie«. Mithilfe des neu geschaffenen Politikinstruments werden ausschließlich erbrachte Leistungen nach dem Prinzip »Öffentliches Geld für Öffentliche Leistungen« vergütet, wobei die Teilnahme freiwillig ist. Damit wird den landwirtschaftlichen Betrieben die Möglichkeit gegeben, durch die Erbringung von Umweltleistungen einerseits einen unternehmerischen Erfolg zu erzielen und andererseits an der Erreichung der politischen Ziele mitzuwirken.
Der »Erfolgsorientierten Agrarprämie« liegt ein Maßnahmenkatalog zugrunde, welcher über eine Faktormatrix mit den Zielen des Green Deal verknüpft ist. Dieser umfasst grünland- und ackerlandbezogene Maßnahmen und bildet in einem dritten Bereich »Übergreifende Maßnahmen« ab, welche betriebszweigübergreifend umgesetzt werden können. Hierzu zählt beispielsweise die Vergütung kleinteiliger
Schlagstrukturen. Auf der Entscheidungsebene können Betriebe somit Maßnahmen wählen, den Umfang festlegen und Green-Deal-Ziele erreichen. Die Zielerreichung ist ein entscheidender Punkt, da das Modell bei der Vergütung auf das Schwellenwertprinzip setzt. Infolgedessen gilt es, die betriebsindividuellen und zielspezifischen Vorgaben zu erreichen, um die Bezahlung zu aktivieren. Das Schwellenwertprinzip soll sicherstellen, dass die politischen Ziele auch auf nationaler Ebene erreicht werden.
Im Ergebnis bietet die »Erfolgsorientierte Agrarprämie« damit die notwendige Flexibilität, um auf die sich ändernden gesellschaftlichen Anforderungen einzugehen, ohne den Funktionsmechanismus verändern zu müssen. Sowohl die Ziele als auch die Maßnahmen sind erweiterbar. Beispielsweise könnte das Modell um das Ziel Bodenschutz erweitert und die dazu passenden bodenschonenden Verfahren in die Maßnahmenliste aufgenommen werden. Damit können die landwirtschaftlichen Betriebe einfacher auf Veränderungen reagieren.
Privatwirtschaftlicher Ansatz
Unternehmen haben zunehmend ein Interesse daran, ihren ökologischen Fußabdruck zu verbessern und zeigen Bereitschaft, in Modelle zur Förderung des Erhalts von Naturgütern zu investieren.
Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig: Viele dieser Unternehmen möchten ihr Image verbessern und zeigen, dass sie die Ökosysteme stärken, die sie beeinflussen. Außerdem suchen Unternehmen mit eigenen Förderprogrammen den direkten Kontakt zu ihren Produzenten, um mehr Transparenz und Sicherheit in ihre Wertschöpfungsketten zu bekommen. Darüber hinaus bewegen Verordnungen
wie die EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) viele Unternehmen dazu, ihren Umweltfußabdruck zu senken und lokal wirksame Naturschutzprojekte zu unterstützen.
Allerdings haben Unternehmen oftmals weder die Kapazitäten noch das notwendige Wissen, um direkt Förderprogramme für Landwirte aufzusetzen und sie zu betreuen, was die Bildung neuer Dienstleister fördert. Von Bedeutung kann hierbei sein, die jeweiligen Wertschöpfungsketten und die Produktionsregionen zu analysieren, um darauf aufbauend einen Maßnahmenkatalog für das jeweilige Unternehmen zu konzipieren und aufzubauen. Ähnlich dem Ansatz kooperativer Modelle wird dieser Maßnahmenkatalog sowohl mit
Naturschützern als auch mit Landwirten aus der jeweiligen Zielregion erarbeitet und dann in den Umlauf gebracht.
Beispiel. Als ein Vertreter dieses Sektors geht die Kiebitz Natural Capital GmbH dabei auf bestehende öffentliche Förderprogramme in der Zielregion ein und berücksichtigt insbesondere solche Maßnahmen, die noch nicht gefördert werden. Die vereinbarte und vertraglich festgehaltene Prämienhöhe basiert einerseits auf den Opportunitätskosten der Produktion und andererseits auf dem Naturschutzwert der
Maßnahme in der Zielregion. In einem bereits bestehenden Projekt möchte ein Unternehmen den Umweltfußabdruck (d. h. Klimagase und Biodiversität) seiner Zuckerproduktion reduzieren. Um dies zu erreichen, finanziert es im Landkreis Wolfenbüttel einen breiten Kiebitz-
Maßnahmenkatalog (Insektenwälle, Extensivgetreide mit blühenden Untersaaten, Kiebitzfenstern, Nützlingsstreifen oder Stein- und Totholzhaufen). Begleitet werden diese Maßnahmen von den Biodiversitätsberatern der Landwirtschaftskammer und der unteren Naturschutzbehörde.
Entscheidend für die Konzeption von Maßnahmen ist ein pragmatischer Ansatz, der auf betriebsspezifische Anforderungen eingehen kann, ohne den Naturschutzwert zu vernachlässigen. Hier zeigt sich die große Stärke von privatwirtschaftlichen Mitteln, welche flexibel Lücken im Naturschutz schließen können, die öffentliche Programme offenlassen und darüber hinaus durch individuelle Anpassungen Landwirten die Teilnahme an Naturschutzprogrammen erleichtern können.
Weitere Autoren: Axel Wirz, FiBL, Florian Tietjens, CAU, Ludwig Riedesel, Kiebitz und Prof. Dr. Nils Borchard, DLG