
Fütterung. Neue Basis für Rotationsberechnung
Es gibt überarbeitete Empfehlungen für die Energie- und Nährstoffversorgung von Milchkühen. Was sich ändert und was das für die praktische Fütterung bedeutet, zeigen Detlef Kampf und Hubert Spiekers.
Nach über zwanzig Jahren wurden die Normen zur Futterbewertung und Bedarfsermittlung weiterentwickelt. Damit stehen nun Werkzeuge zur Verfügung, um den Bedarf der Kühe und die Bewertung der Futtermittel besser und systematischer aufeinander abzustimmen. Der
Ausschuss für Bedarfsnormen der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE) hat nun die grundlegend überarbeiteten Empfehlungen
zur Energie- und Nährstoffversorgung von Milchkühen veröffentlicht. Sie sind mit der Einführung innovativer Konzepte für die Energie- und Proteinversorgung verbunden.
Im ersten Schritt wurden die Empfehlungen in einem Workshop im September 2023 in Stuttgart-Hohenheim vorgestellt, im zweiten Schritt übernimmt der DLG-Arbeitskreis Futter und Fütterung die Koordinierung der Umsetzung in die Fütterungspraxis.
Bei der Entwicklung der Fütterungsempfehlungen wurde darauf geachtet, Einflussfaktoren, die auf den Futterwert und den Bedarf des Tieres wirken, voneinander zu entkoppeln. Bei den neuen Konzepten werden zudem In-vitro- (z. B. Cellulasetest), In-situ- (z. B. erweiterter Hohenheimer Futterwerttest (HFT)) und Laborverfahren (z. B. chemische Proteinfraktionierung) in die Bewertung einbezogen.
Was ist neu? Das neue Energiebewertungssystem arbeitet mit der Umsetzbaren Energie (ME) als Einheit für Bedarf und Futteranalyse. Damit lässt sich klarer zwischen dem Energielieferungsvermögen des Futtermittels und der Verwertung der Energie (dem Bedarf des Tieres) unterscheiden. Sie wird für die Futtermittel in einem dreistufigen Verfahren berechnet. ME ist der Brennwert des Futters minus der
Energieverluste über Kot, Harn und Methan. Extrem wichtig ist hierbei die Verdaulichkeit der organischen Masse (OMD). Je besser ein Futtermittel verdaulich ist, desto mehr Energie liefert es. Beim Berechnen des Bedarfs an ME wird künftig berücksichtigt, dass bei laktierenden Milchkühen der Erhaltungsbedarf im Schnitt um ein Drittel höher ist und die Verwertung der Umsetzbaren Energie für die Milchbildung um 10 % niedriger als bisher angenommen. Beim Berechnen des Bedarfs werden die Laktationsphase und -anzahl einbezogen.
Komplexe Änderungen bei der Proteinbewertung. Das neue Proteinbewertungssystem verwendet nun das dünndarmverdauliche Protein (sidP) und die dünndarmverdaulichen Aminosäuren (sidAA) statt nutzbares Rohprotein (nXP) als Schnittstellen zwischen dem Bedarf
und der Versorgung des Tieres. Die Unterschiede in der Verdaulichkeit der Proteine aus verschiedenen Futtermitteln werden nun – anders als bisher – berücksichtigt. Künftig kann für jede Aminosäure der Bedarf und die Versorgung, beispielsweise an dünndarmverdaulichen
Lysin (sidLys), eingestellt werden.
Was ändert sich jetzt für die Landwirte?
Die Rationsberechnung für die Betriebe wird noch eine Weile gleich bleiben, denn die Einführung des neuen Systems benötigt noch Zeit. Analytik, Futterwerttabellen, Software und Lehrbücher müssen zunächst aktualisiert und Fütterungsberater geschult werden. Der DLG-Arbeitskreis Futter und Fütterung wird bei der Umsetzung der GfE-Empfehlungen viele Akteure einbinden. Dazu gehören z. B. Landwirtschaftskammern, Landesanstalten, die Futtermittelindustrie und -labore. Die Rationsberechnung wird sich künftig ändern und es wird sich zeigen, inwieweit sich dadurch auch die Rationen selbst ändern. Die Verdauung der Kühe ändert sich natürlich nicht, aber auf jeden Fall können die Futtermittel nun effizienter genutzt werden.

Als neue Größe wird darüber hinaus das Futteraufnahmeniveau (FAN) und dessen Wirkung auf das Umsetzen des Futters im Vormagen berücksichtigt. Bei einem hohen Futteraufnahmeniveau von z. B. 25 kg Trockenmasse (TM) je Kuh und Tag sinkt die Verweilzeit des Futters in den Vormägen im Vergleich zu 15 kg Trockenmasse je Kuh und Tag erheblich. Das hat einen geringeren Abbau der einzelnen Futtermittel zur Folge. Der Proteinwert der Futtermittel ändert sich, da der Anteil an im Pansen nicht abgebautem Futter-Rohprotein (UDP) ansteigt. Dadurch wird die Verdaulichkeit der organischen Masse und damit das mikrobielle Rohprotein (MCP) reduziert. Dies führt auch zu einer
geänderten Rangfolge der Futtermittel nach ihrem Proteinwert.
Für die Mineralstoffe und Vitamine war es nicht nötig, grundlegend neue Konzepte zu entwickeln. Nach dem Auswerten neuerer Daten wurden aber einzelne Faktoren des Bedarfs angepasst, z. B. bei Phosphor oder bei den empfohlenen Konzentrationen im Futter, beispielsweise bei Vitamin D. Ein besonderes Augenmerk galt dem Ableiten von Orientierungswerten für die Futteraufnahme und dem Erläutern der auf die Futteraufnahme wirkenden Einflussgrößen. Damit soll möglichen Zielkonflikten zwischen Gesundheit und Leistung der Tiere künftig besser vorgebeugt werden. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass die Gesundheit der Kühe eine Voraussetzung für Leistung ist.
Umweltwirkungen der Fütterung. Die Empfehlungen zeigen, wie die Umweltwirkungen der Milchviehfütterung mit Fütterungsmaßnahmen beeinflusst werden können. Speziell geht es um die Abgabe von Methan, um damit zur Versachlichung der Debatte um die Klimarelevanz der Rinderhaltung beizutragen. Weitere Themen sind die artgerechte Ernährung, die Gesunderhaltung, der Einfluss der Fütterung auf Zusammensetzung und Qualitätseigenschaften der Milch sowie die Sonderwirkungen bestimmter Futtermittel und -zusatzstoffe.
Auf dem Weg in die Praxis. Bevor die neuen Empfehlungen in der Fütterungspraxis ankommen, ist noch einige Vorarbeit nötig. Im ersten Schritt müssen die neu gefassten Parameter eingeführt und etabliert werden. Dazu werden parallel die notwendigen Anpassungen wie beispielsweise in der Futterbewertung, der Analytik und bei Berechnungsprogrammen vorgenommen und die Ergebnisse an Wissenschaft, Beratung, Analytik, Futterwirtschaft, etc. zurückgemeldet. Dies bedeutet, dass beispielsweise Analytikmethoden wie die Kalorimetrie, In-vitro-Verfahren wie zur Schätzung des dünndarmverdaulichen Proteins und neue Energieschätzgleichungen zur Bestimmung der ME etc. abgeglichen bzw. neu erarbeitet werden müssen. Hierzu müssen die Ergebnisse zur F utterbewertung später in Futterwerttabellen (bundesweit und regional) münden und die Schätzgleichungen für ME bei Grob- und Konzentratfutter angepasst werden. Zusätzlich müssen auch die Vorgaben des Futtermittelrechts für Mischfutter müssen angepasst werden.
Für die Mischfutteroptimierung heißt das, dass die Maßgaben zur Bewertung der Rohstoffe etc. neu gefasst werden und eine Anpassung bzw. Weiterentwicklung der Software erfolgt. Für die Rationsplanung werden Kenn- und Zielgrößen erweitert bzw. angepasst und außerdem die Rationsberechnungssoftware weiterentwickelt.